Transformativer Realismus. Marc Saxer
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Aber auch, wenn es gelingt, die Staatsschulden durch gemäßigte Inflation real zu entwerten, zahlt am Ende jemand die Zeche. Die Geringverdiener ohne nennenswerte Vermögen sind kaum betroffen, weil ihre Löhne an die Inflation angepasst werden. Die Superreichen finden meist Wege, ihre Vermögen in Sicherheit zu bringen. Auf den Kosten der Krisenrettung dürften also die oberen Mittelschichten sitzen bleiben23.
Noch gibt es die Möglichkeit, die Staatsschulden einfach zu ignorieren, und darauf zu hoffen, dass ein kräftiger wirtschaftlicher Aufschwung die Schuldenlast erträglicher macht. Denn für die Tragfähigkeit kommt es nicht so sehr auf die absolute Höhe als vielmehr auf das Verhältnis der Schulden zur Größe der Volkswirtschaft an. Wächst die Wirtschaft, sinkt die Schuldenquote. Bleibt die Wirtschaft in der Rezession, explodieren die Schulden, auch wenn die Regierung keinen einzigen Euro zusätzlich ausgibt.
In der Wirtschaftskrise halten die Menschen ihr Geld zusammen. Doch viele Sparer wissen derzeit nicht, wie sie ihr Geld sinnvoll anlegen können. In Ermangelung nachhaltiger Investitionsmöglichkeiten halten viele weiter Staatsanleihen, obwohl diese kaum Zinsen abwerfen. In Kombination mit den Anleihekäufen der Zentralbanken spricht das dafür, dass Deutschland mittelfristig nur geringe oder gar keine Zinsen für seine Kredite zahlen muss24. Der Staat könnte also einfach abwarten, bis sich die Kosten der Rettungspakete quasi in Luft auflösen. Am Ende müsste also niemand die Zeche zahlen. Der Staat hätte »einfach nur überschüssiges Geld aufgesaugt und umverteilt«25. Ist ein Land in der komfortablen Situation, niedrige bis keine Zinsen für seinen Schuldendienst zahlen zu müssen, ist Abwarten also die politisch klügste und wirtschaftlich vernünftigste Strategie, den Schuldenstand abzubauen. Will Deutschland die Tilgung der in der Notlage aufgenommenen Schulden aussetzen, müsste jedoch das Grundgesetz geändert werden26, um diesen Schritt mit der sogenannten Kanzlermehrheit durchsetzen zu können. Die Schuldenbremse steht also einmal mehr gegen die ökonomische und politische Vernunft.
Um die Wirtschaftskrise zu überwinden, muss das Geld in der Realwirtschaft ankommen. In der Finanzkrise 2008 haben die kommerziellen Banken die geschöpfte Liquidität nicht an die Unternehmen der Realwirtschaft weitergegeben, sondern nutzten sie zur Übernahme lästiger Konkurrenten, oder spekulierten damit an den Vermögens- und Immobilienmärkten. Die daraus entstehenden Blasen gefährden die Stabilität ganzer Volkswirtschaften. Von steigenden Vermögenswerten profitieren nur die sehr wenigen, denen diese Dinge gehören, während die große Mehrheit unter hohen Mieten und Immobilienpreisen leidet.
Um diese schädlichen Nebeneffekte zu verhindern, wurde in der Coronakrise versucht, die Mittelsmänner in den kommerziellen Banken zu umgehen. In den Vereinigten Staaten erhält jeder Amerikaner einen Scheck von der Regierung (»Helikoptergeld«). In Großbritannien finanziert die Zentralbank direkt die Rettungspakete der Regierung.
In Deutschland formierte sich allerdings Widerstand gegen die unorthodoxen Methoden der EZB. Kritiker sehen in den Anleihekäufen eine im Rahmen der Europäischen Verträge unzulässige Direktfinanzierung der hoch verschuldeten Mitgliedsstaaten. Das Bundesverfassungsgericht war sogar so besorgt über das Gebaren der EZB seit der Eurokrise, dass es der Bundesbank Bedingungen für die Beteiligung an den Anleihenkäufen auferlegte. Damit haben sich die deutschen Richter über ein gegenteiliges Urteil des Europäischen Gerichtshofs hinweggesetzt, nur um der Zentralbank aufzuzeigen, dass ihre Unabhängigkeit Grenzen hat.
All dies zeigt, dass mit der Gelddruckerei erhebliche wirtschaftliche, soziale und politische Risiken einhergehen. Mangels besserer Alternativen ist der Weg, die Staatsfinanzen über die Zentralbanken zu konsolidieren, jedoch der einzig gangbare. In den historisch niedrigen Zinssätzen liegt zudem die Chance, dem Teufelskreis der Krise zu entkommen.
… muss durch eine expansive Fiskalpolitik ergänzt werden
Um die Realwirtschaften aus dem Tal der Tränen zu befreien, reicht eine expansive Geldpolitik allein nicht aus. Deswegen fordern selbst Mainstream-Ökonomen wie der Amerikaner Larry Summers, der Staat müsse Geld borgen und es ausgeben, sei es für Sozialausgaben, sei es für die Erneuerung der Infrastruktur27. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fordert seit Jahren, die expansive Geldpolitik durch eine expansivere Fiskalpolitik zu begleiten28. In der Krise sind also wieder einmal alle Keynesianer. Denn solange die Nachfrage des Privatsektors am Boden liegt, kann nur der Staat die aggregierte Nachfrage ankurbeln.
Billiges Geld ermöglicht Investitionen in die Zukunft. Allein die Instandsetzung der seit Jahrzehnten vor sich hin rottenden deutschen Infrastruktur erfordert einen gigantischen finanziellen Kraftakt. In seltener Eintracht fordern daher das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für das kommende Jahrzehnt öffentliche Investitionen von 457 Milliarden Euro. Der klimaneutrale Umbau des Produktions-, Mobilitäts-, Energie- und Wohnungssektors verlangt nach Investitionen in Billionenhöhe. Um die digitale Revolution menschengerecht zu gestalten, brauchen wir außerdem die größte Bildungsinvestition seit den preußischen Reformen. Und um den verunsicherten Bürgern und Bürgerinnen in den strukturschwachen Gebieten das Gefühl zu nehmen, der Staat lasse sie im Stich, muss die Daseinsvorsorge in die Fläche zurückkehren.
Die gute Nachricht: Billiger als heute sind diese Investitionen nie wieder zu haben. Der deutsche Staat kann sich derzeit zum Nulltarif an den Finanzmärkten bedienen. Die Anleger zahlen dem Fiskus sogar noch Geld dafür, dass er sich bei ihnen verschuldet. Die Investitionen in die Zukunft werden sich nicht nur langfristig auszahlen. Kurzfristig sendet der Staat ein Zeichen des Vertrauens in die wirtschaftliche Entwicklung, das zusätzliche private Investitionen nach sich ziehen wird. Nutzt der Staat die Gunst der Stunde, ließe sich ein positiver Nachfragezyklus in Gang setzen.
Das deutsche Konjunkturpaket vom Juni 2020 enthält erste Elemente einer solchen Finanzpolitik. Ein Teil wird dafür eingesetzt, die Basis für die Wirtschaft von morgen zu legen. Diesem Muster sollte der Fiskus weiter folgen und die soziale, ökologische und digitale Transformation vorantreiben.
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