Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika. David Livingstone
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Setschele selbst wäre gern mit uns gegangen; allein ich fürchtete, der so viel besprochene und angedrohte Überfall der Boers könnte während unserer Abwesenheit stattfinden und alsdann mich ein Vorwurf treffen, weil ich ihn mitgenommen hätte. Ich redete ihm daher diesen Einfall aus und stellte ihm vor, er wisse wohl, dass Oswell ebenso entschlossen sein würde wie er, durch die Wüste hindurchzudringen.
Ehe ich jedoch die Begebenheiten dieser Reise schildere, will ich eine kurze Beschreibung der großen Wüste Kalahari geben, damit der Leser sich einen Begriff von den Strapazen machen kann, welche wir zu bestehen hatten.
Die ganze Strecke von dem Orange-Fluss im Süden, unter 29° südlicher Breite, bis zum Ngami-See im Norden, und ungefähr von 24° östlicher Länge bis in die Nähe der Westküste, ist eine Wüste genannt worden, weil sie kein fließendes Wasser und nur sehr wenig Brunnen enthält. Dieser Landstrich entbehrt aber keineswegs des Pflanzenwuchses und der Bewohner, denn er ist mit Gras und einer großen Menge Schlingpflanzen bedeckt und weist überdies auch weite Strecken von Gebüsch und sogar von Bäumen auf. Er ist außerordentlich flach, aber an verschiedenen Teilen von den Betten früherer Flüsse durchschnitten; ungeheure Herden Antilopen, welche wenig oder gar kein Wasser benötigen, schweifen über diese pfadlosen Ebenen hin. Die Bewohner, Buschmänner und Bakalahari, stellen dem Wild und den zahllosen Nagetieren und kleineren Arten des Katzengeschlechts nach, welche sich von den Letzteren nähren. Der Boden ist im Allgemeinen hell gefärbter weicher Sand, beinahe reine Kieselerde. Die Betten der alten Flüsse enthalten viel Alluvialboden, und da dieser durch die glühende Sonnenhitze ganz ausgetrocknet wird, so bleibt das Regenwasser in einigen Tümpeln mehrere Monate des Jahres hindurch stehen.
Die Menge Gras, welche in dieser merkwürdigen Wüste wächst, ist überraschend sogar für diejenigen, welche Afrika genauer kennen. Das Gras sprosst gewöhnlich in Büscheln, mit kahlen Stellen dazwischen, oder die Zwischenräume werden von Schlingpflanzen eingenommen, deren Wurzeln tief unter dem Boden liegen und daher wenig von den Wirkungen der sengenden Sonnenhitze verspüren. Die Zahl der Pflanzen mit Wurzelknollen ist sehr groß, und sie sind so eingerichtet, dass sie Nahrung und Feuchtigkeit zugeführt bekommen, selbst wenn während der anhaltenden monatelangen Trockenheit dies anderswo unmöglich wäre.
Die menschlichen Einwohner dieses Landstrichs bestehen aus Buschmännern und Bakalahari. Erstere sind wahrscheinlich die Ureinwohner des südlichen Teils des Kontinents; Letztere die Überbleibsel von der ersten Auswanderung der Betschuanen. Die Buschmänner leben aus freier Wahl, die Bakalahari gezwungen in der Wüste, aber beide sind große Freunde der Freiheit. Die Buschmänner unterscheiden sich durch Sprache, Rasse, Sitten und Aussehen. Sie sind die einzigen wirklichen Nomaden in diesem Land, bebauen niemals den Boden und halten auch keinerlei Haustiere außer armseligen Hunden. Mit der Lebensweise des Wildes sind sie so genau vertraut, dass sie demselben auf seinen Wanderungen nachziehen und ihm von einem Ort zum anderen nachstellen; sie tun auf diese Weise der übermäßigen und außerordentlichen Vermehrung des Wildes ebenso wirksam Einhalt wie die übrigen größeren fleischfressenden Tiere. Die Hauptnahrung der Buschmänner besteht in Wild; außerdem sammeln die Weiber noch Wurzeln und Bohnen und Früchte der Wüste ein.
Diejenigen von ihnen, welche die heißen sandigen Ebenen der Wüste bewohnen, zeigen gewöhnlich jene hageren ausgetrockneten Gestalten, welche große Anstrengungen und harte Entbehrungen ertragen können. Manche sind von niedriger Statur, obschon keine Zwerge. Diejenigen Individuen, welche man nach Europa gebracht hat, sind ihrer außerordentlichen Hässlichkeit wegen dazu ausersehen worden, und so haben sich die Begriffe der Engländer von dem ganzen Stamm auf gleiche Weise gebildet, als ob man die hässlichsten Engländer als die Repräsentanten der ganzen britischen Nation in Afrika zur Schau ausstellen wollte. Dass sie viel Ähnlichkeit mit Pavianen haben, ist gewissermaßen wahr, geradeso wie diese und andere Affen in manchen Stücken erschreckend menschenartig aussehen.
Die Furcht vor den Besuchen von Betschuanen fremder Stämme veranlasst die Bakalahari, ihre Wohnsitze fern von Wassersammlungen zu wählen, und sie verbergen ihre Vorräte zuweilen dadurch, dass sie die Gruben mit Sand füllen und ein Feuer über der Stelle anmachen. Wenn sie Wasser zu ihrem Gebrauch holen wollen, so kommen die Weiber mit zwanzig bis dreißig Wassergefäßen in einem Sack oder Netz auf dem Rücken. Diese Wassergefäße bestehen aus den Schalen von Straußeneiern, deren jede ein Loch an dem einen Ende hat, gerade groß genug, dass man mit dem Finger hinein kann. Die Weiber binden ein Büschel Gras an das Ende eines ungefähr 2 Fuß langen Schilfrohrs und stecken dieses in ein Loch, das sie so tief gegraben haben, wie ihr Arm reicht; dann stampfen sie den feuchten Sand um das Schilfrohr wieder fest. Bringen sie nun den Mund an das offene Ende des Rohrs und saugen daran, so bildet sich unten in dem Gras ein leerer Raum, in welchem sich das Wasser sammelt und in kurzer Zeit bis zum Mund emporsteigt. Eine Eierschale wird nun neben das Schilfrohr auf den Boden gesetzt, einige Zoll unter dem Mund der Saugenden. Ein Strohhalm leitet das Wasser in die Höhlung des Gefäßes, während sie es einen Mundvoll um den anderen heraufziehen. Das Wasser lässt man an der Außenseite des Strohhalms, nicht durch denselben hinablaufen. Wenn man es versucht, Wasser in eine Flasche zu spritzen, welche in einiger Entfernung unter dem Mund steht, so wird man sogleich einsehen, wie zweckmäßig diese Vorkehrung der Buschweiber ist, dem Strom die nötige Richtung mittels eines Strohhalmes zu geben. Der ganze Wasservorrat muss auf diese Weise durch den Mund des Weibes wie durch eine Pumpe gehen und wird, sobald er nach Hause gebracht worden ist, sorgfältig vergraben. Ich bin in Dörfer gekommen, wo wir, wenn wir trotzig und gebieterisch aufgetreten wären und jede Hütte durchstöbert hätten, doch nichts gefunden haben würden; allein wenn wir uns ruhig niederließen und geduldig warteten, bis die Dorfbewohner zu einer günstigen Meinung über uns gekommen waren, so brachte bald ein Weib eine Eierschale voll von dem köstlichen Nass aus irgendeinem unbekannten Versteck herbei.
Bakalahari-Frauen an einem Tümpel der Wüste
ZWEITES KAPITEL
So war die Wüste beschaffen, zu deren Durchreise wir uns nun anschickten – ehemals eine Region des Schreckens für die Betschuanen wegen der Menge Schlangen, welche daselbst hausten und von verschiedenen Mäusearten lebten, und wegen des furchtbaren Durstes, welchen die Leute oft erdulden mussten, wenn ihre Wassergefäße nicht groß genug waren für die Entfernungen, die man zurücklegen musste, bevor man Quellen erreichte.
Unmittelbar vor der Ankunft meiner Reisegefährten war ein Häuflein Leute aus der Gegend des Sees in Kolobeng eingetroffen und hatten sich mir als Abgesandte ihres Häuptlings Letschulatebe vorgestellt, der mich zum Besuch jenes Landes einladen ließ. Sie machten uns so glänzende Schilderungen von der Menge Elfenbein, das sich dort fände, dass die Führer der Bakuena mindestens ebenso begierig waren, nach dem See vorzudringen, wie wir selbst es wünschten. Dies war ein Glück, da wir wussten, dass der Weg, auf welchem die Fremden hergekommen waren, nicht mit Wagen passiert werden konnte.
Die Herren Oswell und Murray kamen Ende Mai, und wir alle brachen am 1. Juni 1849 wohlbehalten nach der unbekannten Region auf. Wir zogen nordwärts, zunächst durch eine Reihe mit Bäumen bedeckter Hügel nach Schokuane, dem früheren Wohnsitz der Bakuena, und gelangten bald auf die große Straße zu den Bamangwatos, welche zumeist im Bett eines ehemaligen Flusses oder Wadi hinführt, dessen Lauf