Tempowahn. Winfried Wolf
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In Preußen kam es ein halbes Jahrhundert später ebenfalls zu einer entsprechenden Normierung aller Schleusen zwischen Elbe und Oder. Hier waren die Maximalmaße bereits großzügiger bemessen, was sich für die spätere Entwicklung des Transports auf den deutschen Binnenwasserstraßen als vorteilhaft erweisen sollte.42 Diese Standardisierungen folgten der gleichen Logik wie die ein halbes Jahrhundert später erfolgte Festlegung der Eisenbahnspurweite durch Robert Stephenson auf umgerechnet 1435 Millimeter oder wie die 200 Jahre später erfolgende Standardisierung der Wechselbehälter (Container) mit der Einführung des Standardcontainer-Maßes TEU (Twenty Foot Equivalent Unit).
Das volkswirtschaftlich entscheidende Ergebnis der mit dem Kanalzeitalter verbundenen Transportrevolution waren eine deutliche Verkürzung der Transportwege, eine Reduzierung der Transportzeiten, eine radikale Senkung der Transportpreise und, als logische Folge von diesen Veränderungen, ein immenser Anstieg des stofflichen Austausches bzw. des Handels.
Die Transportkosten sanken auf ein Drittel bis ein Sechstel des bisherigen Niveaus beim Transport mit Pferdekarren auf Wegen und Chausseen. Der Preis der Waren reduzierte sich dabei enorm. In einem Bericht heißt es beispielsweise: »Als der Kanal Manchester 1761 erreicht hatte, reduzierte sich der Preis für Kohle in der Stadt auf die Hälfte.«43 Der stoffliche Warenaustausch steigerte sich in der Folge enorm; er dürfte sich mit Beginn des Kanalzeitalters und bis zu seinem Höhepunkt, was zugleich der Beginn des Eisenbahnzeitalters war, mehr als verdreifacht haben.
26 Hier zitiert nach: Winfried Wolf, Verkehr. Umwelt. Klima – Die Globalisierung des Tempowahns, Wien 2009, S. 17.
27 Colin Dexter, Mord am Oxford-Kanal, Hamburg 1990, S. 41. Original: The Wench is Dead, London 1989.
28 Heinrich Heine, Sämtliche Schriften, Band 5, München und Wien 1984, S. 449.
29 »Hier (beim Bau von Eisenbahnen; W. W.) fand das Spekulationsgelüst der Fabrikanten und Kaufleute zuerst Befriedigung.« Karl Marx, MEW 25, S. 421.
30 Die Tonnage (das Gewicht der transportierten Waren) multipliziert mit der zurückgelegten Entfernung. Früher in Meilen, später in Kilometern gemessen. Daher werden inzwischen entsprechende Angaben in »Tonnenkilometer – tkm« angegeben.
31 Mike Clark, Leeds and Liverpool Canal. A History and Guide, Aston 1990 (Carnegie Press), S. 139.
32 Allgemeine Geschichte der Technik von den Anfängen bis 1870, herausgegeben von Semjon W. Schuchardin, Nikolai K. Laman, Alexander S. Fjodorow, Leipzig 1981, S. 261.
33 Das französische Kanalnetz erreichte Mitte des 19. Jahrhunderts eine Gesamtlänge von gut 5000 Kilometern. Das US-amerikanische Kanalnetz hatte auf seinem Höhepunkt eine Länge von 8000 Kilometern. Im Deutschen Reich umfasste das Netz von Kanälen und schiffbaren Flüssen 1880 sogar eine Länge von 12.400 Kilometern. In der Habsburgermonarchie betrug die gesamte Länge der Wasserstraßen (einschließlich der Donau) im Jahr 1880 rund 3900 Kilometer. Ausführlich bei: Winfried Wolf, Eisenbahn und Autowahn, Hamburg 1992, S. 95ff.
34 Ron Freethy und Catherine Woods, Discovering the Leeds to Liverpool Canal, ohne Ort und Jahr (printed by Tamley-Reed-Limited), S. 9.
35 Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, MEW 2, 291.
36 Mike Clark, Leeds and Liverpool Canal. A History and Guide, Aston 1990 (Carnegie Press), S. 31.
37 Henry Ford, Mein Leben, München 192, S. 182 (Originalausgabe »My Life and my Work, New York 1922).
38 Karl Marx, Das Kapital Band 1, MEW 23, S. 405.
39 Allgemeine Geschichte der Technik …, a. a. O., S. 256.
40 Vgl. Sven Pieper, Die Ära der Kanäle, in: Bauwelt 14 vom 12. April 1991 (82. Jahrgang), S. 724. Die heute touristisch befahrbaren britischen Kanäle weisen weiterhin überwiegend diese relativ kleinen Maße auf, was ihnen ihren besonderen Charme verleiht.
41 Gemeinsam mit Freunden befuhr ich in den 1980er- und 1990er-Jahren ein Dutzend dieser britischen Kanäle mit narrow boats (und später auch mit Penichette-Booten ihre Pendants in Frankreich). Diese Erfahrungen veranlassten mich dazu, in der 1992 erschienenen Neufassung des Buchs »Eisenbahn und Autowahn« ein neues Kapitel mit der Überschrift »Canal-Mania. Oder: Marxens Irrtum« einzufügen.
42 Nach: Hans-Joachim Uhlemann, Berlin und die märkischen Wasserstraßen, Berlin 1987, S. 41.
43 Michael E. Ware, Canals and Waterways, Aylesbury 1987, S. 6. Bei Mike Clark heißt es, dass die Kosten des Transportguts Lehm sich nach Fertigstellung eines Kanals um ein Drittel reduziert hätten (M. Clark, Leeds and Liverpool Canal, a. a. O., S. 40). Immanuel Wallerstein beziffert die Reduktion der Transportkosten durch die Kanäle auf »50 bis 75 %«. Nach: I. Wallerstein, die große Expansion – Das moderne Weltsystem III. Die Konsolidierung der Weltwirtschaft im langen 18. Jahrhundert, Wien 2004, S. 97.
Kapitel 4: Die Transportrevolution der Eisenbahnen
Obwohl man, mit den Fürsprechern dieses Verkehrsmittels, zugeben muß, daß es wirtschaftlicher ist als der Gebrauch von Pferden, muß man doch auch erkennen, daß der Brennstoff, dem diese Maschinen ihre Arbeitsleistung verdanken, tagtäglich jenen natürlichen Lagerstätten entnommen wird, die trotz ihrer großen Ausdehnung doch keineswegs unerschöpflich sind […] Die Verwendung von Pferden bietet demgegenüber ganz andere Möglichkeiten; die Pferdekraft basiert auf den Produkten des Bodens, die die Natur jedes Jahr neu hervorbringt.
Pierre-Simon Girard, Ingenieur und Mitglied der Académie des sciences, 1827
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