Albrechts Chroniken IV. Friedrich S. Plechinger
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Читать онлайн книгу Albrechts Chroniken IV - Friedrich S. Plechinger страница 21
Ich zog mir die Weste an und begab mich an Deck, wo die See meine Lungen mit frischer Luft füllte und ich langsam zu Sinnen kam. Doch mit jedem Schritt, den ich tat, drohten meine Beine ihren Dienst zu verweigern und ich suchte Halt an den herumhängenden Schoten und Seilen. Der Medicus schaute mich an und wusste sofort, dass es mir nicht gut ging. Er befahl einem der Männer, mir einen Kräutertrunk zuzubereiten und zu bringen. Der Vollmond schien hell in dieser Nacht und die Sterne glühten leuchtend weiß. Ein wunderschöner Anblick tat sich vor mir auf, es war dunkel und die knisternde Flamme der Kerze in der Laterne lockte Motten und kleine Libellen an.
„Lasst Anker lichten und setzt voll die Segel, Ascanio. Ihr habt recht, der Wind ist günstig. De Saddeleye, bring mir das Astrolabium und die Karte. Wir segeln weiter nach Süden!“
Kaum hatte ich dies ausgesprochen, brachte mir ein Sergeant einen Becher Shahi und ich sog vorsichtig an der brühend heißen Flüssigkeit, die meine Poren noch mehr öffnete und den Schweiß aus meinem geschundenen Körper trieb. Die Männer eilten an Deck wie Ratten, die auf der Flucht waren, doch sie waren keine Ratten. Sie waren das Einzige, das ich hatte, um diese meine elendige Einsamkeit, die meine Seele so verbrannte, zu erdulden. Die Krankheit schien mir Streiche zu spielen, denn trotz dieser wundervollen und reinen Nacht überkam mich dieses Heimweh. Ich wollte so sehr wieder nach Hause segeln. Was geschah nur mit mir?
Ralf de Saddeleye befreite mich aus meinen Gedanken, als er kurze Zeit später mit dem Astrolabium und der Karte neben mir stand.
„Wie befohlen, mein Admiral!“
„Ich danke dir, Bruder. Hilf mir, die Karte auszurollen!“
Ohne ein weiteres Wort tat Ralf, worum ich ihn bat und auch Eduardo, Richard und Ascanio gesellten sich zu mir. Ich setzte das Astrolabium an und suchte den Stern, der wichtig war für meine Bemessungen. Endlich fand ich den Nordstern und kurze Zeit später kritzelte ich ein Kreuz auf die Karte. Wir waren nicht besonders weit gekommen in all den Tagen, und das mussten wir nun ändern, stellte ich beunruhigt fest. Was ich ebenso feststellte, war die Tatsache, dass mir Männer fehlten, die ich wegen einer unsinnigen Schlacht verloren hatte. Eine Basis wollte ich doch bauen, nur wo? Vielleicht würde sich weiter südlich etwas Geeignetes finden lassen, dort, wo die Winter nicht zu hart waren. Doch etwas Großes würde ich mit der Anzahl an Kräften nicht mehr bauen können. Auch waren wertvolle Handwerker bei Eriks Beseitigung verloren gegangen. Handwerker, die mit Gold nicht aufzuwiegen waren.
Ich musste mir etwas einfallen lassen, denn ich wusste tief in meinem Innersten, dass die alte Welt mit all ihren Lügen und Sünden kein sicherer Platz mehr war für die Absichten, die ich vorhatte. Doch wie sollte sich das mit meiner Sehnsucht und mit meinem Heimweh vereinbaren lassen, dieses Gefühl, das in mir seinen Schabernack trieb? Wieso widersprachen sich meine Intuitionen ständig und in unverständlicher Weise?
Vielleicht waren es keine Intuitionen, sondern Halluzinationen, die mir vor lauter Nachdenken den Verstand raubten. Wie war das noch mal? Warum war ich hierher gesegelt?
Ja, um Wissen zu erfahren und ebenso um Rohstoffe zu entdecken, die die Welt noch nicht kannte. Doch plötzlich wollte ich all dies nicht mit einer alten, kranken Welt teilen, die nur auf Macht und Gier aus war. Würde ich jetzt so charakterlos werden wie ein Severinus, der sein Wissen und seine Erfahrungen nicht einmal mit seinen Ordensbrüdern teilen wollte? Oder schlimmer noch, wurde ich jetzt etwa selbst gierig und machthungrig und hatte nichts anderes vor als eine Räuberhöhle zu gründen, weit weg von einer kranken Gesellschaft, bestehend aus Heiligen und Scheinheiligen?
Doch wie sollte man eine kranke Welt heilen, wenn man diese Erfahrungen nicht teilte und den Bedauernswerten nicht die Augen öffnete? Ihnen zeigte, dass es ein Paradies auf Erden gab und es nur eines Umdenkens der Menschheit bedurfte, um dieses Paradies zu erhalten und sich daran zu erfreuen? Wäre das nicht eine Aufgabe, die eines Apostels würdig war? Doch ich wusste es besser. Die Menschen waren nicht und würden niemals bereit sein zu solch einem Umdenken, für das diese Unverbesserlichen mehr und mehr Opfer aufbringen müssten. Ich verschwendete meine Gedanken nicht weiter und befahl, weiter zu segeln ohne unnötige Unterbrechung. Pinzon musste gefunden werden und Pinzon würde mir beim Aufbau einer neuen Heimat helfen.
„Schick mir den Medicus, Ralf. Ich friere von innen, doch will ich nicht diese Nacht in der Kammer verbringen.“
„Das werde ich, Admiral!“
Der Medicus bemerkte meine aufgeschwollenen Adern, die am Nacken und an dem Unterarm pulsierten. Ein Zeichen, dass der Körper gegen etwas kämpfte und mir schreckliche Kopfschmerzen bereitete.
„Ich werde einen kleinen Stich vornehmen lassen, Bruder, damit etwas Blut aus den Adern fließen kann. Der Druck, der in den Venen herrscht, verursacht Euch die Kopfschmerzen, doch der Körper reagiert richtig. Er wehrt sich gegen etwas, das Ihr Euch zugezogen habt. Ihr dürft Euch auf keinen Fall weiter unterkühlen …“
„Unterkühlen?“, unterbrach ich ihn. „Ich schwitze wie ein Ross nach einem harten Ritt!“
„Es ist kalter Schweiß, mein Admiral. Wahrscheinlich bekommt Euch dieser Wechsel von kalt auf warm nicht besonders. Bedenkt, wir verbrachten Monate auf Eis, könnte man sagen, und nun befinden wir uns in wärmeren Gewässern. Vielleicht ist Euer Körper durch diesen Umschwung geschwächt und es bedarf einer langsamen Gewöhnungsphase!“
„Schwachsinn … Wollt Ihr etwa behaupten, dass ich zum alten Eisen gehöre und zu nichts mehr verwendbar bin? Ich bin ein Krieger wie all die Männer da draußen …!“
„Ja, aber die Männer, die Euch begleiten, teilen die Sorge und die Verantwortung nicht, die Ihr tragt. Der Körper kommt nicht zur Ruhe. Ihr dürftet eigentlich für drei Tage das Bett nicht verlassen, aber da ich weiß, dass ich ebenso aus einem offenen Fenster schreien kann und das Ergebnis dasselbe bliebe, schneide ich lieber ein kleines Loch in Eure Vene und verringere den Durchfluss des Blutes. So reduziert sich der Druck und Ihr werdet Linderung finden!“, versicherte mir dieser Mann aus Verona fast zornig.
Ich ließ ihn gewähren, und siehe da, es ging mir kurze Zeit später tatsächlich besser.
„Ihr müsst viel heiße Flüssigkeit trinken, um Euch zu entgiften!“
„Das werde ich. Ich muss gestehen, Ihr seid ein Meister Eures Faches, mein Bester. Wo habt Ihr Euer Handwerk gelernt?“
„In sarazenischer Gefangenschaft. Damals beim ersten Kreuzzug. Ich hatte das Glück, dort einen Medicus als Mentor zu finden, der für mich solche Wunder vollbringen konnte wie unser Heiland. Nur war dieser ein Feind und stammte aus Syrien. Ich wurde ihm als Sklave unterstellt, und als er bemerkte, wie geschickt ich mich bei Amputationen und bei anderen Behandlungsmethoden anstellte, unterwies er mich in seinen Geheimnissen. Es machte dabei keinen Unterschied, ob ich ein Hospitaliter war unter der Obhut des Johanniterordens oder ein Feind einer anderen Gattung. Christ oder nicht, er glaubte nur an das Gute im Menschen. Und jetzt versuche ich, seinen Namen in Ehren zu halten und es ihm gleich zu tun!“
„Ich verstehe, was Ihr da sagt. Ich habe ähnliche Erfahrungen sammeln können bei unseren sogenannten Feinden. Aber ich rate Euch, Bruder, behaltet Eure Meinung besser für Euch, sonst könnte einer, der nicht unsere Erfahrungen besitzt, Euch als Ketzer sehen!“
„Ja, das weiß ich, mein Admiral!“
„So. Ich danke Euch. Ich werde Eurem Rat Folge leisten und mich schonen. Doch nun heißt es, weiter der See die Stirn zu bieten!“