Der Televisionär. Группа авторов

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in die Kamera. Sie erläuterte kurz, dass die bereits seit sechs Tagen andauernde Menschenjagd zu Unterhaltungszwecken »im Einklang mit dem Gesetz zur aktiven Freizeitgestaltung vom 7. Januar 1973« stehe: Drei schwerbewaffnete Männer, die so genannte Köhler-Bande, jagen den Kandidaten Bernhard Lotz. Wird der es lebend bis zum Abend in die Osnabrücker Gartlage-Halle schaffen, gewinnt er eine Million D-Mark. Allerdings haben der ausstrahlende Privatsender »Transeuropa-TV« und der Sponsor der Show, der »Stabilelite-Konzern«, auch für den Fall der Fälle vorgesorgt: »Sollte der Kandidat vorzeitig den Tod finden, so erwartet Sie ein umfangreiches Unterhaltungsprogramm mit vielen beliebten Künstlern.«

      Daraufhin wird zu dem Kandidaten geschaltet, der sich in einem Hotelzimmer versteckt, jedoch fliehen muss, weil seine Jäger ihn aufgestöbert haben. Von einem Fenster aus entdecken sie ihn, wie er unter ihnen über ein von milchglasigen Bullaugen geziertes Flachdach davonläuft. Der Anführer der Bande versucht, seine Millionen-Beute mit gezielten Schüssen zu erledi­gen – und mit jedem dieser Schüsse stoppt für einen Augenblick das Bild. Rhythmisch wird der Kandidat eingefroren, in klassischer Opferhaltung, ein postmoderner Christus, von medialen Manipulatoren ans televisionäre Kreuz genagelt. Bis er – verfehlt! – wieder ein Stück weiter flüchten darf, nun hinein in Maschinengewehrsalven. Auf dem Fernsehbild erzeugen sie, Einschüssen gleich, ornamentale Muster, auf der Tonspur gehen sie in Schlagzeugsalven über. Ein bonbonbunter, psychedelisch animierter Vorspann beginnt zu laufen: »TE-TV präsentiert das Millionenspiel.« [Abb. 3]

      Diese ersten Filmminuten offenbaren – zumindest aus heutiger Sicht – zweierlei. Zum einen den Umstand einer gänzlichen Überformung des Realen durch mediale beziehungsweise ästhetische Interessen: Die TV-Choreographie reduziert die vermeintlich abgebildete Realität zum Rohmaterial eines Todesballetts. Zum anderen aber demonstrieren diese Bilder ein Fernsehen, das in seinen Inhalten wie in seiner Optik recht deutlich mit dem öffentlich-rechtlichen des Jahres 1970 kontrastiert. Das panoptische Spiel um Leben und Tod gemahnt vielmehr sowohl an das Reality-TV der 1990er Jahre als auch an Computerspiele, vor allem First-Person-Shooter, beziehungsweise an pervasive und Alternate-Reality-Games, wie sie erst nach 2000 unter den Bedingungen flächendeckender digitaler Vernetzung realisierbar wurden.

      Zu der zeitgenössischen Wahrnehmung der Fiktion als real trug wesentlich bei, dass Menge und sein Regisseur Tom Toelle zum einen die Rollen von Jäger und Gejagten mit noch unbekannten Schauspielern besetzten, um sie als ›normale‹ Kandidaten zu authentifizieren, zum anderen aber für die Rollen der angeblichen Fernsehmacher prominente TV-Gesichter gewannen: von der vertrauten Ansagerin der Sendung über den populären Showmaster Dieter Thomas Heck bis hin zu den Fernsehreportern Heribert Fassbender, Arnim Basche und Gisela Marx, die sich bei den inszenierten Straßenszenen gewissermaßen selbst spielten.

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