Der Golem. Gustav Meyrink

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Der Golem - Gustav Meyrink

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seinen Zigarettenstummel ins Haar.

      Der Polizeikommissär hat sich verfärbt und starrt in der Verlegenheit immerwährend auf die Perle in der Hemdbrust des Aristokraten.

      Er kann den gleichgültigen, glanzlosen Blick dieses glattrasierten, unbeweglichen Gesichtes mit der Hakennase nicht ertragen.

      Er bringt ihn aus der Ruhe. Schmettert ihn nieder.

      Die Totenstille im Lokal wird immer quälender.

      »So sehen die Ritterstatuen aus, die mit gefalteten Händen auf den Steinsärgen liegen in den gotischen Kirchen«, flüstert der Maler Vrieslander mit einem Blick auf den Kavalier.

      Da bricht der Aristokrat endlich das Schweigen: »Äh – Hm.« Er kopiert die Stimme des Wirtes: »Jä, jä, das sin mir Gästäh – da schaut man.« Ein schallendes Gejohle explodiert im Lokal, daß die Gläser klirren; die Strolche halten sich den Bauch vor Lachen. Eine Flasche fliegt an die Wand und zerschellt. Der vierschrötige Wirt meckert uns erläuternd und ehrfurchtsvoll zu: »Seine Durchlaucht Exzellenz Fürst Ferri Athenstädt.«

      Der Fürst hat dem Beamten eine Visitenkarte hingehalten. Der Ärmste nimmt sie, salutiert wiederholt und schlägt die Hacken zusammen.

      Es wird von neuem still, die Menge lauscht atemlos, was weiter geschehen wird.

      Der Kavalier spricht wieder:

      »Die Damen und Herren, die Sie hier versammelt sehen – äh – sind meine lieben Gäste.« Seine Durchlaucht deutet mit einer nachlässigen Armbewegung auf das Gesindel. »Wünschen Sie, Herr Kommissär – äh – vielleicht vorgestellt zu werden?«

      Der Kommissär verneint mit erzwungenem Lächeln, stottert verlegen etwas von »leidiger Pflichterfüllung« und rafft sich schließlich zu den Worten auf: »Ich sehe ja, daß es hier anständig zugeht.«

      Das bringt Leben in den Dragonerrittmeister: Er eilt in den Hintergrund auf den Damenhut mit der Straußenfeder zu und zerrt im nächsten Augenblick unter dem Jubel der jungen Adligen – Rosina am Arm herunter in den Saal.

      Sie schwankt vor Trunkenheit und hält die Augen geschlossen. Der große, kostbare Hut sitzt ihr schief, und sie hat nichts an als lange rosa Strümpfe und – einen Herrenfrack auf dem bloßen Körper.

      Ein Zeichen: Die Musik fällt ein wie rasend – – –

      »Rititit – Rititit« – – – und schwemmt den gurgelnden Schrei fort, den der taubstumme Jaromir, als er Rosina gesehen, an der Wand drüben ausgestoßen hat.

      Wir wollen gehen. Zwakh ruft nach der Kellnerin.

      Der allgemeine Lärm verschlingt seine Worte.

      Die Szenen vor mir werden phantastisch wie ein Opiumrausch.

      Der Rittmeister hält die halbnackte Rosina im Arm und dreht sich langsam mit ihr im Takt.

      Die Menge hat respektvoll Platz gemacht.

      Dann murmelt es von den Bänken: »Der Loisitschek, der Loisitschek«, die Hälse werden lang, und zu dem tanzenden Paar gesellt sich ein zweites, noch seltsameres. Ein weibisch aussehender Bursche in rosa Trikots, mit langem blondem Haar bis zu den Schultern, Lippen und Wangen geschminkt wie eine Dirne und die Augen niedergeschlagen in koketter Verwirrung – hängt schmachtend an der Brust des Fürsten Athenstädt.

      Ein süßlicher Walzer quillt aus der Harfe.

      Wilder Ekel vor dem Leben schnürt mir die Kehle zusammen.

      Mein Blick sucht voll Angst die Türe: Der Kommissär steht dort abgewendet, um nichts zu sehen, und flüstert hastig mit dem Kriminalschutzmann, der etwas einsteckt. Es klirrt wie Handschellen.

      Die beiden spähen hinüber auf den blatternarbigen Loisa, der einen Augenblick sich zu verstecken sucht und dann gelähmt – das Gesicht kalkweiß und verzerrt vor Entsetzen – stehen bleibt.

      Ein Bild zuckt in der Erinnerung vor mir auf und erlischt sofort: das Bild, wie Prokop lauscht, wie ich es vor einer Stunde gesehen – über das Kanalgitter gebeugt –, und ein Todesgeschrei gellt aus der Erde empor.

      Ich will rufen und kann nicht. Kalte Finger greifen mir in den Mund und biegen mir die Zunge nach unten gegen die Vorderzähne, daß es wie ein Klumpen meinen Gaumen erfüllt und ich kein Wort hervorbringen kann.

      Ich kann die Finger nicht sehen, weiß, daß sie unsichtbar sind, und doch empfinde ich sie wie etwas Körperliches. Und klar steht es in meinem Bewußtsein: Sie gehören zu der gespenstischen Hand, die mir in meinem Zimmer in der Hahnpaßgasse das Buch »Ibbur« gegeben hat. »Wasser, Wasser!« schreit Zwakh neben mir. Sie halten mir den Kopf und leuchten mir mit einer Kerze in die Pupillen.

      »In seine Wohnung schaffen, Arzt holen – der Archivar Hillel kennt sich aus in solchen Dingen – zu ihm bringen!« beraten sie murmelnd. Dann liege ich starr wie eine Leiche auf einer Bahre, und Prokop und Vrieslander tragen mich hinaus.

      WACH

      Zwakh war vor uns die Treppen hinauf gelaufen, und ich hörte, wie Mirjam, die Tochter des Archivars Hillel, ihn ängstlich ausfragte und er sie zu beruhigen trachtete.

      Ich gab mir keine Mühe hinzuhorchen, was sie miteinander sprachen, und erriet mehr, als ich es in Worten verstand, daß Zwakh erzählte, mir sei ein Unfall zugestoßen, und sie kämen bitten, mir die erste Hilfe zu leisten und mich wieder zu Bewußtsein zu bringen.

      Noch immer konnte ich kein Glied rühren, und die unsichtbaren Finger hielten meine Zunge; aber mein Denken war fest und sicher, und das Gefühl des Grauens hatte von mir abgelassen. Ich wußte genau, wo ich war und was mit mir geschah, und empfand es nicht einmal als absonderlich, daß man mich wie einen Toten hinauftrug, samt der Bahre im Zimmer Schemajah Hillels niedersetzte und – allein ließ.

      Eine ruhige, natürliche Zufriedenheit, wie man sie beim Heimkommen nach einer langen Wanderung genießt, erfüllte mich.

      Es war finster in der Stube, und mit verschwimmenden Umrissen hoben sich die Fensterrahmen in Kreuzesformen von dem mattleuchtenden Dunst ab, der von der Gasse heraufschimmerte.

      Alles kam mir selbstverständlich vor, und ich wunderte mich weder darüber, daß Hillel mit einem jüdischen siebenflammigen Sabbatleuchter eintrat, noch daß er mir gelassen »guten Abend« wünschte wie jemandem, dessen Kommen er erwartet hatte.

      Was ich die ganze Zeit, die ich im Hause wohnte, nie als etwas Besonderes bemerkt hatte – obgleich wir einander oft drei- bis viermal in der Woche auf den Stiegen begegnet waren –, fiel mir plötzlich stark an ihm auf, wie er so hin- und herging, einige Gegenstände auf der Kommode zurechtrückte und schließlich mit dem Leuchter einen zweiten, gleichfalls siebenflammigen, anzündete. Nämlich: sein Ebenmaß an Leib und Gliedern und der schmale, feine Schnitt des Gesichtes mit dem edlen Stirnaufbau.

      Er konnte, wie ich jetzt beim Schein der Kerzen sah, nicht älter sein als ich: höchstens fünfundvierzig Jahre zählen.

      »Du bist um einige Minuten früher gekommen«, begann er nach einer Weile, »als anzunehmen war, sonst hätte ich die Lichter schon vorher angezündet.« Er deutete auf die beiden Leuchter, trat an die Bahre und richtete seine dunklen, tiefliegenden Augen, wie es schien,

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