Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman. Viola Maybach

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Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman - Viola Maybach Der kleine Fürst

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glaubte außerdem, dass sie ihm kleine Zeichen schickten, mit denen sie ihm sagten, dass sie seine Berichte, die er ihnen in Gedanken schickte, gehört und verstanden hatten. Diese Zeichen hätte jemand anders vielleicht nicht einmal wahrgenommen – das Lied eines Vogels, ein Glühwürmchen, eine Sternschnuppe – doch für den kleinen Fürsten waren sie überlebenswichtige Hinweise darauf, dass er seine Eltern zwar nicht mehr sehen und hören konnte, dass sie aber trotzdem noch existierten, auch wenn er nicht wusste, wo und wie.

      »Woran denkst du?«, fragte ihn Manuel Sander, der neben ihm saß. Er trug den Kopf voll hellbrauner Locken, sein Gesicht war von Sommersprossen übersät.

      Christian mochte Manuel, der ein schüchterner Junge war, mit einem liebenswürdigen Lächeln. Und weil das so war, gab er ihm eine ehrliche Antwort. »An meine Eltern.«

      »Dachte ich mir schon, du hast so ausgesehen«, erwiderte Manuel. »Ich glaube, mir geht es mit meinen Großeltern wie dir mit deinen Eltern. Ich vermisse sie ganz schrecklich, seit sie nicht mehr leben. Zu ihnen ist mein Verhältnis viel enger gewesen als zu meinen Eltern.«

      Noch nie hatte Christian ihn so viele Sätze hintereinander sagen hören. »Wieso?«, fragte er.

      »Weil ich bei meinen Großeltern aufgewachsen bin. Meine Eltern sind viel unterwegs, die haben keine Zeit, sich um mich zu kümmern. Und meine Großeltern waren noch ziemlich jung, die waren ganz begeistert, als ich zu ihnen gekommen bin.« Manuel lächelte traurig. »Ich glaube, sie haben mich ein bisschen verwöhnt, jedenfalls habe ich mich bei ihnen immer gefühlt wie im Paradies.«

      »Und dann sind sie gestorben? Du hast doch gesagt, sie waren noch ziemlich jung.«

      Wieder zeigte sich das traurige Lächeln auf Manuels Gesicht. »Sie haben Krebs bekommen, zuerst mein Opa, kurz darauf meine Oma. Innerhalb eines Jahres sind sie beide gestorben. Seitdem ist nichts mehr wie vorher. Ich lebe jetzt wieder bei meinen Eltern. Sie sind sehr lieb zu mir, aber …, na ja, sie haben einfach nie Zeit. Und weil ich so vernünftig bin, denken sie, dass sie mich ruhig alleinlassen können.«

      »Das tut mir leid, Manuel, ich wusste davon nichts.«

      »Konntest du ja auch nicht, ich rede eigentlich nie darüber. Aber jetzt dachte ich, dass es für dich vielleicht gut ist, wenn du hörst, dass andere auch Probleme haben. Ich meine, bei dir ist ja alles noch viel schlimmer, seit …, seit dieser neuen Geschichte.«

      »Ja, das kann man wohl sagen.« Seltsamerweise war Christian froh, dass Manuel ›diese neue Geschichte‹ angesprochen hatte. Es war anstrengend, immer so zu tun, als sei alles, was ihm gerade passierte, ganz normal. »Danke, dass du mir von deinen Großeltern erzählt hast«, setzte er hinzu.

      »Ich erinnere mich gern an sie«, sagte Manuel schüchtern, »und ich würde gern öfter über sie reden, ich weiß nur nicht, mit wem.«

      »Mit mir, von jetzt an«, schlug Christian vor.

      »Mein Opa war lustig«, sagte Manuel nach einer Weile. »Er hat gern Witze erzählt – oder eigentlich hat er sie vorgespielt, das konnte er wirklich gut. Wir haben oft Bauchschmerzen gekriegt vor lauter Lachen. Meine Oma hat er auch mit einem Witz herumgekriegt, jedenfalls hat sie das behauptet. Sie war nämlich eher ernst, aber er hat sie zum Lachen gebracht, und so konnte sie ihm nicht widerstehen.«

      »Hast du Fotos von ihnen?«, fragte Christian.

      Manuel nickte nur und zog eine Geldbörse aus der Hosentasche. Er klappte sie auf und zog aus einem Fach zwei Fotos, die er Christian schweigend reichte. »Das sind sie«, sagte er.

      Christian sah auf beiden ein lächelndes älteres Paar, das sich einmal an den Händen hielt, auf dem anderen Bild hielt der Mann die Frau mit seinen Armen umschlungen. Man sah auf den ersten Blick, dass sie einander gut verstanden. »Und wo bist du?«, fragte er.

      Verlegen holte Manuel noch ein drittes Foto aus seiner Geldbörse. »Hier«, sagte er.

      Christian musste unwillkürlich lachen, denn auf dem Bild war Manuel etwa zehn Jahre alt und als Clown verkleidet. Seine Großeltern applaudierten ihm, offensichtlich begeistert von dem, was er ihnen gerade vorgeführt hatte. Es war ein Bild so vollkommener Harmonie, dass ihm das Lachen ganz plötzlich im Halse stecken blieb, weil er daran denken musste, dass es solche Momente früher auch für ihn gegeben hatte, gemeinsam mit seinen Eltern. Und heute gab es sie manchmal wieder, mit Anna oder mit der ganzen Familie, wenn sie gemütlich vor dem Kamin in der Bibliothek saßen und sich Geschichten erzählten. Trotz allem, was ihm widerfahren war und noch widerfuhr, hatte er Glück gehabt, wurde ihm bewusst. Er hatte seine Eltern verloren, aber einsam wie Manuel war er nicht.

      »Ich verstehe, dass du sie vermisst«, sagte er. »Ich besuche meine Eltern jeden Tag, auf unserem Friedhof im Park. Es tut mir gut, mit ihnen zu reden.«

      »Zu reden?«, fragte Manuel.

      »In Gedanken. Ich glaube, sie können mich hören. Jedenfalls fühle ich mich besser, wenn ich bei ihnen war.«

      Manuel sagte leise: »Ich werde das auch mal probieren, wenn wir wieder zurück sind. Es gibt so viel, was ich den beiden unbedingt erzählen muss.«

      »So geht es mir auch immer.«

      Danach schwiegen sie, bis Herr Hartkamp, einer ihrer Lehrer, ankündigte, dass sie sich ihrem Ziel näherten. »Eine halbe Stunde noch, dann erreichen wir Waldeck. Diejenigen, die geschlafen haben, sollten also allmählich wach werden.«

      »Wollen wir zusammen auf ein Zimmer gehen?«, fragte Christian.

      Manuels Gesicht leuchtete auf. »Sehr gern«, antwortete er.

      *

      »Sie waren sicher erstaunt über meinen Anruf«, sagte Baron Friedrich zu dem jungen Mann, mit dem er einen Gang durch den Schlosspark machte.

      »In der Tat«, antwortete Ferdinand von Stade. »Sie haben sich also entschlossen, mir ein Interview zu gewähren?«

      »Ich nicht«, erklärte der Baron. »Aber Christian. Er ist jetzt unterwegs auf Klassenfahrt, aber sobald er zurück ist, möchte er mit Ihnen sprechen. Wenn ich ehrlich sein soll: Wir haben versucht, ihm das auszureden, aber es ist uns nicht gelungen. Er hat den Eindruck, dass er seinem Vater etwas schuldig ist und dass es nicht reicht, wenn wir die Sache, wie bisher, großenteils unseren Anwälten überlassen.«

      »Er scheint ein sehr beeindruckender Junge zu sein«, erwiderte Ferdinand von Stade.

      »Ja, das ist er ohne Zweifel, und wir machen uns große Sorgen um ihn, wie Sie sich vorstellen können.«

      »Herr von Kant, wenn ich ihn interviewe, werde ich ihn behandeln wie jeden anderen auch. Falls Sie von mir eine Sonderbehandlung verlangen, werde ich das Interview nicht führen.«

      »Sonderbehandlung? Was meinen Sie denn damit?«

      »Dass ich ihn schone, ihm bestimmte Fragen nicht stelle, um ihn nicht zu verletzen. Das geht nicht. Ich bin Journalist, ich fühle mich der Wahrheit verpflichtet. Sie wissen, dass ich eher der Ansicht zuneige, dass Corinna Roeder die Wahrheit sagt. Nichts, was sie bis jetzt gesagt oder getan hat, deutet darauf hin, dass sie lügt. Es gibt in ihrer Geschichte keine einzige Schwachstelle.«

      »Die gibt es bei uns auch nicht«, entgegnete der Baron erregt. »Niemand, der Leo kannte, glaubt an seine Schuld.«

      »Nur

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