Das Mitteldeutsche Seenland. Vom Wandel einer Landschaft. Lothar Eißmann
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Görnitz, um 1960.
Heuersdorf, um 1925.
Für die Einwohner bedeutete die Umsiedlung nicht nur einen schmerzhaften materiellen, sondern auch immateriellen Verlust: neben der Trennung von Haus und Hof, Friedhof und Kirche, von der Landschaft, von Verwandten und Freunden die als unverwindbare Ruptur empfundene Verabschiedung von ländlicher Kultur, jahrhundertelanger dörflicher und vielfach sogar familiärer ortsgebundener Tradition und Geschichte. Für manchen kam die Aussiedlung auch im Häuslichen einer Verwerfung gleich, dem Neubeginn in einer anderen Welt: der Plattenbausiedlung in oder am Rande der Großstadt. Auch dieser Dimension des Bergbaues sollte bei aller historisch gegebenen Unabwendbarkeit der Wanderer, Angler, Segler oder Badende gedenken, wenn er sich heute oder künftig der dauerhaften positiven Folge der großen Bergbaukampagne des 20. Jahrhunderts erfreut. Wie das sagenumwobene Vineta gewissermaßen »ertrunken« sind unmittelbar südlich der Großstadt Leipzig die Ortschaften (oder Teile davon) Magdeborn, die mit über 3200 Einwohnern größte überbaggerte Gemeinde (mit Gruna, Kötzschwitz und Göltzschen), sowie Rödgen im Störmthaler See, der südliche Zipfel von Markkleeberg-Ost im Markkleeberger See und der zu Markkleeberg gehörende, schon 1216 erwähnte Ortsteil Cospuden und das Gut Lauer im Cospudener See. Wie der künftige Zwenkauer See – analog dem Cospudener See – ebenso »Eythraer See« heißen könnte, so auch der Störmthaler See in Erinnerung an das geschichtsträchtige »medeburu« und die einstige Großgemeinde »Magdeborner See«. Eine schwimmende Kirche auf dem Störmthaler See mit einem Turm, der dem der Kirche von Magdeborn nachgebildet ist, erinnert nun symbolisch an die dem Bergbau zum Opfer gefallenen Ortschaften mit ihren Kulturgütern. Diesen »Verlorenen Orten« ist seit Jahren eine ständige Ausstellung in der Kirchenruine Wachau gewidmet. Zahlreiche Gedenksteine mit Inschriften zur historischen Entwicklung der vom Kohlebergbau verschluckten Orte, häufig angebracht auf nordischen Findlingen oder Tertiärquarziten, die den Tagebauen der Umgebung entstammen, finden sich auch im südlichsten Gebiet des Mitteldeutschen Seenlandes. Beispielgebend sind die Erinnerungsteine an die verlorenen Ortschaften Gaumnitz (Tagebau »Emma« bei Theißen), Stöntzsch (Tagebau Profen-Nord), Hain und Kreudnitz (Tagebau Witznitz II). Neben symbolischen Plätzen der Erinnerung an die vom Bergbau überbaggerten Orte gibt es nur wenige, von denen ursprüngliche Gebäude erhalten geblieben sind. Zu ihnen zählt die jüngste, endgültig durch den fortschreitenden Tagebau Vereinigtes Schleenhain gefallene Ortschaft Heuersdorf. Im Jahr 2007 erfolgte in einer technologisch aufwendigen und spektakulären Aktion die Umsetzung der Heuersdorfer Emmaus-Kirche über 8 km nach Borna.
Bergisdorf, 1930er Jahre.
Zöpen, um 1920.
Magdeborn, um 1920.
Breunsdorf, um 1960.
Tagebauseen
Die Menschen sind überhaupt eigener Natur, sobald ein See zugefroren ist, sind sie gleich zu Hunderten darauf und amüsieren sich auf der glatten Oberfläche: aber wem fällt es ein, zu untersuchen, wie tief er ist und welche Arten von Fischen unter dem Eise hin und her schwimmen?.
Johann Wolfgang von Goethe (1827, in Eckermann)
Wasserbewegung und Flutung
Für einen reibungslosen Abbau der Kohle im Tagebaubetrieb mit seinen Phasen von der Tagebauerschließung über die auf »trockenem Fuß« verlaufende Gewinnung der Kohle bis hin zur Füllung der Restlöcher mit Wasser und der Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft sind detailierte Kenntnisse zur geologischen Schichtenfolge mit ihrer Wasserführung und ihren Wasserwegsamkeiten unabdingbar; insbesondere dann, wenn die Kohlegewinnung mit ihrer weitflächigen Absenkung der Grundwasserspiegel unmittelbar in Großstadtnähe stattfindet. Als Beispiel hierfür kann der bis an den Stadtrand von Leipzig ausgedehnte Tagebau Espenhain gelten. In seinen erschlossenen und angrenzenden Feldern sind bis zu zehn über- und nebeneinanderliegende Grundwasserleiter entwickelt. Das Oberflächenwasser und das Grundwasser über der Braunkohle flossen früher konsequent der Pleiße und Gösel als tiefsten natürlichen Entwässerungsbahnen bzw. Vorflutern der Region zu. Der Aufstiegsweg des tieferen Wassers, vor allem der sandig-kiesigen Grundwasserleiter unter und zwischen der Braunkohle, war durch Kohle und Tone blokkiert, sodass sich ein hoher Wasserdruck aufbaute. Es ist zu vermuten, dass vor dem Eingriff des Menschen das aus den Hochflächen zuströmende Tiefenwasser so stark gespannt war, dass es bei einem Anschnitt – beispielsweise durch Bohrungen – artesisch zutage getreten wäre. Zur Trockenhaltung des Tagebaues bis zur tiefsten Arbeitsebene wurden die Grundwasserleiter durch viele hundert Filterbrunnen am Tagebaurand entwässert bzw. entspannt. In den 1980er Jahren betrug die Wasserförderung aus Filterbrunnen rund 18 bis 20 Mio. m³/Jahr oder rund 50000 m³/Tag. Der Tagebau lenkte den gesamten unterirdischen Wasserstrom des weit nach Osten und Südosten reichenden Einzugsgebietes auf sich. Mit dem Ende der Wasserhaltungsmaßnahmen füllen sich der Porenraum der in Form eines riesigen Trichters entwässerten Schichten und die im Tagebau verbliebenen offenen Hohlräume. Besäße das mit Wasser sich füllende Tagebaurestloch, der kommende See, keinen oberirdischen Abfluss zu einem Vorfluter, stellte sich nach Jahren ein Wasserspiegel ein, der im Niveau der Grundwasseroberfläche des benachbarten oder angeschnittenen höchsten stärkeren Grundwasserleiters liegt. Das wäre im Falle des Störmthaler Sees um +118 bis 120 m NN. Da beide Seen durch einen Kanal verbunden werden und der Markkleeberger See an die Kleine Pleiße angeschlossen wird, tritt das in einigen Jahrzehnten vorwiegend aus Grundwasser des Einzugsgebietes bestehende Seewasser wieder in den größeren Kreislauf ein, wie vor dem Bergbau, nur mit einem um viele Kilometer verkürzten Sickerweg. Der See schließt wie der Tagebau auf unabsehbare Zeit die angeschnittenen Grundwasserleiter kurz. Er kommandiert künftig weithin die Grundwasserbewegung des Hinterlandes, freilich gegenüber dem offenen Tagebau und der Filterbrunnenentwässerung stark gedämpft. Der Grundwasserspiegel der höheren Grundwasserleiter wird auf einem viele Quadratkilometer großen Areal im östlichen Vorland des Sees unter dem Niveau vor dem Eingriff des Bergbaues liegen. Da das Druckpotenzial, wenn auch reduziert, noch existiert, erscheint es möglich, dass dem See künftig sogar Tiefengrundwasser in bedeutender Menge zufließt und auf kurzem Wege über den See an die Pleiße abgegeben wird. Auch das in den an die Seen angrenzenden Kippmassen versickernde Wasser tritt zu einem Teil in nördlicher wie östlicher Richtung in die Seen ein. Doch hält die geringe Durchlässigkeit (Permeabilität) der Kippensedimente die Menge in engen Grenzen. Als