Der Golem. Gustav Meyrink

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Der Golem - Gustav Meyrink

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erschreckender Deutlichkeit hörte man plötzlich, wie die eisernen Gasstäbe fauchend die flachen, herzförmigen Flammen aus ihren Mündern in die Luft bliesen – dann fiel die Musik über das Geräusch her und verschlang es. Als wären sie soeben erst entstanden, tauchten da zwei seltsame Gestalten aus dem Tabakqualm vor meinem Blick empor.

      Mit langem, wallendem, weißen Prophetenbart, ein schwarzseidenes Käppchen – wie es die alten jüdischen Familienväter tragen – auf dem Kahlkopf, die blinden Augen milchbläulich und gläsern – starr zur Decke gerichtet –, saß dort ein Greis, bewegte lautlos die Lippen und fuhr mit dürren Fingern wie mit Geierkrallen in die Saiten einer Harfe. Neben ihm in speckglänzendem schwarzem Taffetkleid, Jettschmuck und Jettkreuz an Hals und Armen – ein Sinnbild erheuchelter Bürgermoral –, ein schwammiges Weibsbild, die Ziehharmonika auf dem Schoß.

      Ein wildes Gestolper von Klängen drängte sich aus den Instrumenten, dann sank die Melodie ermattet zur bloßen Begleitung herab.

      Der Greis hatte ein paarmal in die Luft gebissen und riß den Mund weit auf, daß man die schwarzen Zahnstumpen sehen konnte. Langsam aus der Brust herauf rang sich ihm, von seltsamen hebräischen Röchellauten begleitet, ein wilder Baß:

      »Roo – n – te, blau – we Stern – –«

      »Rititit« (schrillte das Weibsbild dazwischen und schnappte sofort die keifigen Lippen zusammen, als habe sie schon zuviel gesagt).

      »Roonte, blaue Steern,

      Hörndlach ess i’ ach geern.«

      »Rititit.«

      »Rotboart, Grienboart,

      allerlaj Stern – –«

      »Rititit, rititit.«

      Die Paare traten zum Tanze an.

      »Es ist das Lied vom ›chomezigen Borchu‹«, erklärte uns lächelnd der Marionettenspieler und schlug leise mit dem Zinnlöffel, der sonderbarerweise mit einer Kette am Tisch befestigt war, den Takt. »Vor wohl hundert Jahren oder mehr noch hatten zwei Bäckergesellen, Rotbart und Grünbart, am Abend des ›Schabbes Hagodel‹ das Brot – Sterne und Hörnchen – vergiftet, um ein ausgiebiges Sterben in der Judenstadt hervorzurufen; aber der ›Meschores‹ – der Gemeindediener – war infolge göttlicher Erleuchtung noch rechtzeitig draufgekommen und konnte die beiden Verbrecher der Stadtpolizei überliefern. Zur Erinnerung an die wundersame Errettung aus Todesgefahr dichteten damals die ›Landonim‹ und ›Bocherlech‹ jenes seltsame Lied, das wir hier jetzt als Bordellquadrille hören.«

      »Rititit – Rititit.«

      »Roote, blaue Steern – – –«, immer hohler und fanatischer erscholl das Gebell des Greises.

      Plötzlich wurde die Melodie konfuser und ging allmählich in den Rhythmus des böhmischen »Schlapak« – eines schleifenden Schiebetanzes – über, bei dem die Paare die schwitzigen Wangen innig aneinanderpreßten.

      »So recht. Bravo. Äh da! fang, hep, hep!« rief von der Estrade ein schlanker, junger Kavalier im Frack, das Monokel im Auge, dem Harfenisten zu, griff in die Westentasche und warf ein Silberstück in der Richtung. Es erreichte sein Ziel nicht: Ich sah noch, wie es über das Tanzgewühl hinblitzte; da war es plötzlich verschwunden. Ein Strolch – sein Gesicht kam mir so bekannt vor; ich glaube, es muß derselbe gewesen sein, der neulich bei dem Regenguß neben Charousek gestanden – hatte seine Hand hinter dem Busentuch seiner Tänzerin, wo er sie bisher hartnäckig ruhen gehabt, hervorgezogen – ein Griff in die Luft mit affenhafter Geschwindigkeit, ohne auch nur einen Takt der Musik auszulassen, und die Münze war geschnappt. Nicht ein Muskel zuckte im Gesicht des Burschen auf, nur zwei, drei Paare in der Nähe grinsten leise.

      »Wahrscheinlich einer vom ›Bataillon‹, nach der Geschicklichkeit zu schließen«, sagte Zwakh lachend. »Meister Pernath hat sicherlich noch nie etwas vom ›Bataillon‹ gehört«, fiel Vrieslander auffallend rasch ein und zwinkerte heimlich dem Marionettenspieler zu, daß ich es nicht sehen sollte. – Ich verstand gar wohl: Es war wie vorhin, oben auf meinem Zimmer. Sie hielten mich für krank. Wollten mich aufheitern. Und Zwakh sollte etwas erzählen. Irgend etwas.

      Wie mich der gute Alte so mitleidig ansah, stieg es mir heiß vom Herzen in die Augen. Wenn er wüßte, wie weh mir sein Mitleid tat!

      Ich überhörte die ersten Worte, mit denen der Marionettenspieler seine Worte einleitete – ich weiß nur, mir war, als verblute ich langsam. Mir wurde immer kälter und starrer, wie vorhin, als ich als hölzernes Gesicht auf Vrieslanders Schoß gelegen hatte. Dann war ich plötzlich mitten drin in der Erzählung, die mich fremdartig umfing – einhüllte, wie ein lebloses Stück aus einem Lesebuch. Zwakh begann:

      »Die Erzählung vom Rechtsgelehrten Dr. Hulbert und seinem Bataillon.

      – – – No, was soll ich sagen: Das Gesicht hatte er voller Warzen und krumme Beine wie ein Dachshund. Schon als Jüngling kannte er nichts als Studium. Trockenes, entnervendes Studium. Von dem, was er sich durch Stundengeben mühsam erwarb, mußte er noch seine kranke Mutter erhalten. Wie grüne Wiesen aussehen und Hecken und Hügel voll Blumen und Wälder, erfuhr er, glaube ich, nur aus Büchern. Wie wenig von Sonnenschein in Prags schwarze Gassen fällt, wissen Sie ja selbst! Sein Doktorat hatte er mit Auszeichnung gemacht; das war eigentlich selbstverständlich.

      Nun, und mit der Zeit wurde er ein berühmter Rechtsgelehrter. So berühmt, daß alle Leute – Richter und alte Advokaten – zu ihm fragen kamen, wenn sie irgend etwas nicht wußten. Dabei lebte er ärmlich wie ein Bettler in einer Dunkelkammer, deren Fenster hinaus auf den Teinhof schaute.

      So vergingen Jahre um Jahre, und Dr. Hulberts Ruf als Leuchte seiner Wissenschaft wurde allmählich Sprichwort im ganzen Lande. Daß ein Mann wie er weichen Herzensempfindungen zugänglich sein könnte, zumal sein Haar schon anfing weiß zu werden und sich niemand erinnerte, ihn je von etwas anderem als von Jurisprudenz sprechen gehört zu haben, hätte wohl keiner geglaubt. Doch gerade in solchen verschlossenen Herzen glüht die Sehnsucht am heißesten.

      An dem Tage, als Dr. Hulbert das Ziel erreichte, das ihm wohl schon als Höchstes seit seiner Studentenzeit vorgeschwebt hatte: als nämlich Seine Majestät der Kaiser von Wien aus ihn zum Rector magnificus an unserer Universität ernannte, da ging es von Mund zu Mund, er habe sich mit einem jungen, bildschönen Fräulein aus zwar armer, aber adeliger Familie verlobt.

      Und wirklich schien von da an das Glück bei Dr. Hulbert eingezogen zu sein. Wenn auch seine Ehe kinderlos blieb, so trug er doch seine junge Gattin auf Händen, und jeden Wunsch zu erfüllen, den er ihr nur irgend von den Augen abzulesen vermochte, war seine höchste Freude.

      In seinem Glück vergaß er jedoch keineswegs, wie es wohl so mancher andere getan hätte, seine leidenden Mitmenschen. ›Mir hat Gott meine Sehnsucht gestillt‹, soll er einmal gesagt haben, – ›er hat mir ein Traumgesicht zur Wahrheit werden lassen, das wie ein Glanz vor mir hergegangen ist seit Kindheit an: Er hat mir das lieblichste Wesen zu eigen gegeben, das die Erde trägt. Und so will ich, daß ein Schimmer von diesem Glück, soweit es in meiner Macht steht, auch auf andere fällt.‹ Und so kam es, daß er sich bei Gelegenheit eines armen Studenten annahm wie seines eigenen Sohnes. Vermutlich in der Erwägung, wie wohl ihm selbst ein solch gutes Werk getan hätte, wäre es ihm am eigenen Leib und Leben in den Tagen seiner kummervollen Jugendzeit passiert. Wie aber nun auf Erden manche Tat, die dem Menschen gut und edel scheint, Folgen nach sich zieht gleich einer fluchwürdigen, weil wir wohl doch nicht richtig unterscheiden können zwischen dem, was giftigen Samen in sich trägt und was heilsamen, so begab es sich hier, daß

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