Der Schützling. Dirk Koch

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Der Schützling - Dirk Koch

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ausgestellt am 10. Oktober 1947. Über den ersten Nachkriegsjob des Heimkehrers steht dort: »Der Reg.-Angestellte Adolf Kanter ist seit dem 3. März 1946 beim Dezernat I Verkehr beschäftigt. Sein Tätigkeitsgebiet erstreckt sich auf die Bearbeitung von Kassenangelegenheiten, Führung der Registratur und Erledigung der allgemeinen Büroarbeiten. Kanter verfügt über eine gute Allgemeinbildung und seine schnelle Auffassungsgabe ermöglicht es ihm, sich schnell in neue Aufgabengebiete einzuarbeiten. Die ihm übertragenen Arbeiten hat er bisher zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Seine Bescheidenheit und sein Fleiß verdienen besonders hervorgehoben zu werden. Auch sein sonstiges Verhalten war stets einwandfrei.«

      Fleißig, bescheiden, bestes Benehmen – den Eindruck wusste Kanter auch später stets bei den Leuten zu hinterlassen. Auch Ingeborg Smith, seine langjährige Sekretärin in Bonn, lobte ihn: »Freundlich, hilfsbereit, fleißig, ein ganz normaler Mann.«

      Über den anderen Kanter verbreitete sich der Vorsitzende Richter beim Oberlandesgericht Koblenz, Joachim Vonnahme, in der geheim gehaltenen Begründung seines milden Bewährungsurteils. Er schrieb 1995: »Zumindest in der Anfangszeit übte vordergründig die nachrichtendienstliche Verbindung mit der Vorstellung, einen funktionsfähigen fremden Geheimdienst hinter sich zu haben, schon als solche auf den Angeklagten als jungen Menschen einen gewissen Reiz aus. Eigenem Bekunden zufolge fühlte er sich dabei selbst wie eine Art ›James Bond‹.« Richter Vonnahme wusste offenkundig nicht: Vor ihm stand ein kriegsgehärteter Profi, dem Spezialisten der Nazi-Zeit das Tarnen, die Geheimoperationen, das Töten beigebracht hatten.

      Über seine Zeit bei der Wehrmacht hatte es Kanter stets bei kargen Angaben belassen. In den Fragebogen der alliierten Militärregierung zwecks Entnazifizierung der Deutschen tippte er am 14. Oktober 1947 in die Antwortzeilen zur Waffengattung: »Heer«; zur Frage, wo er gedient habe: »Frankr.«; über den Dienstrang: »Gefr.«. In die Rubrik »Militäranschrift« trug er handschriftlich ein: »Pz.Rgt. Brandenburg«, als vorgesetzten Offizier: »Maj. Waldeck« und als Grund für die Beendigung des Dienstverhältnisses: »Kriegsende«. Kanter durfte seinen Nachkriegsposten in der Koblenzer Verwaltung behalten. »Belassung im Amt«, stand auf dem Bescheid vom 19. März 1947, ausgestellt von den »Bereinigungskommissionen für Politische Überprüfung« beim Regierungspräsidenten Koblenz.

      Er hatte bei Weitem nicht die ganze Wahrheit über sich geschrieben. Den Hitlerjungen Kanter dürften die Heldentaten der »Brandenburger« fasziniert haben, Freiwilligenwerber der Wehrmacht ergingen sich, unter dem Siegel der Verschwiegenheit, in Andeutungen über die »Gespenstersoldaten« der Division »Brandenburg« und ihre waghalsigen Kommandounternehmen. Einer der kolportierten Tricks: In gegnerischen Uniformen eskortierten »Brandenburger« angebliche deutsche Gefangene, die Waffen und Munition unter ihren deutschen Uniformen verbargen, durch feindliche Stellungen, um dann im Handstreich strategisch wichtige Brücken in Belgien oder Russland zu erobern.

      Kant er meldete sich am 25. Juni 1943 als Freiwilliger zur Division »Brandenburg«, gegründet als Sonderverband des deutschen Militärgeheimdienstes, des Amtes Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht. Spezialität der »Brandenburger«: Kommandooperationen hinter feindlichen Linien, oft völkerrechtswidrig in Uniform und mit Ausrüstung der Feindkräfte. Die Division wurde bis kurz vor Kriegsende nie geschlossen eingesetzt, sondern in einzelnen Spezialeinheiten bei diversen Heeresgruppen.

      »Ein großer Teil der Kommandoeinsätze der ›Brandenburger‹ erfolgte in ›Halb-‹ oder ›Volltarnung‹«, berichtet das Bundesarchiv. »›Halbtarnung‹ bedeutete die Annäherung an ein Objekt im gegnerischen Hinterland unter oberflächlicher Maskierung als Zivilisten oder als Soldaten der Gegenseite […] Vor Beginn feindlicher Auseinandersetzungen war die Halbtarnung abzustreifen und eine deutliche Selbstkennzeichnung als deutsche Soldaten zu gewährleisten. Befand sich dieses Verhalten bestenfalls noch am Rande der Haager Landkriegs-Ordnung, so stellte die ›Volltarnung‹ klar einen Verstoß dar. Ausgestattet mit feindlichen Uniformen, perfekt einstudiertem Verhalten und Beherrschung der entsprechenden Sprache sickerten derart getarnte Kommandos in das Hinterland, zum Teil in gegnerische Garnisonen und Stäbe ein und erfüllten bis zuletzt in ›Volltarnung‹ ihre Aufklärungs-, Verwirrungs- und Sabotage-Aufträge.«

      Das 2007 veröffentlichte Buch Geheime Krieger – Co-Autoren sind der Ex-»Brandenburger« Regimentskommandeur Wilhelm Walther, GSG-9-Grenzschutzkommandeur Ulrich Wegener und Brigadegeneral Reinhard Günzel, ehemals Kommandeur der Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr – pries die Verbände der »Brandenburger« und ihren Korpsgeist als legendäre Vorbilder für das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Die LINKE im Bundestag protestierte: Bei den »Brandenburgern« handele es sich um eine »verbrecherische Wehrmachtsdivision«, eine »terroristische Sondereinheit«.

      Autor Walther über seine alte Truppe: »Unsere Kampfweise war von den Elementen List und Tücke geprägt. Unsere Operationen waren so geheim, dass sie weder in der Presse noch in den täglichen Wehrmachtsberichten Erwähnung fanden. Von ›normalen‹ Stoßtruppeinsätzen unterschieden sich die Kommandounternehmungen der deutschen Abwehr durch die Anwendung geheimdienstlicher Methoden und Mittel. Die meisten unsere Einsätze (waren) nicht von dem damaligen Kriegsvölkerrecht gedeckt. Es war wichtig, dass der ›Brandenburger‹ absolute Bescheidenheit an den Tag legte. Denn es war klar, dass aufgrund der hohen Geheimhaltungsstufe die eigenen verwegenen Einsätze nicht an die Öffentlichkeit getragen werden durften. Maulheldentum galt bei uns als unsoldatisch und war in höchstem Maße verpönt. Deswegen galt für uns mehr als für alle anderen Soldaten der alte preußische Grundsatz ›Mehr Sein als Schein‹.«

      Die »Brandenburger« hatten offenkundig Interesse an einem Fotodrogisten, der sich auf das Entwickeln von Filmen und Bildern, auf das Vergrößern von Fotoausschnitten verstand – wichtige Mittel der Feindaufklärung. So geriet der junge Kanter in der Hitler-Armee in die Welt der Geheimoperationen, des Ausspähens, der Heimtücke, der Decknamen, der Nachrichtendienste, der Sabotage, der Spionage. Auch wenn die Division »Brandenburg« nach Kriegswende 1943 nach Stalingrad mehr und mehr als gewöhnliche Panzertruppe gegen die Rote Armee eingesetzt wurde, so »starb jedoch«, schrieb Ex-Brandenburger Walter, »der Kommandogeist keineswegs. Denn die Abwehrtrupps und -kommandos blieben bei ihren Armeen und Heeresgruppen.«

      Laut in Berlin verwahrten Akten der Wehrmachtauskunftsstelle stieß Kanter am 24. Juni 1943 im besetzten Frankreich zur »1. Kompanie Panzer Ersatz- und Ausbildungs-Abteilung 100«, stationiert in Versailles, unterstellt dem »Kommandeur der Schnellen Panzertruppen«. Sechs Monate später wechselte er zur »2. Panzer Kompanie zur besonderen Verwendung 12, Unterstellung: Heerestruppe«.

      Im Fragebogen der Siegermächte hatte er als Einsatzgebiet lediglich Frankreich angegeben. Was er verschwieg und verbarg: Mit seiner Spezialeinheit, die zum Panzerregiment »Brandenburg« gehörte, wurde er auf den Balkan verlegt. Die Bezeichnung seiner Panzerkompanie 12 »zur besonderen Verwendung« weist auf sogenannte Spezialoperationen hin; es waren gepanzerte Killerkommandos. Kanter und seine 2. Panzerkompanie z. b. V. 12 waren 1944 in Serbien im Einsatz, im erbarmungslosen, von Kriegsverbrechen auf beiden Seiten geprägten Kampf mit Partisanen. Eintrag im Lexikon der Wehrmacht: »Die Panzer-Abteilung 12 wurde im März 1944 in Serbien aufgestellt. Die Abteilung wurde durch das Höhere Kommando LXV mit 3 Kompanien als Heerestruppe aufgestellt. Als Stamm wurde die 1942 errichtete Panzer-Kompanie z. b. V. 12 verwendet. Die Abteilung wurde in Serbien eingesetzt. Im Dezember 1944 wurde die Abteilung zur II. Abteilung beim Panzer-Regiment Brandenburg und damit der Panzer-Grenadier-Division Brandenburg unterstellt.« Ausgerüstet war Kanters Panzerkompanie mit schweren Beutepanzern aus Frankreich vom Typ B2, Bewaffnung: Maschinengewehr, 4,7-cm-Kanone und 7,5-cm-Haubitze.

      Unter Historikern gilt es als »wahrscheinlich«, dass »Brandenburg«-Verbände bei der Partisanenbekämpfung zahlreiche Kriegsverbrechen gegen Zivilisten verübten. Die Quellenlage sei schlecht. Über viele Einsätze der »Brandenburger« gebe es keine Akten, und falls doch, sei eine Zuordnung wegen der Verwendung von Decknamen kaum möglich.

      Hitler hatte

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