Der Golem. Gustav Meyrink

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Der Golem - Gustav Meyrink

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bald in heimlicher Liebe zu dem Studenten, und ein erbarmungsloses Schicksal wollte es, daß sie der Rektor gerade in dem Augenblick, als er unerwartet nach Hause kam, um sie zum Zeichen seiner Liebe mit einem Strauß Rosen als Geburtstagspräsent zu überraschen, in den Armen dessen antraf, auf den er Wohltat über Wohltat gehäuft hatte.

      Man sagt, daß die blaue Muttergottesblume für immer ihre Farbe verlieren kann, wenn der fahle, schweflige Schein eines Blitzes, der ein Hagelwetter verkündet, plötzlich auf sie fällt; gewiß ist, daß die Seele des alten Mannes für immer erblindete an dem Tage, wo sein Glück in Scherben ging. Am selben Abend noch saß er, er, der bis dahin nicht gewußt, was Unmäßigkeit ist, hier beim ›Loisitschek‹ – fast bewußtlos vom Fusel – bis zum Morgengrauen. Und der ›Loisitschek‹ wurde seine Heimstätte für den Rest seines zerstörten Lebens. Im Sommer schlief er irgendwo auf dem Schutt eines Neubaus, im Winter hier auf den hölzernen Bänken.

      Den Titel eines Professors und Doktors beider Rechte beließ man ihm stillschweigend. Niemand hatte das Herz dazu, gegen ihn, den einst berühmten Gelehrten, den Vorwurf zu erheben, daß man Ärgernis nähme an seinem Wandel.

      Allmählich sammelte sich um ihn, was an lichtscheuem Gesindel in der Judenstadt sein Wesen trieb, und so kam es zur Gründung jener seltsamen Gemeinschaft, die man noch heutigentags ›das Bataillon‹ nennt.

      Dr. Hulberts umfassende Gesetzeskenntnis wurde das Bollwerk für alle die, denen die Polizei zu scharf auf die Finger sah. War irgendein entlassener Sträfling daran zu verhungern, schickte ihn Dr. Hulbert splitternackt hinaus auf den Altstädter Ring – und das Amt auf der sogenannten ›Fischbanka‹ sah sich genötigt, einen Anzug beizustellen. Sollte eine unterstandslose Dirne aus der Stadt gewiesen werden, so heiratete sie schnell einen Strolch, der bezirkszuständig war, und wurde dadurch ansässig.

      Hundert solcher Auswege wußte Dr. Hulbert, und seinem Rate gegenüber stand die Polizei machtlos da. –

      Was diese Ausgestoßenen der menschlichen Gesellschaft ›verdienten‹, übergaben sie getreulich auf Heller und Kreuzer der gemeinsamen Kassa, aus der der nötige Lebensunterhalt bestritten wurde. Niemals ließ sich auch nur einer die geringste Unehrlichkeit zuschulden kommen. Mag sein, daß angesichts dieser eisernen Disziplin der Name ›das Bataillon‹ entstand.

      Pünktlich am ersten Dezember, wo sich der Tag des Unglücks jährte, das den alten Mann betroffen hatte, fand jedesmal nachts beim ›Loisitschek‹ eine seltsame Feier statt. Kopf an Kopf gedrängt standen sie hier: Bettler, Vagabunden, Zuhälter und Dirnen, Trunkenbolde und Lumpensammler, und eine lautlose Stille herrschte wie beim Gottesdienst. – Und dann erzählte ihnen Dr. Hulbert dort von der Ecke aus, wo jetzt die beiden Musikanten sitzen, gerade unter dem Krönungsbilde Seiner Majestät des Kaisers, seine Lebensgeschichte: wie er sich emporgerungen, den Doktortitel erworben und später Rector magnificus geworden war. Wenn er zu der Stelle kam, wo er mit dem Busch Rosen in der Hand ins Zimmer seiner jungen Frau trat – zur Feier ihres Geburtstages und zugleich zum Gedächtnis jener Stunde, da er dereinst um sie anhalten gekommen und sie seine liebe Braut geworden war –, da versagte ihm jedesmal die Stimme, und weinend sank er am Tisch zusammen. Dann geschah es wohl zuweilen, daß irgendein liederliches Frauenzimmer ihm verschämt und heimlich, damit es keiner sehen konnte, eine halbwelke Blume in die Hand legte.

      Von den Zuhörern rührte sich dann noch lange Zeit keiner. Zum Weinen sind diese Menschen zu hart, aber an ihren Kleidern blickten sie herunter und drehten unsicher die Finger.

      Eines Morgens fand man Dr. Hulbert tot auf einer Bank unten an der Moldau. Er wird, denke ich, erfroren sein. Sein Leichenbegängnis sehe ich noch heute vor mir. Das ›Bataillon‹ hatte sich fast zerfleischt, um alles so prunkvoll wie möglich zu gestalten.

      Voran ging der Pedell der Universität in vollem Ornat: in den Händen das purpurne Kissenpolster mit der güldenen Kette darauf, und hinter dem Leichenwagen in unabsehbarer Reihe – das ›Bataillon‹, barfuß, schmutzstarrend, zerlumpt und zerfetzt. Einer von ihnen hatte sein Letztes verkauft und ging daher: Leib, Beine und Arme mit Lagen aus altem Zeitungspapier umwickelt und umbunden.

      So erwiesen sie ihm die letzte Ehre.

      Auf seinem Grabe, draußen im Friedhof, steht ein weißer Stein, darein sind drei Figuren gemeißelt: der Heiland, gekreuzigt zwischen zwei Räubern. Von unbekannter Hand gestiftet. Man munkelt, Dr. Hulberts Frau habe das Denkmal errichtet.

      Im Testament des toten Rechtsgelehrten aber war ein Legat vorgesehen, danach bekommt jeder vom ›Bataillon‹ mittags ›beim Loisitschek‹ umsonst eine Suppe; zu diesem Zwecke hängen hier am Tisch die Löffel an den Ketten, und die ausgehöhlten Mulden in der Tischplatte sind die Teller. Um zwölf Uhr kommt die Kellnerin und spritzt mit einer großen, blechernen Spritze die Brühe hinein, und wenn sich einer nicht ausweisen kann als ›vom Bataillon‹, so zieht sie die Suppe mit der Spritze wieder zurück.

      Von diesem Tisch aus machte die Gepflogenheit als Witz die Runde durch die ganze Welt.«

      Der Eindruck eines Tumultes im Lokal weckte mich aus meiner Lethargie. Die letzten Sätze, die Zwakh gesprochen, wehten über mein Bewußtsein hinweg. Ich sah noch, wie er seine Hände bewegte, um das Vor- und Zurückschieben eines Spritzenkolbens klarzumachen, dann jagten die Bilder, die sich rings um uns abrollten, so rasch und automatenhaft und dennoch mit so gespenstischer Deutlichkeit an meinem Auge vorüber, daß ich in Momenten ganz mich selbst vergaß und mir wie ein Rad vorkam in einem lebendigen Uhrwerk.

      Das Zimmer war ein einziges Menschengewühl geworden. Oben auf der Estrade: dutzende Herren in schwarzen Fräcken. Weiße Manschetten, blitzende Ringe. Eine Dragoneruniform mit Rittmeisterschnüren. Im Hintergrund ein Damenhut mit lachsfarbigen Straußenfedern. Durch die Stäbe des Geländers stierte das verzerrte Gesicht Loisas hinauf. Ich sah: Er konnte sich kaum aufrecht halten. Auch Jaromir war da und schaute unverwandt hinauf, mit dem Rücken dicht, ganz dicht an der Seitenwand, als presse ihn eine unsichtbare Hand dagegen.

      Die Gestalten hielten plötzlich im Tanzen inne: Der Wirt mußte ihnen etwas zugerufen haben, was sie erschreckt hatte. Die Musik spielte noch, aber leise; sie traute sich nicht mehr recht. Sie zitterte; man fühlte es deutlich. Und doch lag der Ausdruck hämischer wilder Freude in dem Gesicht des Wirtes.

      In der Eingangstür steht mit einem Mal der Polizeikommissär in Uniform. Er hat die Arme ausgebreitet, um niemand hinauszulassen. Hinter ihm ein Kriminalschutzmann.

      »Wird also doch hier getanzt? Trotz des Verbotes? Ich sperre die Spelunke. Sie kommen mit, Wirt! Und was hier ist, marsch auf die Wachstube!«

      Es klingt wie Kommandos.

      Der Vierschrötige gibt keine Antwort, aber das hämische Grinsen bleibt in seinen Zügen.

      Bloß starrer ist es geworden.

      Die Harmonika hat sich verschluckt und pfeift nur noch. Auch die Harfe zieht den Schwanz ein.

      Die Gesichter sind plötzlich alle im Profil zu sehen: Sie glotzen erwartungsvoll hinauf auf die Estrade.

      Und da kommt eine vornehme schwarze Gestalt gelassen die paar Stufen herab und geht langsam auf den Kommissär zu.

      Die Augen des Kriminalschutzmannes hängen gebannt an den heranschlendernden schwarzen Lackschuhen.

      Der Kavalier ist einen Schritt vor dem Polizeibeamten stehen geblieben und läßt den Blick gelangweilt ihm von Kopf bis zu den Füßen und wieder zurück schweifen.

      Die andern jungen Adligen oben auf der Estrade haben sich über das Geländer gebeugt und verbeißen das Lachen hinter ihren grauseidenen

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