Eine spanische Eröffnung. Harald Kiwull

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Eine spanische Eröffnung - Harald Kiwull Lindemanns

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du keine Ahnung, was und wer dahinter stecken könnte?“ Er zögerte. „Vielleicht hängt es mit deinem Beruf zusammen! Aber ein Überfall in Spanien deswegen, ist doch wohl eher nicht vorstellbar? Hast du dort irgendwelche Feinde?“

      In früheren Zeiten hatte Jan immer wieder kreative Ideen, wenn es darum ging, kriminelle Zusammenhänge zu erkennen. Aber ich merkte, dass er jetzt hilflos war.

      Etwas lauter fügte er an: „Hoffentlich bist du aus deinem Haus aus- und in ein Hotel gezogen! Die Kerle haben sicher nicht aufgegeben!“

      Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich antwortete: „Ja sicher. Ich schlafe jetzt bei Paquita, der Postbotin von Alcossebre.“

      Am anderen Ende herrschte Schweigen. Meinem Freund hatte es die Sprache verschlagen.

      Ich setzte noch hinzu: „Weißt du, sie donnert mit ihrem Motorrad, einer spanischen ‚Rieju‘, durch den Ort und fährt die Post aus. Das hat mir gut gefallen. Ziemlich sexy.“

      Es kommt nicht oft vor, dass Jan um eine Antwort verlegen ist. Aber es kam weiterhin nichts von der anderen Seite. Also sprach ich weiter: „Die Maschine stammt übrigens aus dem katalanischen Figueras, du weißt, der Heimatstadt von Salvatore Dalí. Irgendwie alles ein bisschen speziell.“

      Ich konnte ihn mir lebhaft vorstellen, wie er da in seinem bequemen Sessel saß und den Kopf schüttelte.

      „Ich kann dich beruhigen“, sagte ich nach einer Weile. „Sie ist eine ganz reizende junge Frau und außerdem noch äußerst attraktiv. Ich habe sie kennengelernt, und wir haben uns angefreundet. Ich habe ihr von meinen Problemen erzählt. Sie bewohnt ein großes Haus auf dem Berg und hat mich unten einquartiert.“

      „Gleich wirst du noch sagen, das alles dient nur dem Training der Sprache“, brachte er schließlich spöttisch heraus. „Aber jedenfalls bist du einigermaßen außerhalb der Reichweite der Typen.“

      Er wurde wieder ernst. „Aber hast du mich deswegen zu dieser Zeit angerufen? Das ist doch eher nicht deine Kernzeit für Aktivitäten?“

      Ich hatte nicht einschlafen können in der vergangenen Stunde. Offenbar war ich durch die Ereignisse des Nachmittags so aufgedreht, dass ich innerlich nicht zur Ruhe kam. Obwohl ich eigentlich fand, dass ich ein ganz entspannter Typ war. Aber das war wohl eine ziemliche Selbsttäuschung.

      Jedenfalls war ich ins Grübeln gekommen und hatte einen vagen Plan entwickelt. Und für den brauchte ich Jans Hilfe.

      „Meine Hilfe? Wie kann ich dir helfen? Ich bin hier in Karlsruhe und du in Spanien.“

      Ich erzählte ihm, was ich vorhabe, und hatte wieder das Bild vor Augen, wie er seinen Kopf schüttelte.

      Aber erstaunlicherweise und zu meiner Verblüffung schien er meine Idee gar nicht für so abwegig zu halten. „Maximilian, ich weiß aus der Vergangenheit, du bist einer solchen Situation gewachsen. Und es ist klar, dass du etwas unternehmen musst, aber auch, dass du dich damit einer großen Gefahr aussetzt. Ich habe den Eindruck, mit deinen Gegnern ist nicht zu spaßen. Also: Äußerste Vorsicht und exakte Planung. Aber ich weiß nicht, wie du das allein schaffen kannst. Es ist wirklich schade, dass ich nicht dabei bin und dir helfen kann.“

      Er setzte hinzu: „Aber meinen Teil erledige ich gleich morgen früh. Du kannst dich auf mich verlassen. Halte mich auf dem Laufenden.“

      Das Gespräch war eigentlich beendet, aber er zögerte. Ich merkte, er hatte noch etwas auf dem Herzen.

      „Was ist? Du willst irgendwas sagen?“

      „Ich weiß nicht, ob ich das ansprechen darf.“ Er ließ sich einen Augenblick Zeit. „Aber du hast mir im letzten Jahr von der tollen Begegnung mit deiner früheren Freundin Felicitas erzählt, nach vielen Jahren, von der schönen Zeit zusammen. Und du warst so glücklich. Sie wohnt doch auch in Spanien? Irgendwo dort oben in den Bergen?“

      Ich lehnte mich nachdenklich zurück. Er hatte ja so recht. Felicitas, eine Jugendliebe aus Hamburger Studentenzeiten, die mysteriös über viele Jahre verschwunden und dann überraschend, inzwischen Richterin am Landgericht Berlin, wieder aufgetaucht war. Eine wunderbare gemeinsame Zeit hatte sich angeschlossen.

      Nach dem Tod ihres spanischen Großvaters war sie zur Unterstützung ihrer Großmutter nach Spanien umgezogen und hatte sich zunächst einige Zeit beurlauben lassen. Aber dann war sie aus dem Richterdienst ausgeschieden und Teilhaberin einer Anwaltskanzlei in Valencia geworden.

      „Du hast mich etwas traurig gemacht mit deiner Frage. Das Letzte, was ich von ihr gehört habe, kam aus Argentinien. Sie arbeitet dort für längere Zeit in einer Filiale ihrer Kanzlei.“ Ich schwieg einen Augenblick. „Wir telefonieren, und sie schreibt mir ab und zu. Aber ich habe sie wieder verloren.“

      Jan versuchte mich noch mit einigen ziemlich kreativen Worten über verschiedene Eigenarten der Post aufzumuntern und verabschiedete sich.

      Aber offenbar hatte mir die Umsetzung des ersten Schrittes meines Projektes und vor allem der Kontakt mit meinem lieben Freund Jan doch geholfen. Ich wurde innerlich immer lockerer und mir langsam auch wieder der vollkommenen Stille bewusst. Ich versuchte, mich ganz von der Erinnerung an den Nachmittag zu lösen.

      Dieses großartige Land stärkte mich innerlich. Über Jahre hinweg war ich hier immer wieder dort zur Ruhe gekommen. Die unverkrampften, liebenswerten Menschen, die ich hier bei vielen Besuchen, oft auch ganz spontan, kennengelernt hatte, taten mir richtig gut. Und es war schön festzustellen, dass ich ihnen auch wichtig geworden war. Mit der Sprache, um die ich mich seit Jahren bemühte, kam ich ihnen nahe und begann ihre Gefühle für das Leben zu begreifen. Meine Welt war dadurch reicher geworden. Es waren keine Begegnungen im touristischen Vorübergehen, sondern Beziehungen, die in Jahren gewachsen waren. Ein wunderbares, beglückendes „zweites spanisches Leben“.

      Und dazu noch in dieser für Spanien eher ungewöhnlichen Region. Einer weiten grünen Landschaft mit goldenen Orangen und Mandarinen an den Bäumen, mit den Artischockenfeldern, den blühenden Mandeln und einer Trüffelernte zweimal im Jahr. Ein Spanienkenner hatte mir einmal gesagt: Wenn du dich in Spanien längere Zeit aufhalten oder sogar niederlassen willst, dann musst du horchen, ob dort Vögel singen. Hier wurde ich regelmäßig durch den Gesang der Vögel geweckt.

      Und nur eine Stunde entfernt in das Land hinein eine unglaublich wilde, urtümliche Berglandschaft mit so bizarren gewaltigen Felsformationen, dass man verstummt. Das Maestrazgo mit den uralten Orten Morella, Catí, San Mateo oder Ares del Maestrat, über tausend Meter hoch gelegen. Ein Paradies für den, der es erkennt.

      Schon fast eingeschlafen merkte ich, wie mir diese Gedanken halfen und mich entspannten.

      Kaffeeduft weckte mich. Auf der Terrasse vor meinen Räumen hantierte Paquita und deckte den Frühstückstisch unter einem Sonnenschirm. Ich sprang unter die Dusche und trat nach wenigen Minuten durch die große Glastür hinaus auf die mit Granitfliesen in unterschiedlichen Farben gepflasterte weite Fläche. Etwas seitlich befand sich ein Schwimmbecken und dahinter drei große Palmen.

      Mir war gestern die Lage des Hauses nicht klar geworden. Der obere Teil, in dem Paquita wohnte, war etwas zurückgelagert. Weil das Gebäude terrassenartig in den schrägen Hang gebaut worden war, konnte man dort ebenerdig von der Seite hineingehen. Davor war ein weiträumiger Balkon mit einer umlaufenden Brüstung, über der unteren Wohnung, die ich bezogen hatte.

      Eine Außentreppe führte nach oben und über diese brachte Paquita gerade

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