Phantastica. Lewin

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Phantastica - Lewin

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nur ganz vereinzelte Forscher hat eintreten lassen. Der Jurist soll in den hier für ihn auftauchenden Fragen über Verantwortlichkeitsbreite, Handlungsfähigkeit und Zurechnungsfähigkeit von Menschen orientiert sein, die, unter dem dauernden Einfluss zumal von betäubenden Stoffen stehend, Anlass geben, dass man sich mit ihnen zivilrechtlich oder strafrechtlich beschäftigt. Für den Ethnologen bieten Verbreitung und Gründe des Gebrauches solcher Stoffe nach vielen Seiten hin und nicht zum mindesten in bezug auf die religionsphilosophische, überaus viele und für neue Aufklärungen vielversprechende Probleme dar. Ich habe der Anregungen für neue Forschungen in diesem Buche genügend gegeben. Ich ließ es frei von belastendem literarischen Rankenwerk, um die pharmakologische Auffassung klarer hervortreten zu lassen und gab doch genug für die sachliche und historische Orientierung.

      „Es gibt in der gesamten Pharmakologie kaum ein schwierigeres Kapitel als eine erschöpfende und nach allen Richtungen zutreffende Analyse der Wirkungen der Genussmittel.“ Dieses Wort eines Pharmakologen ist wahr. Ich habe, nachdem ich im Jahre 1886 die ersten, auch chemischen, Untersuchungen über ein solches Genussmittel, die Kawa, kundgab, die so umfangreich nutzbar geworden sind, nicht aufgehört, an diesen Fragen zu arbeiten und manches in meinen Schriften folgen lassen. Dieses Werk, das erste [4] seiner Art, soll nicht nur die Ergebnisse meiner pharmakologischen Auffassungen widerspiegeln, die auch durch das Viele gestützt sind, was ich, in stets sehr lebendigen Beziehungen zur Wirklichkeitswelt, selbst gesehen oder Hilfesuchende mir unterbreitet haben, sondern auch belehrend und aufklärend für jene Hunderttausende wirken, die in dem wogenden Kampfe der Meinungen über betäubende und erregende Genussmittel sich einen klaren Blick über die Bedeutung derselben verschaffen wollen.

      Nachdem die erste Auflage dieses Werkes in so kurzer Zeit in vieler Menschen Hände gekommen und überreich mit Zustimmung und Lob bedacht worden ist, folgt ihr die neue, von dem gleichen Geiste getragene und nur im Tatsachenstoff erweiterte. Erneut wird die Menschheit auf das hier dargelegte große Problem hingewiesen, das nicht im schnellen Ansturm gelöst werden wird und gelöst werden kann. Ändernwollen und Ändernmüssen bedürfen sehr viel Zeit zu ihrer Erfüllung, weil übergroße Hemmnisse, die ihre weitverzweigten und mächtigen Wurzeln nicht nur in menschlicher Leidenschaft haben, sich ihnen entgegenstellen. Aber jeder, auch der kleinste Schritt des Vorrückens in der Abwehr von Schädigung des Menschengeschlechts stellt einen wahren Segen dar.

      Berlin,

      im Sommer 1924,

      im Frühling 1926.

      Louis Lewin.

      [5]

      Einleitung.

      [7]

      Seit Kunde von Menschen auf dieser Erde zu uns gelangt ist so auch die, dass sie Stoffe aufnehmen, die nicht Nahrungs- oder Sättigungsstoffe waren, sondern bewusst dem Zwecke dienen sollten, für eine gewisse Zeit einen Zustand von Euphorie, von Behagen, von erhöhtem, subjektiv angenehmem Wohlbefinden hervorzurufen. Solche Kräfte fanden sie in alkoholischen Getränken und einigen sehr wenigen Pflanzenstoffen, den gleichen, die auch heute noch für den genannten Zweck gebraucht werden.

      Kein modernes chemisches Bemühen war bisher imstande, irgend etwas auf synthetischem Wege zu finden, was dem in rätselhafter Weise von den Völkern aller Erdteile als zweckmäßig für ihre euphorischen Wünsche erkannt gewordenen Material auch nur im entferntesten an Wirkungen gleichkäme. Die potentielle Energie der letzteren hat die Erde erobert und über scheidende Gebirge und trennende Meere hinweg die Verbindung zwischen Völkern hergestellt. Die Genussmittel dieser Art sind das einigende Band zwischen Menschen entgegengesetzter Hemisphären, zwischen Zivilisation und Unzivilisation geworden und sie haben, seit sie die Menschen in ihren Bann schlugen, sich Wege für ihr Vordringen gebahnt, die, einmal eröffnet, auch für andere Zwecke begehbar geworden sind. Sie gestalteten sich zu Kennmarken, die, in Völkern zurückgeblieben, einen auch sehr weit zurückliegenden wunderbaren Wechselverkehr unter ihnen so sicher diagnostizieren lassen, wie der Chemiker an einer chemischen Reaktion die innerlichen Beziehungen zweier Stoffe zu erschließen vermag. Der unbewusste Kontakt, der [8] sich durch die Verbreitung solcher Mittel zwischen ganzen Völkerreihen eines Erdteils vollzogen hat, erfordert wohl stets Jahrhunderte oder Jahrtausende. Die Völkerkunde hat, worauf ich mehrfach schon hinwies, ein besonders großes Interesse daran, diesen Berührungswegen nachzugehen, hat aber nie den Versuch gemacht, die Elemente für die Rückverfolgung der hier auftauchenden wissenschaftlich und für die Menschheitsgeschichte so bedeutungsvollen Fragen zu suchen. Und doch würde sich bei eingehendem Forschen mancherlei, zumal mit vergleichend linguistischer Hilfe, finden lassen.

      Schon das Finden der Eigenschaften erregend oder betäubend wirkender Stoffe und deren Verwendungsart stellt ein gewisses naturwissenschaftliches, durch praktische Beobachtung gewonnenes Erkennen und damit ein Stückchen vom Anfang von Kultur dar, das höchst beachtenswert ist. Und wenn es als ein Symptom von Zivilisation bezeichnet werden darf, dass nackte Bedürfnislosigkeit einem gewissen größeren Maß von Begehren weicht, dass das Individuum mit der primitiven, rohen Leibesnahrung, die ihm zuwächst oder die es sich erkämpft, nicht mehr zufrieden, Reizmittel, vor allem für sein Nervensystem, findet oder erhält und liebgewinnt, dann müssen auch in seiner Organisation die zeitlichen Bedingungen für ein solches körperliches Begehren, mindestens aber für das Lustgefühl, das es durch Erfüllung derselben empfindet, vorhanden sein.

      Mehr als der reine Tatsachenstoff, der über solche Substanzen geliefert werden kann, interessieren den Denkenden die Beweggründe, die zu ihrem Gebrauche und Fortgebrauche veranlassen. Hier vereinen sich ja alle möglichen menschlichen Gegensätze: Unkultur und Kultur und deren Ab[9]stufungen in materiellem Besitz, Lebensstellung, Wissen, Glaube, Alter und Veranlagung in Körper, Geist und Seele.

      Der in starre Frone gebannte Tagesarbeiter begegnet sich hier mit dem von Nahrungssorgen freien, sorgenlos von seinem Besitz Lebenden, der Regierende mit dem Regierten, der Wilde irgendeines fernen Eilandes oder des Kongowaldes oder der Kalahari- oder Gobiwüste mit Dichtern, Denkern, Männern der strengen Wissenschaft, mit Gesetzgebern, Staatenlenkern, Menschheitsverbesserern und Misanthropen, der friedlich Gesinnte mit dem Streitsüchtigen und der Religionslose mit dem Frommen.

      Es müssen gewaltige und eigenartige körperliche Antriebe sein, die derart einigend wirken, dass sie so unübersehbar viele Varietäten von Menschen des Erdenrundes in ihren Bann zu schlagen vermögen. Mancher hat sich über sie geäußert, sehr wenige sie in ihrer Gesamtheit übersehen und ihre Wesenheit verstanden. Und noch weniger verstanden sie die inneren Zusammenhänge der Stoffe, in denen jene eigenartigen Energien lagern und die Beweggründe zu ihrem Gebrauch.

      So meinte man, dass, je tiefer ein Volk auf der Leiter der geistigen Fähigkeiten stehe, um so gröber die ihm angenehmen Reizmittel seien und um so mehr würde es suchen, durch sie sich um sein Bewusstsein zu betrügen und sich von der dumpf gefühlten inneren Leere zu befreien.8 Ein ungewisses Ahnen eigener unverbesserlicher Unvollkommenheit im drückendsten Grade umfange z. B. die Indianer Südamerikas und deswegen eilten sie, von solchem melancholischen Mißgefühl durch heftige Aufregung sich zu befreien, d. h. durch den Gebrauch von Koka und anderen Stoffen.

      Ja, Männer, die, wie Tolstoi, unfähig waren, in diese Fragen einzudringen, gingen auch in unserer Zeit so weit, als Ursache des Rauchens und Trinkens eine Betäubung des Gewissens und für den Gebrauch des Opiums im malayischen Archipel eine ,,ungenügende Erziehung auf christlicher Grund [10]lage“ heranzuziehen. Solchen unglaublichen Absurditäten begegnet man allenthalben reichlich. Sie sind geeignet, einerseits Erstaunen über die Mängel

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