Eine spanische Eröffnung. Harald Kiwull

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Eine spanische Eröffnung - Harald Kiwull Lindemanns

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Lokal an der Straßenecke mit den dunklen Holzfässern als Tische vor der Tür. Oft dieselben sympathischen Gäste, die ich zumeist schon lange kenne und die mich mögen. Angenehme, herzliche Menschen. Immer wieder interessante Begegnungen und ein großartiges Training der spanischen Sprache. Natürlich deutlich kurzweiliger als der Unterricht in der Schule.

      Mit Antonio hatte ich hin und wieder persönliche Lebenserfahrungen ausgetauscht, ein bisschen spanisch-deutsche Vergleiche, und auch einiges von meinem Beruf erzählt. Das interessierte ihn ganz besonders, denn bei ihm war vor einiger Zeit eingebrochen und sein gesamtes Erspartes geraubt worden. Es war ziemlich rätselhaft, denn der Zugang erfolgte über ein extrem schmales Fenster, dessen Scheibe eingeschlagen worden war. Vermutlich hatten die Ganoven ein kleines Kind durch die Öffnung geschoben, das dann alles durchwühlt und tatsächlich sein Versteck gefunden hatte. Natürlich gab es von den Tätern keine Spur.

      Es war besonders tragisch, weil es sehr viel Geld war. Er wollte am Ende des Jahres sein Lokal verkaufen und in den Ruhestand gehen. Der Ertrag und seine Ersparnisse sollten ihm das ermöglichen. Damit war es nun nichts. Er musste sein Lokal weiter führen – was mir allerdings sehr recht war, weil ich mich bei ihm so wohl fühlte. Er brauchte ein Jahr, um psychisch über den Schicksalsschlag hinwegzukommen. Aber jetzt war er wieder der Alte.

      Natürlich fragte ich ihn damals, warum er so viel Geld zu Hause aufbewahrte, aber er antwortete ausweichend. Vermutlich war es das in Jahren angesammelte Schwarzgeld.

      Die Ruheständler heißen übrigens in Spanien bedeutungsvoll: „Jubilados“. Was für ihn, dem nun wirklich nicht zum Jubeln zu Mute war, ganz besonders makaber klingen musste.

      Nach einiger Zeit erzählte ich ihm, was mir passiert war. Und er versuchte, mit mir zu überlegen, was dahinter stecken könnte. Aber wir kamen zu keinem Ergebnis, und es war klar, dass er mir auch nicht weiterhelfen konnte. Ich beschrieb ihm die Männer, aber bei ihm in der Bar waren sie bisher nicht aufgetaucht.

      Etwas später setzte ich mich an einen Tisch im Hintergrund, nachdem ich einige köstliche Tapas bei ihm bestellt hatte: Gambas al Ajillo, Albóndigas und Patatas Bravas. Außerdem stellte er eine Flasche Wein vom Ribera del Duero vor mich hin. Er wusste, dass das mein Lieblingswein war.

      Das Lokal hatte sich gefüllt, an der Theke standen inzwischen in einer Gruppe zwei, drei Frauen und mehrere Männer, die sich ziemlich lärmend unterhielten. Einer von ihnen lachte immer wieder unerträglich laut. Was mich sonst nicht störte, ging mir heute ziemlich auf die Nerven. Ich grübelte weiter vor mich hin, natürlich ohne Erfolg. Aber allmählich kam ich etwas zur Ruhe und fing an zu überlegen, wie ich mich in Zukunft verhalten sollte und was ich unternehmen könnte. Das hilflose Opfer zu bleiben, gefiel mir natürlich gar nicht.

      Einige Zeit danach blickte ich auf, als sich Paquita durch den Gästepulk schob und, nachdem sie von allen laut begrüßt worden war, strahlend an meinen Tisch trat. Hübsch anzusehen mit ihrem dicken, blonden Zopf, einem weiten, hellgrauen Pullover, einer engen, schwarzen Hose und hohen Stiefeln. Sie hat wirklich ein reizendes Lächeln, dachte ich und küsste sie rechts und links auf die Wangen. Sie setzte sich zu mir.

      Sofort bemerkte sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Und um ihren Fragen zuvorzukommen, erzählte ich ihr auch die ganze Geschichte. Ziemlich entsetzt hörte sie mir zu und legte mitfühlend die Hand auf meinen Arm. Als ich fertig war, schwieg sie einen Augenblick. Dann straffte sie sich, setzte sich kerzengrade auf und erklärte mir, dass es ausgeschlossen sei, dass ich weiter im Haus in der Sierra wohne. Natürlich würden die Kerle zurückkommen, denn sie hätten ja offensichtlich nicht erreicht, was sie wollten. In ihrem Haus in El Pinar, einer kleinen Ansiedlung über Alcossebre in den Bergen, gebe es unten eine kleine Wohnung, da könne ich den Rest meiner Zeit gut wohnen. Sie hatte das Haus, wie sie mir schon früher erzählte, von ihren vor zwei Jahren bei einem Autounfall verunglückten Eltern geerbt und war dahin umgezogen.

      Eine Stunde später folgte ich ihr mit meinem geliebten alten roten Lancia die gewundene schmale Straße hinauf.

      Im Haus in der Sierra hatte ich zuvor in aller Eile die Sachen zusammengepackt, immer mit dem ungemütlichen Gefühl, dass ich überraschenden Besuch bekommen könnte. Aber erfreulicherweise tauchte niemand auf. Die Eingangstür verschloss ich, nachdem ich aus alter Gewohnheit wieder ein Blatt in den Türspalt geklemmt hatte. Ich überlegte kurz, ob ich eventuellen Gästen eine vernichtende Botschaft auf dem Tisch hinterlassen sollte. Aber mir fiel nichts Originelles ein.

      In El Pinar schwenkte Paquita ein kurzes Stück wieder den Berg hinunter und dann im Bogen durch ein offenes, hohes Eisentor vor ein großes, altes, weißes Haus, das kurz im Scheinwerferlicht auftauchte. Ich stoppte daneben.

      Nachdem ich aus dem Auto ausgestiegen war, blieb ich abrupt stehen. Der Blick von hier oben war atemberaubend.

      Es war sehr spät geworden. Der Wind hatte sich gelegt. Tief unter uns glänzten die nächtlichen Lichter des Ortes. Das dunkle Meer erstreckte sich endlos weit nach beiden Seiten und in die Ferne, verlor sich im Horizont. Der tiefstehende Mond zeichnete eine lange, silberne Spur über das Wasser. Links herüber schimmerte der weiße Leuchtturm von Alcossebre und in großer Distanz leuchteten die Lichter der Hafeneinfahrt von Peñíscola. Hinter uns ragten dunkle Bergketten empor. Es herrschte eine fast unwirkliche Stille. Und über uns ein unglaublicher Sternenhimmel, wie man ihn nur sehen kann, wenn es ringsumher ganz dunkel ist.

      Auch Paquita hatte innegehalten. Sie wusste, wie dieser Anblick auf ihre Gäste wirkt. Sie ließ mir Zeit.

      Es war schon weit nach Mitternacht, als ich mein Handy hervorkramte. Paquita hatte mir die Räume der kleinen Wohnung im Erdgeschoss gezeigt und war dann mit einer Kusshand in die obere Etage verschwunden.

      Jan in Karlsruhe meldete sich sofort. Er gehört zu den Menschen, die erst bei Anbruch der Nacht richtig lebendig werden. Er ist ein guter, alter Freund von mir, verhinderter Jurist und seit Jahren Privatdetektiv. In der Vergangenheit war er mir oft eine große Hilfe gewesen.

      „Ja hallo Maximilian, das ist aber eine große und noch dazu nächtliche Überraschung. Wie geht es dir in südlichen Gefilden?“, rief er äußerst munter und sehr laut ins Telefon.

      Wieder einmal war diese ausgeprägte nächtliche Überaktivität für mich verblüffend. Ich fühle mich zwar auch am Abend wohler als am Morgen. Aber irgendwann ist dann auch Schluss. Nicht so bei Jan.

      „Alles ganz wunderbar hier – bis heute.“

      Ich zögerte: „Na ja, eigentlich schon bis vor ein paar Tagen.“

      „Wieso? Was ist passiert?“

      Zum dritten Mal erzählte ich meine Geschichte. Er hörte mir zu, ohne mich zu unterbrechen, offensichtlich ganz konzentriert. Das schätze ich auch an ihm, dass er zu den Menschen gehört, die zuhören können. Leider sind es ja eher wenige, die es schaffen, mal einige Zeit nicht an sich selbst zu denken.

      „Maximilian, Maximilian“, stöhnte er, als ich fertig war. „Das darf doch wohl nicht wahr sein, dass du wieder in irgendwas verstrickt bist. Was um Himmels Willen hast du angestellt, dass wieder jemand hinter dir her ist?“

      Es war ja tatsächlich so, dass mir in der Vergangenheit diese merkwürdigen und auch gefährlichen Dinge passiert waren. Noch gar nicht lange war es her, dass ich überfallen wurde und in große Gefahr geriet. Es war eine schwere Zeit gewesen. Aber schließlich hatte ich es, auch durch Zufall und Glück geschafft, die Probleme zu lösen. Und eigentlich war ich der Meinung, dass damit mein Kontingent an üblen Erlebnissen wirklich gedeckt sein sollte. Aber offenbar war das Schicksal, oder wer auch immer, anderer Meinung.

      „Jan, du hast vollkommen recht.

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