Der Golem. Gustav Meyrink

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Der Golem - Gustav Meyrink

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tat mir fast weh, wie ich es hörte, und ich sah hin, ob es denn nicht bald zu Ende sei.

      Wie der Kopf sich in des Malers Hand hin und her wandte, war es, als habe er Bewußtsein und spähe von Winkel zu Winkel. Dann ruhten seine Augen lange auf mir, befriedigt, daß sie mich endlich gefunden.

      Auch ich vermochte meine Blicke nicht mehr abzuwenden und starrte unverwandt auf das hölzerne Antlitz.

      Eine Weile schien das Messer des Malers zögernd etwas zu suchen, dann ritzte es entschlossen eine Linie ein, und plötzlich gewannen die Züge des Holzklotzes schreckhaftes Leben.

      Ich erkannte das gelbe Gesicht des Fremden, der mir damals das Buch gebracht.

      Dann konnte ich nichts mehr unterscheiden; der Anblick hatte nur eine Sekunde gedauert, und ich spürte, daß mein Herz zu schlagen aufhörte und ängstlich flatterte. Dennoch blieb ich mir – wie damals – des Gesichtes bewußt.

      Ich war es selber geworden und lag auf Vrieslanders Schoß und spähte umher.

      Meine Augen wanderten im Zimmer umher, und eine fremde Hand bewegte meinen Schädel.

      Dann sah ich mit einem Male Zwakhs aufgeregte Miene und hörte seine Worte: Um Gottes willen, das ist ja der Golem!

      Und ein kurzes Ringen entstand, und man wollte Vrieslander mit Gewalt das Schnitzwerk entreißen, doch der wehrte sich und rief lachend:

      »Was wollt ihr, es ist doch ganz und gar mißlungen.« Und er wand sich los, öffnete das Fenster und warf den Kopf auf die Gasse hinunter.

      Da schwand mein Bewußtsein, und ich tauchte in eine tiefe Finsternis, die von schimmernden Goldfäden durchzogen war, und als ich, wie es mir schien, nach einer langen, langen Zeit erwachte, da erst hörte ich das Holz klappernd auf das Pflaster fallen.

      »Sie haben so fest geschlafen, daß Sie nicht merkten, wie wir Sie schüttelten«, sagte Josua Prokop zu mir, »der Punsch ist aus, und Sie haben alles versäumt.«

      Der heiße Schmerz über das, was ich vorhin mitangehört, übermannte mich wieder, und ich wollte aufschreien, daß ich nicht geträumt habe, als ich ihnen von dem Buche Ibbur erzählte – und es aus der Kassette nehmen und ihnen zeigen könne.

      Aber diese Gedanken kamen nicht zu Wort und konnten die Stimmung allgemeinen Aufbruches, die meine Gäste ergriffen hatte, nicht durchdringen.

      Zwakh hängte mir mit Gewalt den Mantel um und rief:

      »Kommen Sie nur mit zum Loisitschek, Meister Pernath, es wird Ihre Lebensgeister erfrischen.«

      NACHT

      Willenlos hatte ich mich von Zwakh die Treppe hinunterführen lassen.

      Ich spürte den Geruch des Nebels, der von der Straße ins Haus drang, deutlicher und deutlicher werden. Josua Prokop und Vrieslander waren einige Schritte vorausgegangen, und man hörte, wie sie draußen vor dem Torweg mitsammen sprachen.

      »Er muß rein in das Kanalgitter gefallen sein. Es ist doch zum Teufelholen.«

      Wir traten hinaus auf die Gasse, und ich sah, wie Prokop sich bückte und die Marionette suchte.

      »Freut mich, daß du den dummen Kopf nicht finden kannst«, brummte Vrieslander. Er hatte sich an die Mauer gestellt, und sein Gesicht leuchtete grell auf und erlosch wieder in kurzen Intervallen – wie er das Feuer eines Streichholzes zischend in seine kurze Pfeife sog. Prokop machte eine heftig abwehrende Bewegung mit dem Arm und beugte sich noch tiefer hinab. Er kniete beinahe auf dem Pflaster:

      »Still doch! Hört ihr denn nichts?«

      Wir traten an ihn heran. Er deutete stumm auf das Kanalgitter und legte horchend die Hand ans Ohr. Eine Weile standen wir unbeweglich und lauschten in den Schacht hinab. – Nichts.

      »Was war’s denn?« flüsterte endlich der alte Marionettenspieler; doch sofort packte ihn Prokop heftig beim Handgelenk.

      Einen Augenblick – kaum einen Herzschlag lang – hatte es mir geschienen, als klopfte da unten eine Hand gegen eine Eisenplatte – fast unhörbar. Als ich eine Sekunde später darüber nachdachte, war alles vorbei; nur in meiner Brust hallte es wie ein Erinnerungsecho weiter und löste sich langsam in ein unbestimmtes Gefühl des Grauens auf.

      Schritte, die die Gasse heraufkamen, verscheuchten den Eindruck. »Gehen wir; was stehen wir da herum!« mahnte Vrieslander.

      Wir schritten die Häuserreihe entlang.

      Prokop folgte nur widerwillig.

      »Meinen Hals möcht ich wetten, da unten hat jemand geschrien in Todesangst.«

      Niemand von uns antwortete ihm, aber ich fühlte, daß etwas wie leise dämmernde Angst uns die Zunge in Fesseln hielt.

      Bald darauf standen wir vor einem rotverhängten Schenkenfenster.

      SALON LOISITSCHEK

      Heinte großes Konzehr

      stand auf einem Pappendeckel geschrieben, dessen Rand mit verblichenen Photographien von Frauenzimmern bedeckt war.

      Ehe noch Zwakh die Hand auf die Klinke legen konnte, öffnete sich die Eingangstür nach innen, und ein vierschrötiger Kerl mit gewichstem schwarzem Haar, ohne Kragen – eine grünseidene Krawatte um den bloßen Hals geschlungen und die Frackweste mit einem Klumpen aus Schweinszähnen geschmückt –, empfing uns mit Bücklingen.

      »Jä, jä, das sin mir Gästäh. – Pane Schaffranek, rasch einen Tusch!« setzte er, über die Schulter in das von Menschen überfüllte Lokal gewendet, hastig seinem Willkommensgruß hinzu.

      Ein klimperndes Geräusch, wie wenn eine Ratte über Klaviersaiten liefe, war die Antwort.

      »Jä, jä, das sin mir Gästäh, das sin mir Gästäh. Da schaut man«, murmelte der Vierschrötige immerwährend eifrig vor sich hin, während er uns aus den Mänteln half.

      »Ja, ja, heinte ist der ganze verehrliche Hochadel des Landes bei mir versammelt«, beantwortete er triumphierend Vrieslanders erstaunte Miene, als im Hintergrund auf einer Art Estrade, die durch Geländer und eine zweistufige Treppe vom vorderen Teil der Schenke getrennt war, ein paar vornehme junge Herren in Abendtoilette sichtbar wurden.

      Schwaden beißenden Tabakrauches lagerten über den Tischen, hinter denen die langen Holzbänke an den Wänden vollbesetzt von zerlumpten Gestalten waren: Dirnen von den Schanzen, ungekämmt, schmutzig, barfuß, die festen Brüste kaum verhüllt von mißfarbigen Umhängetüchern, Zuhälter daneben mit blauen Militärmützen und Zigaretten hinter dem Ohr, Viehhändler mit haarigen Fäusten und schwerfälligen Fingern, die bei jeder Bewegung eine stumme Sprache der Niedertracht redeten, vazierende Kellner mit frechen Augen und blatternarbige Kommis mit karierten Hosen.

      »Ich stell ich Ihnen spanische Plente umadum, damit Sie schön ungestört sein«, krächzte die feiste Stimme des Vierschrötigen, und eine Rollwand, beklebt mit kleinen, tanzenden Chinesen, schob sich langsam vor den Ecktisch, an den wir uns gesetzt hatten.

      Schnarrende Klänge einer Harfe machten das Stimmengewirr im Zimmer verlöschen.

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