Eine spanische Eröffnung. Harald Kiwull

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Eine spanische Eröffnung - Harald Kiwull Lindemanns

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Keiner aus Deutschland.

      Drüben hinter der Carretera stieg das Gelände leicht an. Zunächst in der Ebene noch die ausgedehnten, grünen Artischockenfelder, dann ging es aber steil hinauf zu den schroffen, grauen Felsen der Sierra d‘Irta. Links oben die dunklen Gemäuer der Ruine des Castillo de Xivert. Und rechts auf dem letzten Gipfel die in der Nachmittagssonne glänzenden weißen Wände der Ermita Santa Lucía.

      Es kam mir ganz unwirklich vor, dass ich erst gestern auf der anderen Seite der Bergkette flüchtend die Hänge hinaufgehetzt war.

      Gegenüber in einer Ecke am Rand des leeren Parkplatzes stand ein dunkelgrauer Kombi mit schwarzen Seitenscheiben. Daneben ein Plastikstuhl unter einem Sonnenschirm. Wahrscheinlich wartete hier eine Vertreterin des horizontalen Gewerbes auf einen Kunden.

      Am Anfang hatte ich nicht gewusst, was diese Plastikstühle und dahinter meist ein geparktes Auto zu bedeuten haben, die man vereinzelt an der Carretera sehen konnte, in den kleinen Einfahrten zu den Orangen- oder Artischockenfeldern. Irgendwann erklärte mir ein Bekannter, dass es Prostituierte waren, Frauen aus Osteuropa, vielleicht auch Spanierinnen, die hier ihrer Arbeit nachgingen. Es waren weiße oder rote Plastikstühle, aber mein Freund konnte mir nicht sagen, ob das etwas zu bedeuten hat. Eventuell, so überlegte ich, ergab sich daraus der Hinweis auf ein unterschiedliches, spezielles Angebot. Es hätte mich natürlich schon ziemlich interessiert, aber ich traute mich nicht anzuhalten, um diese Frage mit den Damen zu besprechen.

      Ein röhrendes Signalhorn ließ mich hochschrecken. Ein schwarzer, langgestreckter Sattelzug bog von der Carretera in die Zufahrt zur Tankstelle. Der Fahrer betätigte zweimal die Lichthupe und schwenkte sein Gefährt dann in großem Bogen hinter das Gebäude neben mein Auto. Das Autokennzeichen begann mit dem vertrauten „KA“ für Karlsruhe.

      Er bremste sein Gefährt ab. Das Fahrerhaus erzitterte, schüttelte sich wie ein mächtiges Tier, als mit einem tiefen, stotternden Brummen und zischenden Luftgeräuschen das Dröhnen des Motors verstummte.

      „Maximilian?“, rief mir der verblüffend junge, schlanke Bursche zu, der aus dem Laster sprang und mir die Hand entgegenstreckte. „Ich bin Harry.“

      Harry war ziemlich plaudrig, vielleicht als Folge der langen, einsamen Fahrt, und erzählte mir bei einem Café con Leche im Tankstellen-Imbiss, dass eigentlich sein Vater die Tour hätte machen sollen. Aber der hatte sich den Fuß verstaucht. „Ich finde es nicht schlecht, dass ich auf diese Weise mal hierher komme und noch weiter nach Südspanien“, lächelte er mich an. „Ich war noch nie dort.“

      Er erzählte mir, dass sein Vater große Stücke auf meinen Freund Jan hielt, weil der ihm mal in einer üblen Situation geholfen hatte. „Es ging damals um viel Geld“, schloss er etwas dubios.

      „Jedenfalls soll ich Ihnen etwas übergeben.“ Er lief raus zu seinem Lastwagen und kam nach einem kurzen Augenblick mit einem kleinen Päckchen in braunem Packpapier zurück. „Hier ist die geheimnisvolle Sendung.“ Er zwinkerte mir zu. „Ich schätze, das ist die leichteste Fracht, die unser Vierzigtonner jemals quer durch Europa gefahren hat.“

      Als ich keine Anstalten machte, es zu öffnen, sah er mich etwas neugierig an. „Mein Vater hat gesagt, ich bräuchte nicht zu wissen, was drin ist. Drogen seien es jedenfalls nicht.“ Er grinste mich an. „Und schließlich sind Sie ja Richter, wie ich gehört habe.“

      Er setzte hinzu: „Mein Vater hat mir übrigens auch noch aufgetragen, ich soll Ihnen von ihrem Freund Jan ausrichten, er wünscht Ihnen ein sensibles Händchen.“

      Wahrscheinlich bereute er jetzt, dass er das Paket nicht unterwegs unauffällig geöffnet hatte.

      Ich sagte lieber gar nichts dazu.

      „In ein paar Kilometern bei Torreblanca fahre ich wieder auf die Autobahn“, rief er mir noch munter durch das geöffnete Seitenfenster zu, als er mit donnerndem Motor anfuhr.

      Den Karton mit zwei Flaschen „Pruno“ vom Ribera del Duero, die ich zum Abschied und Dank überreichte hatte, waren von ihm mit der Bemerkung „Woher wussten Sie, dass ich Rotwein mag?“, schon unter seinem Sitz verstaut worden.

      Punkt eins meiner Planung ist erfolgreich abgehakt, dachte ich auf dem Rückweg nach Alcossebre. Aber auf der ganzen Strecke, auch den Berg hinauf nach El Pinar, registrierte ich sehr sorgfältig den Verkehr um mich herum. Erfreulicherweise tauchte kein Mercedes mit deutschem Kennzeichen auf. Die fröhlichen Menschen auf den Straßen und vor den Cafés am Meer passten nicht so recht zu meiner angespannten Stimmung.

      Oben auf der Terrasse rief ich Jan an, gab die Erfolgsmeldung durch und bedankte mich noch einmal bei ihm. Als er mich fragte, ob ich schon wüsste, wie es weitergeht, antwortete ich ihm: „Ich muss abwarten, ob Paquita mir Informationen bringt.“

      Mit den Worten „Grüße unbekannterweise an deine Mata Hari von Alcossebre“ verabschiedete er sich, nachdem ich versprochen hatte, ihn auf dem Laufenden zu halten. Ich fand das aber gar nicht lustig.

      Ich setzte mich in den Lehnstuhl an der Brüstung neben dem kleinen Tisch, mein Arbeitsplatz von heute Morgen. Der wunderbare Blick hinunter in den Ort und in die Ferne über das Meer vermochte mich nicht zu entspannen.

      Ich begann die Verpackung meines Frachtgutes zu lösen, als mir plötzlich ein Gedanke kam.

      Die Ganoven wollten etwas von mir. Sie waren in das Haus in der Sierra eingedrungen. Zu dem Zeitpunkt wussten sie natürlich, dass ich nicht im Haus war. Also wollten sie nicht in erster Linie mir an den Kragen, sondern sie suchten irgendwas. Das hatten sie offenbar nicht gefunden, und deswegen waren sie hinter mir her, wohl um mich mehr oder weniger höflich zu befragen.

      Warum sollten sie eigentlich ihre Suche auf Alcossebre beschränken. Ich griff zum Handy.

      Jan meldete sich sofort. „Sag bloß nicht, dass es schon was Neues gibt?“

      „Jan, du musst mir noch einen Gefallen tun. Wenn die Typen hier etwas suchen, dann tun sie es sicher auch bei mir zu Hause.“

      Vor einiger Zeit war ich in eine gemütliche, ebenerdige Wohnung in Ettlingen am Vogelsang eingezogen. Nach meinem Auszug aus dem ehelichen Haus hatte ich zunächst über Monate in einem etwas gewöhnungsbedürftigen Zimmer mit schrägen Wänden, Kochecke und Dusche im Dachgeschoss eines Hotels gewohnt. Neben all dem Merkwürdigen dort oben war es zeitweise auch ganz kurzweilig gewesen mit den eigenartigen Mitbewohnern unterm Dach. Schließlich hatte ich dann diese Wohnung in einem alten romantischen Haus gefunden. Dort fühlte ich mich sehr wohl.

      Aber schon einmal war bei mir eingebrochen worden und daraus hatte sich ein Drama ergeben, das ich schließlich nur mit Mühe und Not überstanden hatte. Ich war sozusagen ein gebranntes Kind.

      „Jan, ich habe die große Bitte an dich, dass du meine Wohnung in Ettlingen kontrollierst.“

      Ich hatte damals sicherheitshalber außerhalb des Hauses einen Schlüssel deponiert, auch falls ich ihn selbst mal verlieren sollte. Jan wusste von diesem Versteck. Er war der Experte. Wenn er nichts feststellen würde, dann würde die Polizei auch nichts Auffälliges bemerken. Und ich schon gar nicht.

      „Okay, ich kläre das“, war er sofort bereit. „Aber nach dem, was du erzählt hast, waren sie bei dir in Spanien im Haus, ohne Spuren zu hinterlassen. Also Profis. Da werde ich wohl auch nichts finden. Aber ich versuche es.“

      „Und“, setzte er noch hinzu, „du solltest dir mal Gedanken machen, was sie von dir wollen!“

      Als

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