New Game Plus. Группа авторов
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Aufgrund der Charakteristika der Editor-Games, ihrer Offenheit, Unmarkiertheit und Prozessualität, bedarf es somit Methoden der Computerspielanalyse, die eine praxeologische Perspektive beinhalten, um Computerspiele ›in the making‹ zu adressieren und Spielhandlungen in situ75 erfahrbar zu machen. Es geht also darum, sich nicht mit der Betrachtung einer Seite zufrieden zu geben, sondern permanent zwischen den eingeschriebenen artefaktseitigen Handlungsinitativen und den nutzerseitigen Verschiebungen zu wechseln.76 Die theoretischen und methodologischen Leitkonzepte für die hier vorgeschlagene Form einer praxeologisch ausgerichteten Perspektive der Game Studies bietet die Techniksoziologie an, die seit ihrer Entstehung aus den sozialwissenschaftlichen Wissenschafts- und Laborstudien maßgeblich von den Vertretern der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) vorangetrieben wurde.
Bekanntermaßen propagiert die ANT ein sogenanntes Symmetrieprinzip, das es erlaubt, menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren in einem Handlungszusammenhang gleichermaßen Agency, eine Handlungsinitiative, zuzugestehen.77 Bei der Untersuchung von Editor-Games erscheint es somit sinnvoll, nicht zwischen sozialen, technischen und natürlichen Gegebenheiten zu unterscheiden, sondern eine Symmetrie einzufordern, die sich im vorliegenden Anwendungsfall primär in der Gleichbehandlung von den Moddern und den Editoren vollzieht.78 Modding-Communities entstehen demzufolge nicht allein durch das kommunikative Handeln der Subjekte, sondern auch durch die konkrete Interaktion mit Medientechnologien. Ein Editieren der Spielwelt muss in der Analyse daher als ein Handlungsprogramm verstanden werden, das sich aus einem historisch gewachsenen Kollektiv von Nutzern und Nutzergemeinschaften, Techniken, Zeichen und Wahrnehmungen speist. Diese Elemente bilden gemeinsam ein heterogenes Netzwerk – wobei Netzwerk hier keinesfalls strukturell gedacht werden soll, sondern als Verknüpfung von sozio-technischen Handlungsprogrammen,79 entsprechend der analytischen Unterscheidung von Softwareunternehmen, Spielern, Modding-Communities, Spielen und Editoren. Auf diese Weise bildet die ANT einen Zugang zu medialen Handlungspraktiken, der keine strikte methodische Verfahrensanleitung vorgibt, sondern eine Heuristik, die es erlaubt, sich jenseits tradierter Dichotomien anzusiedeln. Dies tangiert ebenfalls die Unterscheidung zwischen einer technikzentrierten Medienwissenschaft, die stets auf ein mediales Apriori verweisen muss, und einer anthropologisch geprägten Medienwissenschaft, die am Medieneinsatz und -gebrauch ansetzt. Stattdessen wird eine Öffnung hin zum kulturellen und sozialen Kontext des medialen Handelns geschaffen, der damit als für eine mediale Spezifik konstitutiver Faktor anerkannt wird. Zudem wird der ›formenden Wirkung‹, den ›moulding forces‹ der Technologie80 Rechnung getragen. Modding-Communities setzen sich demnach nicht nur aus den menschlichen Akteuren zusammen, sondern auch aus den Editoren und Spielen. Diese geben nicht bloß die Rahmung für die Interaktion vor, vielmehr nehmen sie nach dem Modell einer sozio-technischen Verkettung situativ wirksame Transformationen innerhalb der Gemeinschaften vor.81
Besondere Bedeutung haben dabei einerseits technologische Entwicklungen, die in die Modding- und Editor-Game-Kultur von Seiten der Computerspiel-Entwickler und -Publisher einfließen (top-down), andererseits Modifikationen, Weiterentwicklungen und Anpassungen als Folge der Community-Aktivitäten (bottom-up). Innerhalb dieses Netzwerks generieren all diese Aktanten Assoziationsketten zu den Leveleditoren, die als technologische Artefakte gewissermaßen das ›mediale Dazwischen‹ bilden.
Als Richtschnur der Dokumentation artefaktseitiger Handlungsinitiativen kann dabei das Konzept der Affordanzen82 dienen, welches die funktionell-relevanten Eigenschaften eines Artefakts und ihre Kombination bezeichnet, aus denen sich Handlungsangebote ableiten lassen. Zwar ist der Angebotscharakter dem Artefakt qua Design eingeschrieben, wobei von einem impliziten Nutzer ausgegangen wird, jedoch können insbesondere computerbasierte Medien eine höhere Ebene der Kontingenz aufweisen,83 was a priori Aussagen über den tatsächlichen Umgang erschwert. Dies wird in proaktiven Systemen mit verschachtelten und verknüpften Algorithmen und »höheren Freiheitsgraden«84 noch einmal verstärkt. Im Fall von Veränderungen bis hin zu Zweckentfremdungen der Technologie durch die Nutzer ist der Angebotscharakter nicht mehr ohne eine situative Bewertung zu leisten. Tatsächlich scheint in Bezug auf die Analyse der Mensch-Computer-Interaktion eine Rahmung des Affordanz-Konzepts vonnöten zu sein, wie sie die Techniksoziologie anbietet.85 Denn erst die Situierung der Analyse schafft eine operationalisierbare Basis für die Analyse historischer wie gegenwärtiger Modding-Technologien und -Praktiken.
Eine praxeologische und netzwerkanalytische Ausrichtung der Forschung zum Computerspiel-Modding erfordert eine Erweiterung des Methodenrepertoirs, um die technologischen Angebotsstrukturen als Teil des Medienhandelns adäquat zu kontextualisieren. Für die Game Studies haben Autoren wie Alexander Knorr86, T.L. Taylor87 und Thomas Malaby88 mittels qualitativer Forschungsdesigns gezeigt, dass eine räumliche und zeitliche Trennung von Spiel und Alltagswelt nicht länger aufrechterhalten werden kann, wie dies Johan Huizinga in seiner historischen Betrachtung des Homo ludens89 in Rekurs auf die Ritualforschung forderte. Zudem sind in Bezug auf die nutzerseitige Veränderung von Computerspielen neben der genannten Historiographie von Editoren-Werkzeugen gerade solche kommunikativen Ereignisse von Interesse, die nicht getrennt von ihrer Einbettung in Alltagspraktiken und deren mediatisierte Handlungsökologien betrachtet werden können und folglich nicht auf ihre reine Rezeptionspraktik zu reduzieren sind. So kann das Editieren von virtuellen Spielwelten nicht von den materiellen Umgebungen getrennt werden; ebenso können akteurseitige Vergemeinschaftungsprozesse nicht außer Acht gelassen werden, die weit über die häufig anonymen, meist losen und zeitlich begrenzten Zusammenschlüsse in Fankulturen hinausgehen. Dabei zeigt sich, dass Praktiken des Moddings und Editieren den Erfahrungsbereich der Spielewelt überschreiten und dass Spielhandlungen und Alltagshandeln nicht streng konzeptionell voneinander getrennt werden können, weswegen eine Verknüpfung zwischen On- und Offlineforschung sinnvoll ist. Für eine praxeologische Analyse der Gegenwart des Game-Moddings ist daher ein ethnographisch informiertes Forschungsdesign im Sinne der virtuellen Ethnographie90 als Ergänzung und Erweiterung der kulturhistorischen Perspektive sinnvoll.
4. STATT EINES FAZITS
Computerspiele – nicht nur Editor-Games – sind keine abgeschlossenen Artefakte. Sie sind flüchtige Medien, deren Wesen sich erst im Akt der Benutzung vollständig erschließt. Methodisch bedeutet dies, dass eine Analyse des Computerspielens weitere Medien der Aufzeichnung erfordert, um ephemere Nutzerhandlungen in analysierbare Protokolle zu überführen. Darüber hinaus ist für das Computerspiel konstitutiv, dass Nutzerhandlungen das Spiel selbst und die Art und Weise, wie ein Spiel gespielt wird, verändern können. Dieser kennzeichnende