Cyberland. Gundolf S. Freyermuth

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Cyberland - Gundolf S. Freyermuth

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und Nachahmer.

      Die Cyberpunk-Fiction, die sich so in den achtziger Jahren herausbildete, beschwört in einem rasant-ironischen Stil, der an die klassischen Pulp-Detektivromane der dreißiger und vierziger Jahre erinnert und mit existentialistischen Motiven und Elementen der Punk-Ästhetik gespickt ist, eine nicht sehr ferne dystopische Zukunft. In ihr prallen grelles Licht und finsterste Dunkelheit, Hightech und Aberglauben aufeinander, in ihr bewegt, schreibt »Wired«-Chefredakteur Kevin Kelly, »Voodoo genauso viel wie Supraleiter«.

      Bruce Sterling nennt zwei zentrale Motivkomplexe, zum einen »das Thema der Körperinvasion: künstliche Gliedmaßen, implantierte Elektronik, plastische Chirurgie, genetische Eingriffe«; zum zweiten »das noch stärkere Thema der Verstandesinvasion: Gehirn-Computer-Interfaces, künstliche Intelligenz, neurochemische Techniken, die die menschliche Natur, die Natur des Selbst radikal redefinieren.«

      Das Standard-Szenario der Cyberpunk-Erzählungen spielt irgendwann im einundzwanzigsten Jahrhundert. Gewaltige Konzerne haben die Welt in Geschäftszonen aufgeteilt. Die gleichzeitig wuchernden und zerfallenden Stadtlandschaften bevölkern Massen kleinbürgerlicher Datensklaven und eine gewalttätige Unterschicht drogenabhängiger Zombies. Ihre Slums aus Beton und nackten Stahlträgern kontrastieren mit den Palästen aus Marmor und Messing, in denen die Konzerne residieren. Das Individuum – heute schon in den Worten Jean Baudrillards »ein Terminal multipler Netzwerke« – ist in der Cyberpunk-Zukunft vollends zur Datendurchgangsstation geworden, zum Anhängsel der Maschinen. Wobei letzteres recht wörtlich zu verstehen ist: Die Helden dieser Romane, Datenguerilleros und Konsolen-Cowboys, gewiefte Einzelgänger und Einzelkämpfer, können sich dank Gehirnimplantat und Schädelstöpsel direkt in die Matrix einklinken.

      »Wie viele andere prophetische Avantgarden in der Vergangenheit«, schreibt Wark McKenzie über die Cyberpunk-Autoren der achtziger Jahre, »sahen sie die Zukunft zugleich klarer und verrückter als ihre Zeitgenossen. Wie die romantischen Dichter und die dekadenten Künstler des neunzehnten Jahrhunderts, wie die Surrealisten und Futuristen und Konstruktivisten des frühen zwanzigsten Jahrhunderts wollten sie das Leben verändern. Deshalb stellten sie sich vor, wie es anders sein könnte, anders nicht nur als die Gegenwart, sondern auch anders, als die Zukunft offiziell werden sollte.«

      Die Cyberpunk-Vision fand schnell eine breite Anhängerschaft, und das literarische Genre mauserte sich zu einem kunterbunten massenkulturellen Modekomplex, zu dem ältere Filme wie »Bladerunner« und neuere wie »Brazil« oder »Lawnmower Man« rechnen, TV-Shows wie »Max Headroom« oder Oliver Stones »Wild Palmes«, Musikstile wie Industrial, Rave, Acid House, Musiker und Künstler wie Brian Eno, Stelarc oder Mark Pauline und seine Survival Research Labs.

      Die Vielfältigkeit der Cyberszene macht eine klare Definition schwer. R. U. Sirius bezeichnet Cyberpunk als »eine Weltsicht, eine fundamentale Beschreibung der Richtung, in die die westliche Zivilisation marschiert, wild und außer Kontrolle«. Hacker-Königin und »Mondo 2000«-Redakteurin St. Jude, laut R. U. eine »polymathematisch-perverse« Ex-Maoistin und »Hebephrenekerin im Endstadium«, beschreibt Cyberpunk als die Szene, in der die Welten von Wissenschaft und Kunst sich mischen, als Treffpunkt von Zukunft und Gegenwart. Stewart Brand, emeritierter Chefredakteur des hippiesken »Whole Earth Catalog«, meint, die Cyberpunk-Bewegung verbinde »Technologie mit Haltung« - vor allem Technologie, die es noch nicht gibt, mit einer Haltung, die dem Massenbewusstsein und seiner Konsens-Politik entgegensteht. Und das Magazin »Time« klagte, als es 1993 stellvertretend für die Bevölkerungsmehrheit die neue Gegenkultur entdeckte, die bedauerliche Vorliebe für virtuellen Sex, Smart Drugs und synthetischen Rock’n’Roll lasse die Cyberpunks die dunklen Wellenkämme des Computer-Zeitalters surfen. Keiner aber hat cyberpunkiger formuliert, worum es geht, als Rudy Rucker:

      »Das Beste am Cyberpunk ist, dass er mich gelehrt hat, Einkaufszentren, die ich immer gehasst habe, entspannt zu ertragen. Jetzt bilde ich mir einfach ein, das ganze Ding läge zwei Meilen unter der Mondoberfläche und jedem zweiten Passanten sei die rechte Gehirnhälfte von stählernen Robotratten weggefressen worden.«

      Literatur, die Wirklichkeit werden wollte - in dem kuriosen Umstand, dass das Leben die Kunst nachahmte, gleichen die Cyberpunks den Beatniks. Beide Jugend-Bohemes wurden von literarischen Texten ein- und angeleitet, die auf technische Innovationen der Epoche reagierten. Wie Jack Kerouac das existentielle Unterwegssein propagiert, ein rastloses Verfahren auf dem Autobahnnetz, das damals in den vierziger und fünfziger Jahren den nordamerikanischen Kontinent erschloss, so schildert Gibsons »Neuromancer« den Eintritt der Informationsgesellschaft in ihr postsymbolisches Zeitalter, den direkten Daten-Kontakt auf der gerade entstehenden Infobahn und die dabei drohende existentielle Verflüchtigung.

      »Die Autobahn-Metapher passt«, hat R. U. Sirius einmal über die Reise der binären Beatniks in den Cyberspace erklärt. »Wie bei Jack Kerouacs ‘On the Road’: aus einer engen kleinen Gemeinschaft hinaus auf die weite offene Straße.«

      Der Computer-Underground folgte nicht nur dieser breiten, von der amerikanischen Regierung durchaus empfohlenen Infobahn-Route, sondern auch den von der Science-Fiction-Literatur vorgezeichneten Abwegen. Bald war Cyberpunk keine reine Zukunftsmusik mehr. Angezogen vom Zentralthema, der Verschmelzung von Mensch und Maschine, entdeckten die Hacker das Genre und verwandelten die Literatur ein Stück weit in soziale Realität.

      Cyberpunk »gab uns eine Vision der Möglichkeiten, die der Technik innewohnten«, beschreibt der legendäre Hacker Synergy, natürlich ebenfalls ein »Mondo 2000«-Autor, diese Mimesis des Lebens an die Kunst: »Plötzlich setzte sich das Konzept des Cyberspace durch und inspirierte die Hacker.«

      Cyberspace. Das Wort meint den Raum (engl. »space«), in dem die vernetzten elektronischen Informationen miteinander und dem Bewusstsein der Benutzer in Wechselwirkung treten. Im Umgang mit Mitmenschen - per Einweg-Email oder in interaktiven Kontexten, Chatrooms, MUDs usw. - bietet der Cyberspace absolute Gleichheit in der Kommunikation: Unabhängigkeit vom Ort des physischen Aufenthalts und Freiheit von sozialen Einschränkungen wie Status und Klassenzugehörigkeit oder biologischen Begrenzungen wie Geschlecht, Alter und Rasse. Ein berühmter Cyber-Cartoon zeigt einen Vierbeiner, der einen Artgenossen tröstet: »Im Cyberspace weiß niemand, dass du ein Hund bist.«

      Als nicht-physischer, sondern metaphorischer Raum ist der Cyberspace eine von Maschinen erzeugte Welt aus abstrakten Zeichen und fernen Stimmen, die uns nur nahe scheinen. Utopische Konzepte beschwören folgerichtig die graphische Repräsentation des unablässigen Datenflusses zwischen den Millionen Computern, die weltweit miteinander vernetzt sind. Dieses künstliche Software-Reich visualisierter Energiebündel und Signalkonstellationen soll das menschliche Gehirn dann der taktilen Realität gleich als mentale Landschaft durchstreifen können - als eine »allgemeinverbindliche Halluzination«, wie sie William Gibson in »Neuromancer« beschreibt: »Linien aus Licht, aufgereiht im Nichtraum des Verstandes, Ballungen und Anordnungen von Daten. Wie die Lichter einer Stadt, die sich langsam entfernen ...«

      Den gegenwärtig bereits erfahrbaren virtuellen Alltag in den digitalen Parallel-Realitäten all denen zu schildern, die noch im analogen Exil leben, fällt ebenso schwer, wie Erlebnisse am Meeresboden oder in der Schwerelosigkeit des Alls nachvollziehbar zu machen. Bruce Sterling hat es versucht, indem er den Cyberspace als das Nirgendwo beschrieben hat, auf dessen Terrain auch jedes Telefongespräch stattfindet - also den ortlosen, allein in Photonen und Elektronen existierenden Zwischenraum zwischen den Telefonen der Gesprächspartner.

      Doch natürlich macht das normale Telefonnetz nur den kleineren und vertrauteren Teil der Datenverbindungen aus, die die materielle Grundlage dieses neuen immateriellen Kommunikationsraumes bilden. Zum Cyberspace tragen wesentlicher Millionen von Hochgeschwindigkeitsverbindungen innerhalb von LANs (local area networks) und zwischen den Internet-Knotenpunkten bei, ebenso die unzähligen erdgebundenen Dauerfunkstrecken und die Verbindungen zwischen den Bodenstationen und den Hunderten von Nachrichtensatelliten, die von ihren geostationären Positionen aus den großräumigen Datentransfer bewerkstelligen.

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