Ich rede zu viel. Francis Rossi

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Ich rede zu viel - Francis Rossi

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sich für mich und gelobte, bald auch eigene Songs zu schreiben. Keiner von uns hätte erwartet, so eine immense Summe mit einer Band zu verdienen. Plötzlich wollte jeder einen eigenen Song für die nächste Single komponieren. Das konnte verdammt nerven. Nicht, weil ich unbedingt im Rampenlicht stehen wollte, sondern weil die anderen mit schlappen Ideen um die Ecke kamen. Alan schlug vor, Musik wie Pink Floyd zu machen, und schrieb einen Song mit dem Titel „Sunny Cellophane Skies“, den er auch sang. Er war gar nicht mal so schlecht, doch lange kein „Interstellar Overdrive“. Rick und ich unternahmen damals die ersten Anläufe als Songwriting-Duo und schrieben „When My Mind Is Not Live“, bei dem Rick den Hauptgesang übernahm. Um es mal höflich auszudrücken: Es war ein Song seiner Zeit. Was bedeutet: ungefähr so kitschig und verklemmt „Sixties“ wie unsere Bühnenklamotten.

      Der größte Missetäter war jedoch ich, da ich viel zu bemüht versuchte, einen offensichtlichen Nachfolger von „Pictures“ zu schmieden, der auf der A-Seite der nächsten Single sein sollte. Es wurde „Black Veils Of Melancholy“, eine Nummer zum sich Winden und Krümmen. Abgesehen vom fürchterlichen Titel, kann man es grundsätzlich als zweites „Pictures“ beschreiben, nur nicht so gut! Das ging sogar bis zum – bitte halten Sie sich die Ohren zu – „Poppa Piccolino“-Gitarren-Lick als Intro. Natürlich war dann auch niemand mehr überrascht als ich selbst, als es ein phänomenaler Flop wurde. Ich dachte, ich hätte es kapiert, das Rad neu erfunden – den klassischen Nachfolger geschrieben, der dem Original glich, aber sich so weit unterschied, um noch interessant zu sein. So sollte das damals eigentlich laufen. Falsch. Ich hatte eine Niete gezogen. Oh Mann, oh Mann …

      Glücklicherweise hatte ich das bei „Pictures“ verdiente Geld in einem Zuhause für mich, Jean und Simon angelegt. Mir war zuvor gelungen, Gott sei Dank, uns aus dem Haus von Jeans Mutter herauszubugsieren, doch es reichte zuerst nur für ein Zimmer bei meinen Eltern. Mit den regelmäßigen Tantiemen mietete ich uns eine Wohnung in der Lordship Lane, Dulwich. Auch Bob Young und seine Frau wohnten in dem Gebäude. Wahrscheinlich kam von ihm der Tipp zur leerstehenden Wohnung. Wir wohnten direkt über ihm, und darunter befand sich der örtliche Co-op-Supermarkt, an den wiederum eine Leichenhalle angrenzte. Ich glaube, man kann „beim Co-op“ immer noch relativ günstige Beerdigungen bestellen. Bob und ich machten einige Witze über Geister und Gespenster, doch weder Jean noch mich juckte das. Es war einfach toll, eine eigene Bude zu haben.

      Das verbleibende Geld aus den Tantiemen steckte ich in die Gruppe, um sie über Wasser zu halten. Als sich „Back Veils“ als Flop erwies, ging mir das am Arsch vorbei. Es schien wohl in den Sternen zu stehen, dass wir nur einen Hit haben sollten. Glücklicherweise schlug das Schicksal aber einen anderen Weg ein. Im Laufe der Jahre tauchte „Pictures Of Matchstick Men“ dann übrigens an allen nur erdenklichen und auch unerwarteten Orten auf. Das reichte von Soundtracks wie Men in Black III und Computerspielen (Mafia 3) bis hin zu Coverversionen von Camper Van Beethoven und sogar Ozzy Osbourne. Die meisten Leute erinnern sich jedoch an die Single im Kontext eines Playback-Clips bei Top of the Pops, wo wir in unseren „Swinging“-Carnaby-Street-Klamotten auftraten. Anscheinend findet sich das Video in nahezu allen Dokus über die Sechziger.

      Sicherlich hatten wir damals einen „Look“, doch wir konnten uns dessen leider nicht rühmen. Tim Boyle, ein junger Modekenner, verwandelte unser Image. Tim arbeitete als Promoter bei der Agentur von Arthur Howe und buchte all unsere Konzerte. Er war es, der die Band in Läden wie Take 6, Lord John und die Carnaby Cavern in der Carnaby Street schleppte. Dort lernten wir den Filialleiter Colin kennen, der auch zu den häufig bei Top of the Pops zu sehenden Tänzern zählte. Colin war ultra cool und gab uns immer Tipps, welche anderen Bands sich in der jeweiligen Woche blicken ließen und sich neue Outfits kauften. Man nahm ein Sakko aus dem Ständer, und Colin warnte: „Nicht, lass das mal. Steve Marriott war gestern hier und hat sich das Gleiche gekauft.“

      Rick und ich ließen die Hosen bei Bona Clouts in Soho speziell für uns anfertigen – echte Eierkneiferhosen mit einem Schlag von ungefähr 50 Zentimeter Gesamtlänge. Die Haare ließen wir uns beim selben Friseur stylen wie alle Bands. Das war damals eine richtige Szene. Es war eine unserer größten Sorgen nach dem Flop von „Black Veils“, dass wir es uns nicht mehr leisten könnten, dort zu shoppen. Noch kurz zuvor hatte sich Pat eines Tages bei einer Probe mit uns zusammengesetzt und erklärt: „Okay, Jungs. Ihr könnt jetzt alle eure Jobs aufgeben. Ich möchte, dass ihr euch von nun an auf das hier konzentriert.“ Damals hatten wir schon einen eigenen Tourmanager – es fühlte sich an, als sei die ganz große Zeit angebrochen – und spielten die sogenannten „Package-Tourneen“, an denen verschiedene Künstler teilnahmen. Wir traten zusammen mit Gene Pitney auf und Love Affair, und jeder spielte ungefähr 20 Minuten. Dann aber sah es plötzlich so aus, als müssten wir wieder bei den alten Arbeitgebern anklingeln. In der Hinsicht lagen die Nerven blank. Auch wenn es gut lief – wie zum Beispiel mit „Matchstick Men“ –, glaubte niemand, dass die Band fünf Jahre überdauern würde – im besten Fall vielleicht und wenn wir das Glück an unserer Seite hätten! Ja, so lassen sich die damaligen Perspektiven von Musikern durchaus beschreiben. Und falls wir kein Glück hätten – na ja, unzählige One-Hit-Wonder hatten die Charts bereits zugemüllt. Wenn eine neue Platte also nicht lief – was bei unserem „Status“ häufig vorkam –, stand man schon am Rande der Verzweiflung. Wenn es funktionierte, wie bei „Matchstick Men“, vollführte man wahre Luftsprünge, doch nur wenige Tage lang, denn dann setzten die Sorgen erneut ein, ob es gelänge, einen würdigen Nachfolger zu kreieren.

      Glücklicherweise rettete uns diesmal das Songwriter-Team Marty Wilde und Ronnie Scott, das der Band ein höchst eingängiges kleines Liedchen, betitelt „Ice In The Sun“, „vermachte“. Marty hatte sich als Sänger schon in den späten Fünfzigern mit Coverversionen amerikanischer Hits wie „A Teenager In Love“ und „Sea Of Love“ einen Namen gemacht. Ronnie seinerseits war ein Pop-Impresario, Promoter, Manager und Hit-Songwriter, wie er im Buche stand. Beide lassen sich als Hitschmiede alter Schule charakterisieren, und wir schätzten uns glücklich, sie auf unserer Seite zu wissen. Ronnie arbeitete für Valley Music, und Marty hatte schon seine eigene Fassung des Songs mit einem Orchester aufgenommen, die meiner Meinung nach sehr gut klang. Unsere Version – die Marty im Studio anhörte – ging eher in Richtung „Psychedelic Pop“. Der Meisterstreich ging auf sein Konto, denn während eines „inspirierten Hochs“ strich er eine Münze über Klaviersaiten, die dieses kleine zischende Geräusch verursachte, das man beim Refrain hört. Das glich dem Dekorieren eines Weihnachtsgeschenks mit Lametta, ein Feinschliff, der dem ganzen Stück eine besondere Note verlieh.

      Uns half dieser Gag, womit die Band sich über ihren zweiten Top-10-Hit in dem Jahr freuen konnte. Mein Gott, was war ich zufrieden! Oder eher erleichtert? Wir „überlebten“, um in die nächste Schlacht zu ziehen, und verprassten noch mehr Geld für Klamotten in der sündhaft teuren Carnaby Street. Auf einer praktischen Ebene bedeutete das endlich, Shows unter dem eigenen Namen zu spielen, zu denen sogar nach und nach kreischende Teenie-Mädchen kamen. Tja, meist waren es 50 am Abend. Doch wer zählte das schon? Okay, wir haben gezählt. Besonders Rick, der verdammt eifersüchtig werden konnte, wenn die Mädchen ihre Namen und Telefonnummern mit Lippenstift auf die Seite des Vans kritzelten und ihn nicht erwähnten. Mir waren die meisten gewidmet! „I love you Mike XXX“ – wie man mich damals noch nannte. Das lag aber nicht an meinem Aussehen, denn in dieser Kategorie war Rick immer der Sieger, sondern an der Tatsache, dass ich der Sänger war. Ich begriff das. Rick hingegen mochte das überhaupt nicht. Wenn er dachte, wir würden es nicht sehen, schrieb er sogar seinen eigenen Namen mit Lippenstift auf den Van. „I love you Ricky XXX.“ Er sah sich als Meisterfälscher, doch alle wussten, dass Rick einen eigenen Lippenstift benutzte.

      Nutzten wir die Situation mit den Girls aus? Na klar. Wir waren blutjunge Teenager auf dem Höhepunkt der Sixties, in denen die freie Liebe zur Tagesordnung gehörte und wir eine scheinbar unbegrenzte Auswahl hatten. Es wäre verdammt komisch gewesen, hätten wir uns anders verhalten. Natürlich liebte ich Jean und meinen Sohn. Ich war aber auch ein ganz normaler heißblütiger und dummer Teenager. Aber nicht nur das, sondern auch ein Teenager, der im Fernsehen gewesen war und dem sich jetzt schreiende Mädchen an den Hals warfen. Die Tatsache, auf Tour und

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