Sophienlust Bestseller Staffel 1 – Familienroman. Marietta Brem
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»Ich bin ein Dauerkind«, erklärte Heidi stolz. »Mich darf niemand von Sophienlust wegnehmen.«
»Und darüber bist du froh?« fragte Adina entgeistert.
»Und wie«, kam es von Heidi. »Hier ist der schönste Ort der Welt.« Sie wirbelte eines ihrer blonden Rattenschwänzchen um den Finger. »Du, ich hab’ für dich Blumen gepflückt. Sie stehen schon auf deinem Nachttisch. Schwester Regine hat sie in eine Vase getan.«
»Das hättest du dir sparen können.«
»Du könntest wenigstens danke sagen«, meinte Wolfgang Kayser peinlich berührt.
»Zu was?« fragte Adina.
»Heidi, schau mal, was Magda für heute nachmittag gebacken hat«, forderte Frau Rennert die Fünfjährige auf.
»Mach ich.« Heidi lief ins Haus zurück.
»So, und wir gehen jetzt auch hinein. Ich nehme an, du möchtest endlich das Zimmer sehen, in dem du die nächste Zeit schlafen wirst, Adina«, sagte sie zu dem Mädchen.
»Ist mir ganz egal.« Die Zehnjährige dachte nicht daran, höflich zu sein. Sie hoffte, daß man sie gleich wieder fortschicken würde, doch Frau Rennert lächelte nur.
»Adina, bitte nimm dich zusammen«, bat Wolfgang leise. Er nahm einen der Koffer auf und wollte sich nach dem zweiten bücken, aber Frau Rennert hielt ihn zurück.
»Den anderen wird Ulla hineintragen. Ulla ist eines unserer Hausmädchen«, fügte sie erklärend hinzu.
Beeindruckt stand Wolfgang Kayser wenig später in der Eingangshalle des Kinderheims. Er spürte, daß auch Adina beeindruckt war, es nur nicht zeigen wollte und daher ihr Interesse hinter einer gleichgültigen Miene verbarg.
»Frau von Schoenecker hätte Sie gern begrüßt, Herr Kayser«, sagte die Heimleiterin, während sie in den ersten Stock hinaufstiegen, »aber sie mußte dringend nach Maibach und sich um ein Kind kümmern, das scheinbar vernachlässigt wird.«
»Das geht natürlich vor«, erwiderte Wolfgang. »Ich bin überzeugt, ich werde Frau von Schoenecker dann bei meinem Besuch am nächsten Samstag kennenlernen.«
»Ganz sicher sogar.« Else Rennert zeigte in den Gang, der vor ihnen lag und erklärte, daß die abgehenden Türen zu den Zimmern der Kinder und den Waschräumen führten.
»Leben die Kinder hier völlig allein?« fragte Wolfgang.
Frau Rennert verneinte. »Meine eigene Wohnung befindet sich ebenfalls hier, und auch Schwester Regine hat hier oben ein Zimmer. Sie brauchen nicht zu befürchten, daß wir die Kinder sich selbst überlassen.«
»So war das nicht gemeint«, sagte der Mann verlegen.
»Ich verstehe Ihre Sorge sehr wohl«, entgegnete die Heimleiterin. »Da vorne kommt auch schon Schwester Regine.«
Die junge blonde Kinder- und Krankenschwester machte auf Wolfgang Kayser einen ausgezeichneten Eindruck. Adina dagegen übersah geflissentlich die Hand, die sich ihr zum Gruß entgegenstreckte. Sie lehnte sich gegen die Wand und maß die Erwachsenen mit wütenden Blicken.
»Hast du schon dein Zimmer gesehen, Adina?« erkundigte sich Schwester Regine freundlich.
»Nein«, erwiderte Adina. »Außerdem habe ich sowieso keine Lust, hierzubleiben.«
»Es wird dir aber nichts anderes übrigbleiben«, sagte ihr Vater ärgerlich. »Ich hielt an und für sich dieses Thema für beendet, nachdem wir ausführlich darüber gesprochen haben. Du weißt sehr gut, daß es im Augenblick für uns keine andere Lösung gibt.«
»Du willst mich nur abschieben.«
»Adina, bitte!« Wolfgang hatte noch nie seine Tochter geschlagen, doch jetzt hätte er ihr am liebsten eine Ohrfeige gegeben.
»Komm, Adina!« Frau Rennert nahm einfach das Mädchen bei der Hand, öffnete eine Zimmertür und schob es hinein. »So, hier wirst du zusammen mit Angelina wohnen. Angelina gehört zu unseren Dauerkindern. Ihr werdet euch sicher gut vertragen.«
Adina betrachtete geringschätzig den kleinen Raum. Zu Hause hatte sie modernste Möbel und einen Computer. Die Einrichtung hier machte auf sie einen äußerst armseligen Eindruck. Die hübschen Bettdecken und Übergardinen beachtete sie überhaupt nicht, und sie hatte auch keinen Blick für den Maiglöckchenstrauß.
Frau Rennert ahnte, was Adina dachte, ging aber nicht darauf ein. »Schwester Regine wird dich jetzt in den Park führen und mit den anderen Kindern bekannt machen«, schlug sie vor. »In der Zwischenzeit unterhalte ich mich noch ein wenig mit deinem Vati.«
»Ich habe keine Lust, die anderen Kinder kennenzulernen«, sagte Adina ungezogen. »Außerdem spiele ich nicht mit jedem.«
»Niemand wird dich zwingen, mit unseren anderen Kindern zu spielen«, erwiderte Else Rennert. »Es wird dich auch niemand zwingen, auszureiten oder…«
»Reiten?« Ihre Augen wurden groß.
»Unsere Kinder können alle reiten«, sagte die Heimleiterin.
»Meine Freundin Cordula hat ein eigenes Pferd. Ich – hätte auch schrecklich gern eines, aber weder meine Großmama noch mein Vater wollen etwas davon hören.«
»Aber sie werden sicher nichts dagegen haben, wenn du reitest«, sagte Frau Rennert. »Ich werde nachher gleich deinen Vater fragen.«
Adina kämpfte mit sich, dann meinte sie: »Eigentlich sind Sie ganz nett, Frau Rennert.«
»Oh, danke für das Kompliment«, bemerkte die Heimleiterin trocken. »Übrigens kannst du mich ruhig Tante Ma nennen, das tun hier alle Kinder.«
»Mal sehen«, erklärte das Mädchen. So schnell war es nun doch nicht bereit, Freundschaft zu schließen.
Wenig später ließ sie sich willig von Schwester Regine in den Park bringen. Von ihrem Vater hatte sie sich bereits verabschiedet, wenn auch äußerst kohl. Er sollte erst gar nicht auf den Gedanken kommen, daß sie je bereit sein würde, ihm zu verzeihen. Es war gemein von ihm, sie in ein Kinderheim zu geben, wo doch die Großmama so gern für sie gesorgt hätte.
»Adina wird sich schneller eingewöhnen, als Sie jetzt noch glauben, Herr Kayser«, sagte Frau Rennert. Sie saß mit dem Geschäftsmann im Biedermeierzimmer bei einer Tasse Kaffee und Gebäck.
»Ich bin mir nicht mehr sicher, ob mein Entschluß richtig war«, erwiderte Wolfgang zweifelnd. Er rührte in seiner Tasse, obwohl er weder Milch noch Zucker in den Kaffee gegeben hatte. »Es ist nicht leicht, ein Kind ohne Mutter zu erziehen. Wahrscheinlich habe ich in den letzten beiden Jahren bei Adinas Erziehung einen Fehler nach dem anderen gemacht.«
»Wer ist schon fehlerfrei, Herr Kayser?« fragte Frau Rennert. »Kein Mensch ist perfekt, und das verlangt auch keiner. Selbst wir hier machen ab und zu Fehler.«
»Nett, daß Sie mich zu trösten versuchen«, meinte der Mann. »Darf ich Sie jeden Tag anrufen und mich nach Adina erkundigen? Ich habe mir auch schon