Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika. David Livingstone
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Ich erwähnte diese Vorfälle nicht, um ein klägliches Wehgeschrei über meine Verluste zu erheben oder um Mitleid für mich zu erregen; denn obschon es mir leidtat um den Verlust von Wörterbüchern usw., welche die Gefährten meiner Knabenzeit geworden waren, so gewährte mir die Plünderung im Grunde genommen doch erst vollständige Freiheit für meine Expedition nach dem Norden, und ich habe seither auch nie nur einen Augenblick lang Kummer um irgendetwas von dem gehabt, was ich damals einbüßte. Die Boers beschlossen, das Innere zu verschließen, und ich war entschlossen, das Land zu öffnen; wir werden noch sehen, wer von uns beiden in seinem Vorhaben am glücklichsten war – sie oder ich.
Eine kurze Schilderung der afrikanischen Hauswirtschaft dürfte für den Leser nicht uninteressant sein. Der gänzliche Mangel an Läden und Werkstätten zwang uns, alle unsere Bedürfnisse selber aus dem Rohmaterial herzustellen. Braucht man Backsteine zum Bau eines Hauses, so muss man zunächst aufs Feld hinausgehen, einen Baum fällen und in Bretter sägen, um daraus die Backsteinformen zu machen; das Material für Türen und Fenster steht ebenfalls noch draußen im Wald; und will man bei den Eingeborenen geachtet sein, so muss man sich ein Haus von anständigem Umfang bauen, das eine Unmasse Handarbeit kostet. Die Leute können nicht viel helfen, denn so gern die Bakuena auch um Lohn arbeiten, so haben sie doch eine seltsame Ungeschicklichkeit, etwas viereckig zu machen, denn ihre Hütten sind, wie bei allen Betschuanen, rund. Bei drei großen Häusern, die ich mir zu verschiedenen Zeiten erbaute, musste ich jeden Backstein und jedes Stück Holz mit eigener Hand viereckig machen.
Hat man das Mehl gemahlen, so schickt sich die Frau an, es in Brot zu verwandeln; man baut sich gewöhnlich einen improvisierten Ofen dadurch, dass man in einem Ameisenhaufen ein großes Loch aushöhlt und eine rohe Steinplatte statt der Tür benützt. Eine andere Methode, welche die Australier anwenden könnten, um etwas Besseres als ihre »dampers« herzustellen, besteht darin, dass man ein tüchtiges Feuer auf ebenem Boden macht, alsdann, wenn die Erde hinreichend erhitzt ist, den Teig in eine kleine Bratpfanne mit kurzem Stiel tut oder einfach auf die heiße Asche legt, hierauf einen metallenen Topf darüber stürzt, die heiße Asche um denselben herumlegt und dann ein kleines Feuer darüber macht. Hat man den Teig mit Sauerteig, der vom vorigen Backen noch übrig ist, angemacht und eine bis zwei Stunden in der Sonne stehen lassen, so bekommt man ein treffliches Brot.
Wir bereiteten uns die Butter selbst in einem steinernen Krug, der als Butterfass diente; ebenso auch die Kerzen; Seife fabrizierten wir aus der Asche der Halsola-Pflanze oder aus Holzasche, welche aber in Afrika so wenig Alkalien enthält, dass man vier bis sechs Wochen lang unausgesetzt Lauge anwenden muss, ehe man Seife bekommt. Das Gefühl, ganz auf sich selbst angewiesen zu sein, ist aber kein erdrückendes; man freut sich vielmehr, wenn man wie Alexander Selkirk mit eigenem Scharfsinn sich alle Bequemlichkeiten verschafft; und das eheliche Leben ist ein um so süßeres, wenn so viel Angenehmes unmittelbar aus den Händen der rührigen und strebsamen Hausfrau hervorgeht.
Manchem mag es eine ganz romantische Lebensweise erscheinen; es ist ein Leben voll werktätiger Nächstenliebe, wie es der gute Mensch auch zu Hause genießen kann. Man nehme einen einzelnen Tag als Beispiel für das Ganze. Wir standen sehr früh auf, weil, wie heiß auch der Tag gewesen sein mochte, Abend, Nacht und Morgen in Kolobeng immer köstlich erfrischend waren; kühl ist nicht das geeignete Wort in einem Land, wo man sich weder eine größere Kälte noch eine Zunahme der Hitze wünschen darf und wo man bis Mitternacht im Freien sitzen kann, ohne Husten oder Rheumatismus befürchten zu müssen. Nachdem wir zwischen sechs und sieben Uhr Familienandacht und Frühstück abgehalten hatten, gingen wir aus, um Schule zu halten für alle, die sich einstellten – Männer, Weiber und Kinder waren allesamt eingeladen. War um elf Uhr die Schule vorüber, so war die Missionarsfrau von häuslichen Geschäften in Anspruch genommen, während der Missionar selbst irgendeine Handarbeit als Schmied, Zimmermann oder Gärtner zu besorgen hatte, je nachdem gerade dieses oder jenes für uns selbst oder für die Leute notwendig war. Half er den Letzteren, so arbeiteten sie wieder für uns im Garten oder halfen bei einer anderen Beschäftigung, und geschickte Arbeit wurde so gegen ungeschickte eingetauscht. Nach dem Mittagsbrot und einer Stunde Mittagsrast besorgte die Frau ihre Kleinkinderschule, welche den Zöglingen, die von ihren Eltern ganz sich selber überlassen wurden, ungemein lieb war, sodass sie sich gewöhnlich bis zu hundert Köpfen stark einfanden; oder sie hielt dafür Nähschule, welche verschiedene Klassen hatte, um den Mädchen diese Kunst beizubringen; auch diese fand großen Beifall. Den ganzen Tag hindurch musste jede Handleistung beaufsichtigt werden, und Mann und Frau arbeiteten, bis die Sonne unterging. Nach Sonnenuntergang begab sich der Mann in die Stadt, um dort mit jedem sich zu unterhalten, der dazu aufgelegt war – bald über allgemeine Gegenstände, bald über Religion. An drei Abenden in der Woche hielten wir, sobald das Melken der Kühe vorüber und es dunkel geworden war, einen öffentlichen Gottesdienst und eine Art Anschauungsunterricht über profane Gegenstände, der durch Bilder und Muster unterstützt wurde. Mit diesen Andachtsübungen wechselten der Besuch der Kranken und die Verabreichung von Arzneien an dieselben sowie die Austeilung von Nahrungsmitteln an Arme und Elende und sonstige Hilfsleistungen. Wir bemühten uns, die Zuneigung der Leute dadurch zu gewinnen, dass wir für ihre körperlichen Bedürfnisse sorgten. Die kleinsten Freundschaftsdienste, ein verbindliches Wort und ein höflicher Blick sind nach der Ansicht des heiligen Xaver ein nicht zu verschmähender Teil der Waffenrüstung eines Missionars. Auch soll man sich ja bemühen, selbst der Niedrigsten gute Meinung sich zu erwerben, wenn man sie mit Höflichkeit gewinnen kann. Ihre freundliche Gesinnung im Großen und Ganzen bedingt den guten Ruf, den man zur Förderung und Popularisierung des Evangeliums sehr gut anwenden kann. Betätigt man gegen die leichtsinnigen oder ruchlosen Widersacher des Christentums wohlwollende Aufmerksamkeit auf ihrem Kranken- und Schmerzenslager, dann können sie niemals unsere persönlichen Feinde werden. Hier, wenn irgendwo, erzeugt Liebe wiederum Liebe.
Während unseres Aufenthalts zu Kolobeng waren wir, solange die Dürre anhielt, für unseren Getreidebedarf gänzlich von Kuruman abhängig. Einmal waren wir sogar so heruntergekommen, dass wir von Kleien leben und diese dreimal nacheinander mahlen mussten, um sie in feines Mehl zu verwandeln. Wir entbehrten schmerzlich die Fleischkost, welche hier ein weit dringenderes Lebensbedürfnis zu sein scheint, als sich die Anhänger der reinen Pflanzennahrung denken können. Da wir allein waren, konnten wir das frische Fleisch eines geschlachteten Tieres nicht mit anderen teilen in der Absicht, es regelmäßig wieder ersetzt zu bekommen. Setschele bekam als Häuptling die Brust von jedem Tier, das zu Hause oder auswärts geschlachtet wurde, und er sandte uns auf das Verbindlichste während unseres ganzen Aufenthalts einen reichlichen Anteil von dieser Fleischabgabe; allein diese Geschenke kamen natürlicherweise so unregelmäßig, dass wir gar oft froh waren, wenn wir nur ein Gericht Heuschrecken bekamen. Diese Insekten sind in jenem Land ein wahrer Segen, sodass selbst die Regendoktoren sie manchmal durch ihre Beschwörungen herbeizubringen versprachen. Die Heuschrecken haben einen entschieden vegetabilischen Geschmack, welcher je nach den Gewächsen wechselt, von denen sie sich nähren. Es gibt einen physiologischen Grund, warum Heuschrecken und Honig zusammen gegessen werden sollten. Viele werden geröstet und zu Mehl gestoßen, das sehr schmackhaft ist, wenn es mit Salz gegessen wird, und auf diese Weise auch