Cyberland. Gundolf S. Freyermuth

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Cyberland - Gundolf S. Freyermuth

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Gefängnis, für die Erweiterung seines Horizonts, stünden die Chancen heute besser. Anders als frühere Entdeckungs- und Bildungsreisen erfordern Exkursionen an die vorderste Front unserer Gegenwart, dorthin, wo die Freiheit am größten, der politische Diskurs am radikalsten und die Kunst verzaubert wie nie ist, keinerlei strapaziöse Ortsveränderung. Der Cyberspace umspannt den Planeten. In ihn könnten Ludwig B. und sein Schützling ganz einfach via Modem und Computer reisen, was allemal für den Preis zu haben ist, den der Freiheitshungrige damals für die mehrtägige Tortur auf dem Eilpostwagen entrichtete.

      Cyberklopädie I:

      Hacker, Cyberpunk, Cyberspace

      Blöcke, Ecken, Kanten aus Licht und stählern schimmernden Strukturen. Dazwischen fallen tiefe Schattenschächte. Der Hubschrauber-Blick rast im Tiefflug durch die flickernde Skyline der Mutterplatine und der umliegenden Silicon-Türme.

      Aktuelle Position: nordamerikanischer Kontinent, Westküste, Suite des Mandarin Hotel in der Bay Area. Zeit: 00:45 h vor dem ersten Kontakt.

      Zum xten Mal läuft im Fernseher die Reklame für einen neuen Intel-Chip. Das TV-Bild spiegelt sich in der gläsernen Front des 45. Stockwerks. Hinter den Fenstern, draußen in der abendlichen Realität, drohen dieselben Blöcke, Ecken und Kanten aus Licht und stählern schimmernden Strukturen. Dazwischen, in den Schattenschächten, gleiten Glühwürmchen-Trecks, Leuchtreklamen blinken rhythmisch, und aus dem Datendunst am Horizont gleißt wie ein gewaltiger Halbleiter die Golden-Gate-Brücke heraus.

      »Das Universum besteht aus einem Haufen digitaler Programme, die laufen, laufen, laufen«, hat Timothy Leary sein digitales Credo formuliert. Und Rudy Rucker meint im Rückblick auf seine Vercyberung: »Die mentale Transformation, der ich mich unterziehen musste, bestand darin, alles als einen Computer anzusehen« - was keinem schwerfallen kann, der auf diese Stadt des einundzwanzigsten Jahrhunderts hinunterblickt.

      Den Kontakt zu R. U. Sirius wollen die Scouts in einer halben Stunde herstellen. Mein Körper wartet zusammen mit dem laufenden Fernseher in der Hotelzelle, meine Hände bearbeiten die Tastatur des Powerbook, der neben mir auf dem Bett liegt, doch mein Kopf irrt derweil durch Datenlandschaften, die Tausende von Meilen entfernt sind. Ich stöbere in amerikanischen, britischen und australischen Zeitungen, in Bibliotheken in Bern und Berkeley, in einem Dutzend Newsgroups, deren Zulieferer in zwölf verschiedenen Zeitzonen leben, ich suche im Massachusetts Institute of Technology (MIT) nach Informationen, auf einem Server in Oxford und gleich danach im kalifornischen Xerox Parc. Ich lasse das Modem neu anwählen und wechsle in CompuServe und danach in America Online. Ich könnte mich dabei mit Kochrezepten und Börsentipps versehen oder eine Einführung in die Astrologie der Mayas erhalten, ich könnte mich mit jeder Sorte von Konspirationstheorie und mit UFO-Sichtungen, mit Bodyart oder alternativen Energieformen beschäftigen. Doch ich bin diesmal lediglich an Informationen zu drei Stichworten interessiert, die mich auf die Begegnung mit R. U. Sirius vorbereiten sollen.

      Die Ausbeute der Recherche, die schließlich über den Schirm des Powerbook läuft, ist mehr als ergiebig. Hacker, Cyberpunk und Cyberspace - das sind Zauberlehrlingsstichworte, die eine gewaltige Bit-Tsunami auslösen.

      Hacker. »Hack« hieß einst - abgeleitet vom wilden Herumhacken auf der Tastatur - ein Lohnschreiberling, der auf seiner Schreibmaschine Textzeile auf Textzeile herunterhämmerte. Der Begriff Hacker wurde dann in den sechziger Jahren im Umkreis der Spitzenforschungseinrichtungen MIT und Stanford geprägt und bezeichnete besonders genial programmierende Elektronikbastler. Ihr »Hack« war dementsprechend die möglichst elegante Lösung eines schwierigen Problems. Diese frühen Hacker der Hippiegeneration waren berühmt für ihre bedingungslose Liebe zur Technik und berüchtigt für ihre verkehrte Lebensweise, deren hervorstechendste Merkmale der Mangel an Hygiene und Schlaf waren. Letzteres rührte vor allem daher, dass Rechenzeit an den wenigen Mainframe-Computern äußerst limitiert und meist nur nachts zu haben war - jedenfalls für avantgardistische Experimente ohne unmittelbare Nutzanwendung.

      Die Erfahrung vom Computer als einer teuren Mangelware, gepaart mit dem Leiden an den vielfältigen Einschränkungen und bürokratischen Restriktionen, die sich daraus ergaben, dass ein einzelner Hacker, so er nicht Millionär war, keinen eigenen (Mainframe-)Computer besitzen konnte, veranlasste die bastelnde Suche nach billigeren Alternativen.

      Hacker bauten in den siebziger Jahren folglich die ersten erschwinglichen Personal Computer. Die wiederum ließen eine neue Sorte von Teenage-Hackern aufkommen, nach dem gleichnamigen Film von 1983 allgemein die »Wargames«-Generation genannt.

      Diesem Nachwuchs im Computer-Underground ging es weniger um technisches Wissen und innovative Problemlösungen als um eine radikale Appropriation von Hard- und Software. Ihnen hieß ein Hack alles, was ein Stück Technik dazu bewegte, anderes zu machen, als wofür es entworfen wurde. Gleichgültig gegenüber technischer Kunstfertigkeit und statt dessen auf tollkühne Kunststücke versessen, bedienten diese jüngeren Hacker sich der nunmehr vorhandenen Billig-Gerätschaften, um sich trickreich illegalen Zugang zu geschützten Mainframe-Systemen zu verschaffen.

      Insofern sie dabei Daten änderten oder zerstörten, wurden sie von den Hippie-Hackern, gegen deren subkulturellen Ehrenkodex sie verstießen, als Cracker beschimpft. Solcher Datenvandalismus blieb allerdings eine Seltenheit. Die Mehrzahl der Computerkids betrieb das Hacken des schieren Kitzels wegen, als l’art pour l’art, und legte gesteigerten Wert darauf, die Systeme so elegant zu knacken, dass keinerlei Spur zurückblieb.

      Dies änderte sich mit der dritten Generation von Hackern, die seit den späten achtziger Jahren wie andere Halbwüchsige an der Straßenecke in den Bulletinboards (BBS) und MUDs herumlungern (von Multi-User Dungeons, elektronischen Spiel-Kerkern für mehrere Personen), dabei Informationen austauschend und Pläne schmiedend, die Welt aufzuwirbeln. Wie ihre Vorgänger stammen auch diese Hacker überwiegend aus dem weißen Mittelstand. Anders als ihre Vorgänger treibt sie jedoch der Drang, die Informationsgesellschaft von innen auseinanderzunehmen, eine anarchisch-aggressive Datenbankplünderungslust. Sie verstehen sich als »Informationsbefreier«. Ihr Schlachtruf »Alle Information will frei sein« lässt sie gegen Zensur oder Geheimhaltung anhacken. Alles und jedes wollen sie jedermann zugänglich machen - die private Kreditwürdigkeit ebenso wie die Umsatzzahlen der Konzerne oder Regierungsgeheimnisse und vor allem all die vielen illegalen Tricks und Rezepte, vom kostenlosen Zugang zum Telefonnetz über den Gratis-Kabelanschluss bis zur Drogenanrühranleitung.

      »In ihren Träumen (obwohl höchst selten im wirklichen Leben) hören sie Madonnas Telefongespräche ab und sogar die des Secret Service«, schreibt Gary Cartwright. »Doch eigentlich sind die meisten Hacker so harmlos wie Entlein ... Zum größten Teil handelt es sich bei ihnen um junge Männer mit ernstzunehmenden anti-sozialen Tendenzen (wenige Frauen hacken), um junge Kerle, die wie wild den Wettstreit suchen und klüger sind, als es ihnen gut tut.«

      Sich selbst nennen diese Hacker der dritten Generation Cyberpunks.

      Cyberpunk. Der Begriff verschmilzt Hightech-Kybernetik (engl. »cybernetics«) mit Low-life-Punk, also modernste Technik mit revoltierender Gegenkultur. Die Vorsilbe Kyber leitet sich dabei von dem griechischen Wort »kubernao« ab (ein Schiff steuern) und findet sich außer in Kybernetik - ursprünglich die Wissenschaft von Steuerungsprozessen, heute eher synonym mit Informatik verwendet - auch in modernen Worten wie Gouverneur oder dem englischen »government« (Regierung). Cyber konnotiert insofern im engeren Sinne souveräne Steuerung bei der schlingernden Fahrt über die elektronischen Wellen. Im erweiterten populären Gebrauch bezeichnet es dann schlicht alles, was mit diesem neuen elektronischen Reich in Verbindung steht.

      Geprägt hat die Wortverbindung Cyberpunk Hans Bethke in der 1983 veröffentlichten Science-Fiction-Erzählung gleichen Titels. Ein Jahr später kreierte William Gibson mit seinem Roman »Neuromancer« das neue Genre der Cyberpunk-Science-Fiction. Ein zweiter Autor, der erfolgreich am Mythos des Cyberpunk mitschrieb und wie Gibson heute

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