Phantastica. Lewin

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Phantastica - Lewin страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Phantastica - Lewin

Скачать книгу

dem er im Jahr 1871 seine Reifeprüfung erfolgreich absolvierte. Hier fand er in seinem Lehrer Paul de Lagarde einen guten Freund und Förderer, mit dessen finanzieller Hilfe Lewin sein anschließendes Studium finanzieren konnte.

      Seine Wissbegierde trieb den jungen Lewin zu einem Medizinstudium an die Friedrich-Wilhelm- Universität in Berlin, der heutigen Humboldt-Universität. Er promovierte schließlich mit einer preisgekrönten Arbeit zur Untersuchungen der Wirkung des Pflanzengifts Aconitin und arbeitete, nach seinem freiwilligen Dienst im Militär, in München als Assistent am Hygieneinstitut des bayrischen Chemikers Max von Pettenkofer. Im Jahr 1878 kehrte Lewin wieder nach Berlin zurück, um als Assistent am Pharmakologischen Institut der Universität tätig zu werden. Mit 40 Jahren habilitierte sich der Mediziner und erhielt im Jahre 1893 schließlich den Titel des Privatdozenten.

      Doch Lehrauftrag sowie Prüfungserlaubnis blieben aus – Lewin wurden weder Räumlichkeiten zur Lehrtätigkeit zugesprochen, noch durfte er offiziell unterrichten. Der jüdische Mediziner wusste sich jedoch zu helfen, worin sich wieder sein starker Wille zeigt: Er zog in der Nähe der Berliner Charité und richtete dort sein eigenes Labor inklusive Lehrraum ein. In diesen Räumlichkeiten hielt Lewin fortan private, unentgeltliche Vorlesungen, die zahlreich besucht und von vielen Studierenden sogar auf Grund ihrer unkonventionellen und leidenschaftlichen Vortragsweise geschätzt wurden.6

      Die Anerkennung an der Universität – die für ihn von größter Bedeutung war – blieb Lewin jedoch weiterhin verwehrt. Mehrmalige Bitten, die Kosten für sein Privatinstitut zu übernehmen, wurden von der Universität abgelehnt. War das aufgrund seines jüdischen Glaubens?

      Das Lehrpersonal an den Universitäten des Deutschen Reiches entstammte im 19. Jahrhundert überwiegend dem wohlhabenden Bürgertum. Weniger als ein Viertel des Lehrkörpers der Berliner Universität in den Jahren 1871 bis 1933 war jüdischer Herkunft, davon hatten ungefähr 40 Prozent ihren Glauben gewechselt oder waren aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten, um ihre Karrierechancen zu steigern.7 Lewin stellte mit seinem jüdischen Ursprung somit eine der wenigen Ausnahmen an der Berliner Universität dar. Er lehnte es ab, zugunsten seiner Karriere zu konvertieren – vielleicht ein Grund wieso der Wissenschaftler so lange auf seinen Lehrauftrag warten musste.

      1919 wurde Lewin dennoch zum Honorarprofessor an der Technischen Hochschule in Charlottenburg ernannt, doch blieb damit die ihm auf Grund seiner Leistung eigentlich zustehende ordentliche Professur weiterhin verwehrt. Erst 1923 erhielt er den offiziellen Lehrauftrag an der Charlottenburger Hochschule. Kurz zuvor verlieh ihm die Berliner Universität den Titel des Extraordinarius und damit endlich einen offiziellen Lehrauftrag. Das Lewinsche Privatinstitut am Charitégelände wurde erst im Jahr 1924 von der Universität übernommen, womit nun auch die dafür anfallenden Kosten übernommen wurden.

      Lewin konnte diese geringe Würdigung seiner Forschungsleistung jedoch nicht lange schätzen. Nur fünf Jahre später erlag er den Folgen eines Schlaganfalls. Dadurch blieben ihm zumindest die Demütigungen, welche die jüdische Bevölkerung während des Nationalsozialismus erleiden musste, und damit das Schicksal seiner Frau Clara, die 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt starb, erspart.

      Louis Lewin stellte sein Leben in den Dienst der Wissenschaft und leistete dadurch Pionierarbeit in der Drogen- und Arzneimittelforschung. Das Herausragende an seiner Leistung wird in der „Phantastica“ deutlich. In dieser Drogenenzyklopädie stellte Lewin erstmals Wirkung und Nebenwirkung verschiedener bewusstseinsverändernder Stoffe dar und zeichnete zudem die Geschichte des Drogenkonsums sowohl im eigenen Kulturkreis als auch in fremden Kulturen nach. In der Lewinschen Neuschöpfung des Begriffs „Phantastica“ benannte der Forscher fünf Gruppen von Genussmitteln, die er anhand ihres Wirkungsverlaufs von einander trennte. Zu unterscheiden waren für Lewin „Erregungs-“, „Sinnestäuschungs-“, „Berauschungs-“, „Schlaf-“ und „Seelenberuhigungs- mittel“. Mit einem wortreichen und gewaltigen Sprachduktus berichtete Lewin von Vorkommen und Wirkungen der „phantastischen Stoffe“, die teilweise – wie im Falle des Kaffees – nützliche Reaktionen, teilweise jedoch auch – wie am Beispiel des Kokains – verheerenden Folgen haben können. Lewin verklärt den Drogenkonsum damit in seiner Enzyklopädie nicht, sondern stellt auch die häufig beängstigenden Bilder der Abhängigkeit dar und lässt so seine dringliche Warnung vor dem Gebrauch bestimmter Stoffe verlauten.

      Der Sprachstil des Chemikers gepaart mit den oft amüsanten Anekdoten zur Kulturgeschichte des Drogenkonsums erheben die „Phantastica“ zu einem Werk, das einen wissenschaftlichen Anspruch mit Leselust und Spannung vereint. Die Modernität und Fortschrittlichkeit Lewins in seiner „Phantastica“ ist noch heute, fast ein Jahrhundert nach ihrem Erscheinen, von bestechender Aktualität.

       Vorwort.

      Eine innigere Beziehung zum Leben der gesamten Menschheit haben, wenn man von Nahrungsstoffen absieht, keine von den unzählbaren chemischen Stoffen der Welt, als diejenigen, deren Geschichte und Wirkungen in diesem Werke zur Darstellung gebracht worden sind.

      Ich gab ihm den Namen Phantastica, obschon unter diesen von mir formulierten Begriff nicht alles das fällt, was ich im engeren Sinne darunter verstanden wissen will. Aber fast allen hierher gehörigen Stoffen ist eine direkte Gehirnwirkung eigen, die in allen ihren Gestaltungen rätselhaft, unbegreiflich ist.

      Ist in der belebten Natur der Wunder vielleicht größtes die Empfindung, so lässt der Versuch, pharmakologisch in das Gebiet der betäubenden und erregenden Stoffe einzudringen, dieses Wunder noch bedeutsamer erscheinen, weil hier der Mensch es vermag, das Alltagsempfindungsleben samt Willen und Denken durch chemische Stoffe, auch bei freiem Bewusstsein, in ungewohnte Formen zu wandeln oder den normalen Empfindungen Leistungshöhen und Leistungsdauer zu geben, die dem Gehirn sonst fremd sind. Chemische Stoffe sind es, die derartiges bewirken können. Die besten [2]von ihnen bildet das gewaltige Pflanzenreich, in dessen stillstes Wachsen und Schaffen menschliches Auge und Forschen noch nicht gedrungen sind. Werden sie auf das Gehirn übertragen, so rufen sie dort Wunder an energetischen Äußerungen wach. Sie machen den seelisch Gepeinigten lastfrei, den Schmerzdurchwühlten oder den dem Tode Geweihten hoffnungerfüllt, dem durch Arbeit Geschwächten geben sie neue Leistungsimpulse, die auch ein starker Wille nicht zustande brächte und dem nach der Arbeit weltscheu und stumpf Gewordenen eine Stunde innerlichen Behagens und Zufriedenseins.

      Und alles dieses vollzieht sich auf der gesamten Welt durch einen oder den anderen dieser Stoffe bei allen, die im Besitze derer sind, nach denen sie Begehren tragen. Und sie sind es: Im Urwaldwinkel, wo ein Blätterbehang die kümmerliche Unterkunft bildet, wo auf meerumtobtem Eiland Menschen einen Zuwachs an zeitlich höherer Lebensintensität erwünschen oder ohne Wunschbedürfnis erhalten, wo auf fernen Bergeshöhen der Einsame von dem dumpfen, nicht zum Bewusstsein kommenden Gefühl seiner äußerlichen und innerlichen Lebensbeschränktheit bedrückt, das niedrige Einerlei seines Vegetierens durch Erregungsmittel belebter zu machen vermag oder wo Menschen der Zivilisation aus einem der vielen möglichen Gründe eine solche zeitliche, subjektiv angenehme Zustandsänderung ersehnen. Die Zauberkraft der betäubenden und erregenden Mittel versagt nie.

      Weit strahlt die Bedeutung dieser Stoffe aus. Sie führen bei den Einen in die dunkelste Nachtseite menschlicher Leidenschaft, die schließlich in sittliche Ohnmacht, Verkommenheit und körperliches Elend ausklingt, bei den Anderen in fernerleuchtete Freudenstunden oder in gemütvolle und beschauliche Geisteszustände.

      Neben diesen die ganze Menschheit als Beteiligte interessierenden Seiten bieten diese Stoffe ein sehr hohes wissenschaftliches Interesse für den Arzt, zumal [3] den Psychiater und den Psychologen, sowie für den Juristen und Ethnologen. Variationen des geistigen Sehens und Empfindens, die tangential oder, mehr als dies, an geistige Erkrankung heranrücken, können die Folgen des zu starken Gebrauches einiger solcher Stoffe sein. Psychoanalytisch, im wissenschaftlichen Sinne, wird hier die Möglichkeit besserer Wesenheitserkenntnis gewisser, auch in Geisteskrankheiten

Скачать книгу