Dealer, Rapper, Millionär. Die Autobiographie. 50 Cent
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In jedem, der an der Ecke steht, steckt ein Unternehmer, denn in Wahrheit will keiner für jemanden arbeiten. Das absolute Ziel ist es, nur noch für sich selbst zu arbeiten. Aber zunächst einmal gilt es, gut auszusehen. Sie sehen die geilen Klamotten und verpulvern ihr Geld dafür, weil sie sich so inmitten dieser ganzen Scheiße hier im Viertel besser fühlen. Kleider machen nicht nur Leute, sie helfen ihnen auch, ihrem Dasein zu entfliehen. Mag sein, dass ein Dealer auf dem Heimweg denselben verpissten Fahrstuhl nehmen muss wie alle anderen auch, aber er fühlt sich über all das zumindest ein Stück weit erhaben, wenn er neue Kleider und ein bisschen Schmuck trägt. Wenn die Garderobe erst einmal stimmt, erreicht der Dealer die nächste Stufe und beginnt Autos zu kaufen, denn eine Karre ist im Revier ein Erfolgssymbol. Er kann das größte Haus haben, aber er kann in diesem Haus nicht herumfahren, sodass ihn jeder sieht, also ist ein Auto in diesem Wertesystem wichtiger als ein Heim. Die Leute behandeln einen anders, wenn man so aussieht, als hätte man Geld. Kleine Sachen, die einem ganz persönlich Freude machen, kommen also erst ins Spiel, wenn die gesamte Basis stimmt. Und Brian leistete sich bereits Kleinig-keiten wie Musik, während ich immer noch für mein Turnschuhgeld dealte. Ich trug eine Bomberjacke aus Leder über einem neuen Jogginganzug von adidas mit dazupassenden Turnschuhen. Auf der Straße fühlte ich mich, als würde ich meinen Weg machen. Aber hier in diesem Auto kam ich mir vor, als wäre jeder Tag ein Rückschritt.
„Hat Großmama einen neuen Job?“, fragte er.
„Einen neuen Job? Nee, sie hat keinen neuen Job.“
„Dann muss sie eine Gehaltserhöhung bekommen haben.“
„Sie hat keine Gehaltserhöhung bekommen, Mann. Wovon zum Teufel sprichst du?“
„Ich spreche davon, dass du hier Klamotten im Wert von über zweihundert Dollar an dir hängen hast und ich gerade gesehen habe, wie Rhonda von dir wegging. Soweit ich mich erinnere, hat sie nichts anderes als Crack im Kopf.“
Ich sagte gar nichts. Ich konnte nicht glauben, dass dieser Nigger den Nerv besaß, mit mir darüber zu sprechen, was ich tat und was ich nicht tat.
„Und soweit ich mich erinnere“, fuhr er fort, „hat Großmama auch nicht so viel Geld, um zweihundert Dollar für Kleider auszugeben, in denen ihr erster Enkel auf der Straße herumstehen kann und nichts tut.“
„Also?“
„Also dealst du, das weiß ich.“
„Und?“
„Und wenn du hier nur rumstehst, um für ein paar Klamotten zu dealen, wirst du das Spiel am Ende verlieren“, sagte er. „Du kannst dieses Spiel nicht nur für heute spielen; du musst es für morgen spielen, selbst wenn es nie ein Morgen gibt. Für jeden Dollar, den du ausgibst, musst du vier sparen. Nur so kann man richtig Geld machen. Ich sehe doch, wie ihr kleinen Jungs das macht: Sobald ihr einen Penny habt, gebt ihr einen Fünfer aus. Spar dein Geld, und mach was damit.“
Ich war zu neu im Geschäft, um zu begreifen, was er sagte. Alles, woran ich mich erinnern konnte, war, dass er in seinem Zimmer einen Stapel Schuhschachteln hatte, als wir uns das letzte Mal begegnet waren. Und jetzt, kaum dass ich mal ein bisschen was verdiente, machte er mir weis, dass ich es nicht ausgeben sollte. Ich weiß nicht, was mich mehr ankotzte – dass er bei mir mit seiner Kohle angab oder dass er mir erklärte, wie ich mit meiner umzugehen hätte. Jahre später begriff ich, dass Brian nicht knausrig war – er war nur ein Geschäftsmann. Für ihn ging es ums Geschäft, es war nichts Persönliches. Er versuchte, mir diese rein geschäftliche Seite der Dinge zu zeigen, aber das konnte ich damals nicht verstehen.
Ich entgegnete: „Ich werde morgen an morgen denken. Was das Heute angeht, habe ich nur noch eine knappe Stunde hier draußen übrig, und ich verdiene kein Geld, wenn ich hier mit dir herumsitze.“ Brian wendete den Wagen, und ich ging zurück zum Strip. Das Wichtigste, das ich aus unserer Unterhaltung mitnahm, war, dass ich noch einen weiten Weg vor mir hatte, bevor ich richtig Geld verdienen würde. Das war der Moment, als ich begann, mich voll ins Zeug zu legen.
Kapitel 5
„Ich muss nicht in die Kirche gehen, um mit Gott zu sprechen oder in der Bibel zu lesen …“
Eines Sonntagmorgens weckte mich meine Großmutter zum Kirchgang. Ich war den ganzen Tag zuvor und so lange wie möglich in den Abend hinein draußen gewesen und hatte Crack vertickt. Ich hatte ungefähr achtzig Dollar auf meine Rechnung verdient, so viel wie nie zuvor an einem einzigen Tag. Ich war hundemüde.
„Auf geht’s, Boo-Boo“, sagte meine Großmutter. „Du musst dich anziehen.“
„Ich komm ja schon, ich komm ja schon“, sagte ich, aber noch bevor sie das Zimmer verlassen hatte, schlief ich schon wieder tief und fest. Ein paar Minuten später kam sie zurück und rüttelte mich wach. Ich stand nicht mal vom Bett auf. Ich schüttelte sie nur mit meiner Schulter ab und sagte: „Ich will aber nicht hingehen.“
Sie dachte, dass mit mir etwas nicht stimmte. „Was? Bist du krank?“, fragte sie. „Geht’s dir gut? Hast du Bauchschmerzen? Was hast du gestern gegessen? Du warst den ganzen Tag über draußen und hast wahrscheinlich was Unrechtes gegessen. Zu viel Junkfood. Ich geb dir ein bisschen Ginger-Ale.“
„Ich bin okay“, sagte ich. „Ich will nur nicht in die Kirche gehen.“
Sie sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Red jetzt keinen Unsinn, und zieh dich an“, sagte sie. Dann verließ sie das Zimmer, und ich schlief wieder ein. Ich schlief aber nicht mehr ganz fest ein, da ich wusste, dass die Unterhaltung noch nicht zu Ende war. Wie erwartet, kam meine Großmutter nach ein paar Minuten zurück und zog mir die Decke weg. Der plötzliche Kälteschock weckte mich ziemlich schnell auf. Ich sagte ihr, dass ich nicht in die Kirche gehen würde.
„Was soll das heißen, du willst heute nicht in die Kirche gehen?“, fragte sie.
„Ich habe nicht ‚heute‘ gesagt. Ich sagte, ich will nicht in die Kirche gehen. Star geht nicht in die Kirche. Harold geht nicht in die Kirche. Karen geht nicht …“
„Du brauchst mir nicht zu erzählen, wer alles nicht zur Kirche geht! Ich gehe in die Kirche; ich weiß, wer nicht dort ist!“ Ich bekam Angst. Meine Großmutter erhob niemals ihre Stimme, und jetzt schrie sie beinahe. Ich wusste, dass die Kirche ein wichtiger Teil ihres Lebens war. Sie verbrachte den ganzen Samstag damit, Kuchen zu backen, die sie verkaufte, um so der Kirche zu helfen, Geld für die Erhaltung und Renovierung aufzubringen. Ich wusste nicht, wie ich ihr sagen sollte, dass ich nicht stundenlang den Herrn preisen wollte, wenn ich genauso gut unterwegs sein und Drogen verkaufen konnte. Es passte für mich auch nicht zusammen, erst den Herrn zu preisen und dann auf dem Absatz kehrt zu machen, um im Gebüsch und auf der Straße Crack zu verkaufen. Aber das war schon ein ganz anderes Gespräch, für das ich noch nicht bereit war. Zum Glück kam mein Großvater herein.
„Was zum Teufel ist denn hier los?“, fragte er.
„Sprich nicht so am Tag des Herrn, Curtis“, sagte meine Großmutter.
Plötzlich war ich nicht mehr so glücklich darüber, dass mein Großvater hereingekommen war. Er war gerade von seiner Frau zurechtgewiesen worden, und ich war schuld daran. Mein Großvater ballte die Fäuste an den Seiten, als ob