Brothers in Crime. Wolfgang Pohrt

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Brothers in Crime - Wolfgang Pohrt

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weil er als Chef einer mächtigen Verbrecherorganisation die Sicherheit seiner Anhänger garantieren oder letztere im Schadensfall wenigstens rächen kann.4

      Von einem als Mafia-Jäger populär gewordenen Untersuchungsrichter, dem 1992 in Sizilien ermordeten Giovanni Falcone, stammt die einfühlsame Deutung, die Mafia sei »der Ausdruck eines Verlangens nach Ordnung und damit nach Staat.« Ein amerikanischer Historiker beschrieb die Staaten als protection rackets, und andere Autoren sahen wiederum im protection racket den Staat. (Vgl. Hess 1993:200.)

      Auch die Guerilla gehört ins langweilige Schema, worin immer der Staat die Spätform der Bande ist und die Bande im Erfolgsfall die Frühform des Staats. Die Guérilleros selbst verstehen sich als protection racket, ausdrücklich stellen sie die Bevölkerung im eroberten Revier unter ihren Schutz. Mit einigem Recht kann sich die Gruppe zwar Revolutionäre Befreiungsfront nennen, aber der Markenname zeigt nur an, dass sie besondere Bedingungen für den Beitritt stellt. Anders als üblich ist er den Oberen verwehrt, ein Habenichts kann Mitglied werden, aber kein amtierender Minister. Solche Gruppen richten sich gegen die etablierte Hierarchie, sie haben in ihr »keine Stätte, sie sind ohne reguläre ökonomische Funktion und leben nach Perioden der Illegalität in den revolutionären Aktionen auf« (Horkheimer Bd.12:287).

      Aus dem radikalen Außenseitertum, aus der Verweigerung jeglicher Kooperation mit dem etablierten Herrschaftsapparat, spricht freilich nicht der Wille zum grundsätzlichen und bedingungslosen Verzicht auf Macht, sondern der Unwille, sie mit anderen Gruppen zu teilen. Der amtierende Minister ist unerwünscht, weil man ihm was abgeben müsste. Wo die ordinäre Bande sich mit den Machthabern arrangiert, weil sie ein großes Stück vom Kuchen will, aber nicht den ganzen, meldet die revolutionäre Bande mit ihrer rigorosen Ablehnung bestehender Herrschaftsverhältnisse den Anspruch auf künftige Alleinherrschaft an. Sie muss die Herrschenden stürzen, weil sie selber herrschen will. Erneuerung von Herrschaft, nicht deren Abschaffung ist das Ziel. In der Regel ist damit nichts gewonnen, denn in »der bisherigen Geschichte hat mit dem Sieg solcher Unternehmungen die Gruppe der Funktionäre und ihrer Auftragsgeber sogleich ihren Platz in der modifizierten Hierarchie eingenommen und sich nach unten zu verhärtet« (Horkheimer Bd. 12:287f.).

      Am Ende der algerischen, jugoslawischen, mexikanischen und russischen Revolution stand jeweils eine neue parasitäre Kaste. Die Veteranen bildeten darin bald eine Minderheit, denn die Macht allein ausüben zu wollen, läuft in der Praxis darauf hinaus, sie mit jedem hergelaufenen Opportunisten teilen zu müssen. Fortsetzung des Herrschaftsverhältnisses heißt Fortdauer des Herrschaftsapparats. Dessen vorhandenes Personal entfernen wiederum heißt, dass unverzüglich und massenhaft neues rekrutiert werden muss. Es setzt sich naturgemäß aus den besonders devoten, anpassungsfähigen und skrupellosen Mitgliedern einer Gesellschaft zusammen, der Sieg der Revolutionäre bringt die personifizierte Unterwürfigkeit an die Macht.

      Dass die Spieler von Zeit zu Zeit einmal ausgewechselt werden, ist die Voraussetzung dafür, dass das Spiel ewig das Gleiche bleiben kann. Unverbrauchte Gesichter und frische Kräfte müssen ihm zugeführt werden, wenn es aus Unlust oder Erschöpfung der Teilnehmer nicht ein- schlafen soll. Eliteschulen und Militärakademien sorgen mittels allerlei Schikanen zwischenzeitlich zwar dafür, dass die Hochgekommenen die Erinnerung an die niederen Instinkte nicht verlieren, denen ihr Obensein sich verdankt. Aber den rohen Bräuchen in den vornehmen Lehranstalten haftet etwas Gekünsteltes, Spielerisches an. Ein Ersatz für den Ernst des Lebens unter den Bedingungen des echten Bandenkriegs sind sie nicht.

      Dessen Schema reproduziert das zivile Leben zwar, klaglose Unterwerfung und voller Einsatz wie bei der Streetgang werden auch im Büro und danach verlangt. »Das Existieren im Spätkapitalismus ist ein dauernder Initiationsritus«, schrieben Horkheimer und Adorno, »jeder muss zeigen, dass er sich ohne Rest mit der Macht identifiziert, von der er geschlagen wird« (Adorno Bd.3: 176).

      Die täglichen Übungen in den Fächern Selbstverleugnung und Identifikation mit der Gruppe bleiben keinem erspart. Sie reichen von der Tupper-Party über den Nikotinverzicht bis hin zur »Dissertation an den Universitäten, durch die der Adept beweist, dass sein Denken, Fühlen und Sprechen unwiderruflich die Formen des akademischen Rackets angenommen hat« (Horkheimer Bd. 12:289). Er muss vom Paradigmenwechsel und der Moderne sprechen, vom Holocaust und von der Shoah, nicht wegen der Ideologie, die dahinter steckt, sondern weil es alle tun.

      Aber zu Prüfungen gehört, dass gemogelt werden kann, und aus einem weiteren Grund sind sie unzuverlässig. Ein mit Mäusen und Ratten befasster Verhaltensforscher fasste das Ergebnis seiner langjährigen Studien im Befund zusammen: »Je präziser die Laborbedingungen kontrolliert werden, desto unberechenbarer verhalten sich die Viecher«, und für die Menschen gilt das auch. Härtetests sind eine Kalkulationsgrundlage, aber keine Garantie für die Reaktionen des Einzelnen im Ernstfall. Ob man töten kann, weiß man erst, wenn man es getan hat.

      In John le Carrés Der Nachtmanager nimmt der internationale Waffenhändler deshalb an, Amerika sei es im Golfkrieg nicht um Öl, sondern um echte Erfahrungen gegangen. Seinen russischen Kumpanen erklärt er: »Ihr hattet achtzigtausend kampferprobte Offiziere in Afghanistan, wo sie die moderne, flexible Kriegsführung erproben konnten. Piloten, die echte Ziele bombardierten. Soldaten, die unter echten Beschuss gerieten. Und was hatte Bush? Abgewrackte Generäle aus Vietnam und junge Helden aus dem triumphalen Feldzug gegen Grenada, Bevölkerung drei Mann und eine Ziege. Also ist Bush in den Krieg gezogen.« (Carré 1995:438)

      Welches das Kriegsziel war, Recht oder öl, Freiheit oder Sozialismus, Vaterland oder Firma, spielt keine Rolle. Für Kämpfer zählt der Sieg, nicht die Sache. Wer sich für die eine Seite erfolgreich schlägt, kann dies ebenso gut für die andere tun. Die Rackets wissen das, sie nehmen nur Überläufer, die sich bei der Konkurrenz durch Loyalität ausgezeichnet hatten: »Selbst während des offenen Konflikts der Dachorganisationen ist der einen noch das Individuum verdächtig, mit dem die andere allzu ernsthafte Schwierigkeiten hatte. Es muss über allem Zweifel stehen, dass nicht der Mangel an Anpassungsfähigkeit, sondern Umstände, die dem wesentlichen Verhältnis fernliegen, den Übertritt vom einen ins andere Lager motivieren. Willkommen war den Volskern der flüchtige Coriolan, dessen Affinität zur Herrschaft weithin leuchtete. Er war ein Mann der gentilen Rackets und hatte Feldherrenqualitäten, die stets eine Empfehlung sind.« (Horkheimer Bd. 12:289)

      Solche Qualitäten machen den Ober-Guerillero aus. Wenn der Verein, mit dem er angetreten war, unterliegt, muss das nicht seinen Untergang bedeuten. Profilierte Kombattanten aus den Reihen der geschlagenen Rebellen nimmt der Machthaber mit offenen Armen auf, wenn er Unterstützung bei der Lösung ökonomischer und sozialer Probleme benötigt. Mit ihren erklärten Feinden wird die herrschende Klasse immer fertig, aber mit sich selber nicht. Sie kann von Unlust, Resignation und Zerstrittenheit befallen werden, wenn sie unmittelbar auf jene veränderten Umgebungsbedingungen reagieren muss, deren Produkt die Guerilla gewesen war.

      Dann braucht man hoch belastbares, hochmotiviertes Personal, wie eine herrschende Clique es aus eigener Kraft in Friedenszeiten nicht hervorbringt. Ihre Leute wissen stets den Machtapparat hinter sich, es fehlt ihnen die Einsamkeit, die Verzweiflung, die Todesverachtung, die Entschlossenheit, bis zum Letzten zu gehen, die Bereitschaft zum Spiel »Alles oder nichts«. Wer im Dienst des Establishments stand, musste den Einsatz als Routine-Job mit erhöhtem Berufsrisiko betrachten, nur die Guérilleros kämpften im Bewusstsein »Sieg oder Tod«. Solche Leute bieten sich in der Krise als Retter an.

      »Früher kämpfte er mit der Maschinenpistole gegen die Bourgeoisie«, rühmte die FAZ vom 26.7.96 einen dieser neuen Helden, »heute mit dem Währungsfonds gegen die Inflation. Früher verfolgte er Kapitalisten, heute hoffen sie auf ihn. Der Mann, der einst mit spektakulären Gefängnisausbrüchen von sich reden machte, residiert heute als Minister im Zentrum von Caracas. Seit Venezuelas Präsident Caldera Mitte März Teodore Petkoffzum Planungsminister ernannte, bestimmt der ehemalige Guérillero die Wirtschaftspolitik des Landes.« »Trotz dieses ›dubiosen‹ Hintergrundes«, fährt die Zeitung bewundernd

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