Cyberland. Gundolf S. Freyermuth

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Cyberland - Gundolf S. Freyermuth

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daher, wer wissen wolle, wo der Cyberspace zu finden sei, solle sich am besten die Frage stellen, wo sich sein erspartes Geld gerade herumtreibt: Im Zweifelsfall liegt es in keinem Banksafe - schon allein deshalb nicht, weil nur der geringste Teil der zirkulierenden Geldmengen durch ein Äquivalent in Münzen oder Scheinen abgedeckt ist -, sondern es jagt, den diversen Investitionsentscheidungen der Banken folgend, als digital kodierte Kolonne durch jenen Teil des Cyberspace, der die internationalen Finanzmärkte beherbergt.

      Wie alle Pioniergebiete hat auch der virtuelle Cyberspace eine Besiedlungsgeschichte. Erschlossen wurde er zuerst vor einem Vierteljahrhundert, als das amerikanische Verteidigungsministerium die Nachrichtenverbindungen für den Fall eines Atomkriegs sichern wollte. Die Generäle befürchteten zurecht, die zentralistisch organisierten nationalen Kommunikationsstränge - die telefonischen Schaltstationen, die Sendezentralen der Radio- und Fernsehsender - könnten im Kriegsfall durch gezielte Bomben- oder Raketenangriffe lahmgelegt werden.

      Paul Baran, ein Forscher der Rand Corporation, fand 1964 eine ungewöhnliche Lösung für dieses Problem: ein Netz von Computerverbindungen, dem im Gegensatz zu allen bekannten Kommunikationswegen die zentrale Schaltstelle fehlte. Strukturelle Redundanz und hierarchische Gleichberechtigung aller beteiligten Computer sollten stetes Umgehen von Blockierungen oder Beschädigungen in den Nachrichtenverbindungen ermöglichen. Egal, welcher Computer im Netz ausfiel oder vom Gegner ausgeschaltet wurde, alle anderen sollten weiterhin untereinander kommunizieren können.

      Es war eine verrückte Idee. Die innovative nicht-hierarchische Netzstruktur widersprach dem Ordnungsdenken und den Kontrollwünschen der Militärs diametral. Doch innerhalb der atomaren Strategie des Kalten Krieges fand sich keine andere Lösung. Die Advanced Research Projects Agency (ARPA) des Pentagon baute das experimentelle Computernetz.

      Seine »nomadische Architektur«, die sich von Anfang an so schnell wandelte, wie sich elektronische Zelte aufschlagen und wieder abbauen lassen, schuf in ihrer Freiheit von Kontrollinstanzen die Voraussetzungen für das zukünftige wilde Wuchern des Cyberspace. Und sie ist es auch, die bis heute der Einführung einer Zensur, wie sie viele konservative Gruppen und autoritäre Staaten befürworten, größte Hindernisse entgegenstellt.

      »Das Netz«, sagt Internet-Pionier John Gilmore, »interpretiert jeden Zensurversuch als technischen Schaden und lenkt die Daten auf Umwegen zum Ziel.«

      In seinen Anfängen war das Leben in ARPAnet so antiseptisch wie die Büros und Labors der Militärs und Wissenschaftler, die das Netz erschlossen hatten und sich mit seiner Hilfe nun gegenseitig Zugang zu den auf ihren Computern gespeicherten Daten einräumten. Sehr bald allerdings entdeckten einige Benutzer, dass sich die elektronischen Kommunikationswege für weniger professionelle Zwecke umfunktionieren ließen - Klatsch und Tratsch via E-Mail, Diskussionsgruppen und Newsgroups zu allen erdenklichen Themen von Science-Fiction-Literatur bis zu sadomasochistischen Praktiken, elektronische Magazine und Tauschbörsen, interaktive Gruppenspiele ...

      Da ARPAnet einzig Regierungs- und Forschungsinstitutionen Zugang gewährte, entstanden parallel Hunderte von BBS sowie lokale und nationale Netze für andere Bevölkerungsgruppen. Das bedeutendste hieß NSFnet nach der National Science Foundation (NSF). Für die Erschließung des Cyberspace zeitigte NSFnet tiefgreifende Folgen, da es in den achtziger Jahren den Anschluss der amerikanischen Schulen und Colleges forcierte und so Millionen von Schülern und Studenten elektronische Kommunikation offerierte. Zwischen 1981 und 1992 explodierte die Zahl der ständig im Internet vernetzten Computer von 281 Stück auf 1,1 Millionen. Auch die nationale Beschränkung der US-Netze, die lange Auslandsverbindungen nur zu Militärbasen und Botschaften erlaubte, brach damals auf.

      Das Internet, zu dem ARPAnet, NSFnet und bis heute rund achtundvierzigtausend andere Subnetze verschmolzen und von dem aus sich ebenfalls zahlreiche kommerzielle BBS erreichen lassen, ist eine internationale, demokratisch und dezentral verfasste Gemeinschaft. Keine einzelne Institution kontrolliert diesen größten zusammenhängenden Landstrich des Cyberspace. Das Internet samt seiner modernsten Region, dem graphischen World Wide Web (WWW), gehört niemandem und allen. Der Zugang ist unbeschränkt und wird lediglich in einigen Gebieten Osteuropas und der dritten Welt vom technischen Zustand des jeweiligen nationalen Telefonnetzes limitiert.

      Jeder, der über einen Computer und ein Modem verfügt, kann Bürger dieser virtuellen Ansiedlungen werden und selbst zu der ungeheuren Anhäufung von professionellem Fachwissen und kommerziellen Angeboten, bizarren Meinungsäußerungen und künstlerischer Kreativität beitragen - zur, in John Barlows Worten, »größten funktionierenden Anarchie, die je auf dem Planeten Erde erfunden wurde«.

      Die gegenwärtige Situation im Cyberspace vergleicht der Mitbegründer der Electronic Frontier Foundation denn auch »mit dem Wilden Westen des 19. Jahrhunderts. Er ist weit, unerschlossen, kulturell wie legal offen ... ein perfekter Nährboden sowohl für Outlaws wie für neue Vorstellungen von dem, was Freiheit ist.« Und Donald Gooding von Accel Partners, einer Risikokapital-Investmentfirma, die sich an einem halben Dutzend Cyber-Unternehmen beteiligt hat, sagt: »Das Internet ist der Wilde Westen der Technologie. Bislang hat noch niemand gültige Regeln aufstellen können.«

      Alles, was sich menschliche Gehirne zwischen hedonistischer Lifestyle-Erweiterung und utopischer Zukunftsbastelei, zwischen Wahn und Wirklichkeit, zwischen Traum und Alptraum auszudenken vermögen, lässt sich so im Cyberspace erfahren. Wie keine andere Gegend am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zieht er Spinner und Träumer, Abenteurer und Visionäre an. Und in manch ordentlichen Menschen, Militärs und Wissenschaftlern, Studenten und Bankern, weckt er gleichfalls eine wilde Ader.

      »Der Cyberspace ist genauso eine frontier, wie die Neue Welt es für das Europa des siebzehnten Jahrhunderts war«, schreibt James Gleick im »New Yorker«: »Es gibt keinen Grund, das zu romantisieren. Die Welt der frontiers ist unangenehm, hässlich und gesetzlos. Zu oft herrscht dort eine entartete Stimmung wie im ‘Herr der Fliegen’. Die Leute lügen schamlos, und andere Leute glauben ihnen. Versteckt hinter den Masken ihrer Pseudonyme, kreischen sich zornige Teenager gegenseitig an. Ich hatte einige schockierend unangenehme Begegnungen der elektronischen Art ... Erst vor ein paar Tagen hat ein erboster junger Mann, den ich nie zuvor getroffen hatte, eine öffentliche Nachricht hinterlassen, in der er dem Wunsch Ausdruck verlieh, dass mir meine Hände mal in einer Explosion abgerissen würden.«

      An der frontier.

      Ein Pionier erzählt

      »Wir haben ein Dutzend Laserkanonen mit Bewegungsmeldern aufgestellt, und die haben in der Nacht die Waschbären einfach weggebraten.«

      Während wir auf R. U. Sirius warten, gibt Richard Bandler eine klassische Pioniergeschichte aus der Zeit zum Besten, als die pazifische Techno-Boheme an den Grundlagen der Gegenwart bastelte.

      Aktuelle Position: nordamerikanischer Kontinent, Westküste, Lobby des Mandarin Hotel in der Bay Area. Zeit: ca. 00:11 h vor dem ersten Kontakt.

      Bandler ist um die fünfzig. Er hat mehr Bücher geschrieben als normale Menschen Finger und Zehen ausbilden. Er war des Mordes an seiner Freundin Corine Christensen angeklagt, die wie er selbst kokainabhängig war und durch einen Kopfschuss aus Bandlers Waffe starb, nachdem er gedroht hatte, sie zu töten, und er ist 1988 freigesprochen worden. Er hat zusammen mit Linda Hughes Allen das »Neurolinguistische Programmieren« (NLP) begründet, eine äußerst erfolgreiche »Dein-Körper-verrät-dich-und-dein-Gehirn-weiß-mehr-als-du-denkst«-Selbstverbesserungstechnik, die der »Spiegel« zur »Modetherapie der neunziger Jahre« erklärte. Zudem hält er einen Haufen Patente für Erfindungen, die er vor zwanzig Jahren in der Wildwest-Ära der Hightech-Revolution gemacht hat - in einem einsamen Haus in den Bergen, wo eine vielköpfige Waschbären-Plage allnächtlich die Labors heimsuchte.

      »Die Farmer dachten natürlich, wir wären verrückt. Drogen-Irre.« Richard Bandler lacht: »Was wir wohl waren.«

      Eines

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