Harras - Alles wird böse. Winfried Thamm
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Was Frauen anging, war er ein Jäger. Die Jagd an sich fand er spannend. Das Balzen und Turteln und Lügen und Machen. Und das Erlegen. Der Fick. Danach war tote Hose. Nur einmal war sein Herz dabei gewesen, bei Anna. Die hatte was, was er bei keiner wiedergefunden hatte. Als er erfahren hatte, dass sie schwanger war und nicht bereit zu einer Abtreibung, hatte er sie geschlagen, einmal, mitten ins Gesicht. Das hatte er sich bis heute nicht verziehen. Dass sie daraufhin nichts mehr von ihm wissen wollte, bedauerte er in stillen Stunden immer noch.
Seitdem verstand er sich eben als Jäger und Sammler, der die kleinen Mosaiksteinchen der sexuellen Reize vieler unterschiedlicher Frauen für das große Puzzle seines Frauenideals bei vielen Amouren zusammentrug, um so der ,Frau an sich‘ näherzukommen. Das redete er sich wenigstens ein.
Mit Absicht kam Harras zehn Minuten später als verabredet zum „Stilbruch“. Das hatte zwei Gründe: Er wollte Henning das alte, ihm vertraute Bild des Harras bieten, der häufig, fast regelmäßig zu spät kam und nichts dabei fand. Und er wollte Henning ein wenig ärgern, weil er sich heranzitiert fühlte, wie ein untreuer Untergebener, der die Portokasse mitgehen ließ und sich jetzt seine Strafe abholen sollte. Das war Harras nicht gewohnt, das hasste er, das kränkte seinen Stolz.
Er sah Henning am hintersten Tisch des kleinen Biergartens sitzen, entspannt zurückgelehnt, vor ihm ein Weizenbier, in der Hand eine Zigarette. Harras setzte sich ihm gegenüber und eröffnete moderat:
„Schön dich zu sehen, Henning. Das letzte Mal passte es ja nicht so. Das zeigt, dass wir in manchen Dingen völlig unterschiedlich sind. Es sollte eine nette Überraschung sein, es war gut gemeint. Helen hat es auch so gesehen.“
„Weißt du, was meine Mutter immer sagte, wenn sie sich besonders penetrant in mein Leben mischte? ,Ich meine es doch nur gut, mein Junge‘.“
„Angekommen!“
Beide maßen sich im Schweigen. Die Blicke gesenkt.
Die Kellnerin kam vorbei, Harras bestellte sich ein großes Pils.
Henning trank einen Schluck, nahm Harras fest in den Blick und griff an:
„Was willst du von mir?“, fragte er bissig.
„Ich hoffe, das Gleiche, was du von mir willst“, blieb Harras freundlich.
„Und das wäre?“
„Wenn du es nicht weißt, werde ich es dir sagen. Ich habe für heute Abend einen riesigen Sack Geduld mitgebracht und ein dickes Fell. Heute Abend ist wohl die Arschwäsche angesagt, habe ich auch verdient. Was ich von dir will, ist letztendlich Vergebung und eine Chance, wieder mit dir ins Reine zu kommen, dir wieder ein Freund sein dürfen, deine Akzeptanz meiner Fehler, ein Schwamm drüber, nicht heute, nicht morgen, aber bald. Bitte Henning!“
„Wie stellst du dir das vor? Als ich nach der akuten Schmerzphase im Krankenhaus meine Gedanken sortierte, war der erste: Ich bringe dich um. Du besäufst dich, du turnst auf der Reling herum, du gehst über Bord, du wirst von mir herausgefischt, dann löst du noch den Knoten am Ruder, damit das Boot abdreht und der Mastbaum mich erwischt.“
„Stopp! Das stimmt nicht! Alles richtig, alles Leichtsinn, alles grobe Fahrlässigkeit, aber das mit dem Knoten, nein.“ Harras jagte die Worte nur so heraus, ließ keinen Raum für Unterbrechungen. „Du hast einen halben Schlag auf Slip benutzt, in der Eile, ist klar, du weißt aber, wie leicht sich so ein provisorischer Knoten von selbst löst. Ich habe den Baumschlag nicht ausgelöst, das musst du mir glauben.“
„Und wenn nicht?“, grinste Henning böse.
„Du bist ein Arschloch! Was soll das jetzt? Vielleicht bleiben wir jetzt mal ernst?!“
„Okay, nach viel Grübelei bin ich auch zu dem Schluss gekommen, dass du den Knoten nicht oder nicht absichtlich gelöst hast. So eine Sauerei traue ich dir dann doch nicht zu. Reichen die anderen Punkte denn nicht aus, einfach zu dem Schluss zu kommen: Tschüss Harras, das reicht. Es ist wirklich genug! Du tust mir eben nicht gut. Was soll ich denn sonst noch alles verzeihen? Dass du den kleinen Jazzauftritt mit Stasia im Billardklub, auf den ich so stolz war, der mich in seiner Spontaneität so berührt hat, selbst eingefädelt hast und mich damit wie einen dummen Jungen behandelt hast? Dass du sie auf mich angesetzt hast, mich zu verführen? Dass du Helen mit mir teilen willst, wie zwei Freier die gleiche Hure aufbocken und nachher Witze darüber machen. Nur, das mit den Witzen wird bei mir nicht klappen. Dazu bin ich ja zu kleinbürgerlich, ich der kleine spießige Idiot, mit dem du machen kannst, was du willst. Das hast du mir doch oft genug gesagt, dass ich das bin, dass du das von mir hältst, du arrogante Sau!“
„Du weißt genau, dass das nicht so gemeint war, höchstens mal im besoffenen Kopf so rumgesponnen. Ich weiß auch, dass ich manchmal ziemlich arrogant bin, ja, aber du weißt auch, dass ich viele Seiten an dir schätze, sogar bewundere und dir sogar neide. Jetzt mach dich nicht selbst so runter, das hab ich nie getan. Hier und da provoziert, ja. Und das mit Stasia? Du bist ein erwachsener Mensch, du kannst mit Tinte schreiben und kommst an die Klingel und bist für deine Taten selbst verantwortlich. Wenn du dich nicht zurückhalten kannst … also dafür kannst du mir die Schuld nicht in die Schuhe schieben.“
„Ach so, ach ja? Dein ganzes manipulatives Vorgehen ist doch ein Zeichen für hochgradiges Misstrauen. Das soll also die Basis unserer Freundschaft sein? Und dann noch dein protziges Gehabe mit Chauffeur und Staatskarosse und Champagner bis zum Abwinken, ach hör doch auf!“
„Das ist nicht fair, denn das hat dir imponiert, das hat dir Spaß gemacht, gib ’s zu!“
„Wie soll ich dir denn noch über den Weg trauen, Harras?“
„Tu’s einfach, Henning. Helen tut ’s auch. Vielleicht nimmst du sie als Garant. Frauen haben da einen besseren Instinkt als wir. Henning, gib mir eine Chance, bitte!“, sagte Harras und schaute Henning fest in die Augen.
Er hielt den Blick nicht aus, schaute auf seine Hände am Bierglas, räusperte sich und flüsterte heiser: „Harras, was verlangst du da von mir?“
Schweigen, hilflos.
„Ich hab Durst, bestell mir ’n großes Pils und ’n Ouzo, ich muss zum Klo“, sagte Henning schroff.
Unsicher stand Henning auf und verschwand im Inneren der Kneipe. Harras bestellte die Getränke.
Henning hatte mehr als zehn Minuten auf der Toilette gesessen und nach Luft geschnappt. Seine Beine schmerzten, seine Rippen taten weh und sein Magen grummelte, als habe er etwas Falsches gegessen. Als er zurückkam, warteten die Getränke bereits auf dem Tisch.
Henning setzte sich und Harras prostete ihm zu, wollte mit ihm anstoßen, doch Henning hob nur sein Glas und trank. Harras nahm es hin und sagte:
„Nun gut, erst mal prost auf Distanz. Ich bin der böse Bube, ich weiß. Als wir uns damals als junge Spunde nach dem Streit aus den Augen verloren, nein, du mir aus dem Weg gingst, da haben wir im Nachhinein gemerkt, dass alles nur ein saublödes Missverständnis war. Oder anders ausgedrückt, ich zu hart mit dir umgegangen bin …“
„Du wolltest ja nur mein Bestes, wie meine Mutter früher.“
„Lass das jetzt, du mit deinem Mutterkomplex,