Harras - Alles wird böse. Winfried Thamm
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In diesem Moment hatte er das Gefühl, das Leben habe ihn wieder.
Henning Wennemann war mittelgroß, also knapp über eins achtzig, hellblond und stämmig gebaut, immer auf der Hut, ja nicht dick zu werden. In diesem Herbst würde er 43 Jahre alt werden und sein Sohn Karl acht. Seine Frau Helen, fast so groß wie er und fast so blond, lernte er vor zwölf Jahren auf einem Jazzfestival kennen, als er selbst noch an den Tasten saß, als Pianist seiner Combo „Bar-Jazz-O“. Helen war fünf Jahre jünger als Henning, trug ihr Haar mittellang und hatte eine schlanke, weibliche Figur mit breiten Hüften und vollem Busen. Helen und Henning, das war ein Paar wie der Sound ihrer beiden Namen. Das klang nach Swing und Harmonie. Obwohl Henning nie bewusst einen Wunsch nach Kindern verspürt hatte, war Karl nur die logische Folge aus ihrer so selbstverständlichen und klaren Liebe. Hätte man sie gefragt, hätten beide nicht gewusst, wann sie das letzte Mal im Streit aneinandergeraten waren. So war es zumindest, bevor Harras wieder in Hennings und dann auch in Helens Leben trat. Nachdem Henning sein Studium als Lehrer abgeschlossen hatte, schwappte über ihm die Lehrerschwemme zusammen und spie ihn aus in die Arbeitslosigkeit. Ein paar Jahre hatte er versucht von seiner Jazz-Musik zu leben, was ihm aber nur wenig Ruhm und ewig leere Taschen einbrachte. Nach einigen Fortbildungsmaßnahmen vom Arbeitsamt entschied er sich ein Unternehmensberatungsbüro zu gründen, das mittleren Betrieben und sozialen Trägern im Bereich der Personalführung und des Betriebsmanagements auf die Sprünge half. Ein kleines, aber frei stehendes Haus am Rande des Siepentals in Essen-Bergerhausen konnte er fast sein Eigen nennen, mit Garten und Baumhaus für den kleinen Karl. Das Zentrum seines Lebens war seine Familie, seine Firma und seine Freunde. Seine Musik war auf das Gerippe eines gelegentlichen Hobbys abgemagert. Gelegentlich, ein paar, Sweet Georgia Brown‘ oder ,Lady Be Good‘, wenn Freunde da waren und der Wein nostalgisch machte. Sonst war keine Zeit für Jazz.
Kapitel 3
Mails
Von: H. Wennemann: [email protected]
An: H. J. Stelzer: [email protected]
wir treffen uns am 24.08. um 20.00 h im stilbruch in steele, vorher keine zeit.
wenn du vorher aufkreuzt oder am o.g. termin nicht erscheinst, war’s das.
henning
Von: H. Wennemann: [email protected]
An: S. Wirkunowa:[email protected]
hallo stasia,
ich will nur wissen, ob diese e-mail-adresse noch aktuell ist, dann mehr.
henning
Von: S. Wirkunowa: [email protected]
An: H. Wennemann: [email protected]
hallo henning,
ja, ist sie, wie du siehst. was willst du?
st.
Von: H. Wennemann: [email protected]
An: S. Wirkunowa: [email protected]
das fragst du mich? was sollte dieser auftritt gestern bei mir?
Von: S. Wirkunowa: [email protected]
An: H. Wennemann: [email protected]
frag harras, hat mich gezwungen mitzukommen.
Von: H. Wennemann: [email protected]
An: S. Wirkunowa: [email protected]
bist du jetzt wirklich mit ihm zusammen?
Von: S. Wirkunowa: [email protected]
An: H. Wennemann: [email protected]
na ja sieht so aus oder?
Von: H. Wennemann: [email protected]
An: S. Wirkunowa: [email protected]
wie meinst du das?
Von: S. Wirkunowa: [email protected]
An: H. Wennemann: [email protected]
frag harras
Kapitel 4
Wiedersehen mit seiner Crew
Die Tage gingen dahin und für Henning, Helen und Karl wurde das Familienleben langsam wieder normal. Henning machte täglich seine Übungen und hatte drei feste Termine in der Woche, an denen er sich zu seinem Physiotherapeuten fahren ließ, der ihn dann streckte, drehte und massierte. Danach fühlte er sich immer wie neu und gleichzeitig total müde.
Dann kam der Samstag, zu dem Henning seine Mitarbeiter eingeladen hatte. Um nicht am Abend noch in der Küche hantieren zu müssen, hatten sie sich für ein kaltes Büffet entschieden, das auf Hennings Wunsch sehr fischlastig ausgerichtet war:
Sie kredenzten Graved Lachs, ebenso geräucherte Forellen- und Makrelenfilets, dazu eine selbst gemachte Aioli, einen Matjessalat aus „nieuwe haring“ vom Holländer in Rüttenscheid, mit Zwiebeln, Apfelstücken und Cornichons in einer Joghurt-Sahnesoße und Gambas an Meerrettich-Sahne. Dazu gab es einen großen frischen Salat mit Pesto-Croûtons und Pinienkernen und reichlich Fladenbrot vom Türken auf der Steeler Straße. Für Banausen, die all diese fischigen Köstlichkeiten nicht zu schätzen vermochten, hatte Helen noch ein paar Mini-Frikadellen von Aldi besorgt.
Um acht waren alle da:
Walter begrüßte Henning mit einer kräftigen Umarmung, groß und robust, wie er war und wie immer komplett in schwarze Lederhose und Lederjacke gehüllt, darunter irgendein T-Shirt, meist mit einem Bandnamen bedruckt. Mit Helen ging er bei seiner Begrüßung weitaus vorsichtiger um. Ein Colani-Bart schmückte sein Gesicht und ein Pferdeschwanz bändigte sein langes, schwarzes Haar. Er wirkte wie Dennis Hopper in „Easy Rider“, hatte aber nur wenig mit Rockmusik am Hut, außer den Stones. Er war ein äußerst filigraner Jazzdrummer und hatte lange mit Henning zusammen Musik gemacht. Sie kannten sich aus dem Lehramtsstudium. Beide hatten sie das erste Staatsexamen an der Uni Essen abgeschlossen. Während Henning auch das Referendariat absolvierte, brach Walter es ab und ließ sich vom Arbeitsamt in einer Umschulung zum „Managementassistenten“ ausbilden, was auch immer das sein sollte. Als Henning keine Lehrerstelle bekam und beschloss, sein Institut zu gründen, war Walter gerade arbeitslos und stieg bei ihm ein. Nach Henning war er der zweite Mann im Geschäft, weil Henning über das Startkapital verfügte.
Gabi war Anfang fünfzig, dürr und verhuscht. So tüpfelte sie Henning einen schnellen und schüchternen Kuss auf die Wange und nahm gleich wieder Abstand.