Ich rede zu viel. Francis Rossi

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Ich rede zu viel - Francis Rossi

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Hinweis, wie wir die Besucher beglücken konnten, lieferte Roy, als er den Leadgesang bei einer wirklich schmalzig-süßlichen Fassung von Elvis’ „I Can’t Help Falling In Love“ übernahm, die er wie ein Pub-Sänger brachte, der sich am King versuchte. Das löste einen regelrechten Begeisterungstaumel aus. Die Zuschauer standen am Ende auf und applaudierten frenetisch. Nun lernten wir eine weitere bedeutende Lektion: Es war vollkommen egal, welche Songs wir mochten, es zählte nur, welche Songs das Publikum mochte. Das war eine immer gültige Regel, die sogar noch nach der Veröffentlichung der ersten Platten und den ersten Hits Bestand hatte. Auf Alben darf man problemlos seine „künstlerischen Visionen“ verwirklichen, doch Gnade dir Gott, wenn du die Hits nicht live spielst.

      Diese Regel gilt besonders, wenn man vor einem zahlenden Publikum auftritt, denn eben dieses hält das Zepter in der Hand und nicht du. Wir lernten die harten Fakten bei Butlin’s und vergaßen sie nie. Man beobachtete das auch bei den anderen Bands, wie sie sich anpassten und das spielten, was den Massen gefiel. Eine Band, die Olympic Five, arbeiteten sich durch ihr Set, bis sie zu dem Song mit dem Titel „The Hucklebuck“ kamen, diese Chubby-Checker-Nummer, ein Nachfolger des populären Hits „The Twist“, die aber nie in Großbritannien erschien. Die Band hatte eine optimale Fassung des Titels ausgearbeitet, die großartig ankam. Je betrunkener die Menge wurde, desto frenetischer reagierte sie. Wenn die Gruppe mit „The Hucklebuck“ startete, rastete der ganze Laden aus.

      Wir schauten uns das an und dachten – okay, das haben wir kapiert! Nun wussten wir, was man machen musste. Allerdings hatten wir noch nicht die richtigen Songs. Nach unseren Erfahrungen bei Butlin’s konnten wir aber mit zwei wichtigen Aspekten auftrumpfen – wir waren eine dynamischere Live-Band und besaßen größere Professionalität. Auch hatten wir – obwohl das noch niemand von uns wusste – ein neues Bandmitglied in unseren Reihen. Sein Name lautete Ricky Harrison, und als ich ihm das erste Mal begegnete, war ich überzeugt, dass er schwul ist, obwohl wir das Wort damals nicht benutzten. Volles blondes Haar, knallenge Hosen und ein Grinsen bis über beide Ohren. Überaus freundlich. Und das genau machte mich stutzig, denn ich war es nicht gewohnt, wenn sich andere Jungs so nett verhielten. Ich kannte nur Muskel­protze und harte Kerle. Und dieser Ricky Harrison glich ihnen in keiner Weise.

      Wie sich herausstellte, spielte er in dem Jahr mit einer anderen Band bei Butlin’s – einem kleinen Kabarett-Trio namens The Highlights, das aus Ricky und zwei Mädchen bestand – Zwillingen mit den Namen Jean und Gloria Harrison. Die Mädels hatten dunkle Haare, und Ricky war blond, was im Kontrast ihr Image ausmachte. Sie begannen ihre Show mit „Whole Lotta Shakin’ Going On’“ und einigen anderen gefälligen, Publikums-tauglichen Nummern, wonach die Mädels sich zu einem Kostümwechsel zurückzogen und Ricky „Baby Face“ sang. Kitschig bis zum Abwinken, doch das Publikum liebte es.

      Sie waren für das Gaiety Theatre gebucht, das im Gegensatz zu unserem Schuppen hauptsächlich von Omis und Kids besucht wurde. Man sollte den Eindruck haben, dass Ricky der Bruder der beiden Mädels war, was wir auch glaubten, bis er uns erklärte, dass dies alles Teil des Konzepts sei. Er verriet uns seinen richtigen Namen, Richard Parfitt, und dass er das Parfitt seit jeher nicht möge, weshalb sich Harrison angeboten habe. Natürlich muss man nicht erwähnen, dass er sich ganz und gar nicht wie ein Bruder verhielt und mit beiden zu bestimmten Zeiten Affären hatte. Diese spezielle Art des Beziehungs-Wirrwarrs sollte sich – wie wir, und besonders ich, schon bald herausfanden – wie ein roter Faden durch Ricks ganzes Leben ziehen.

      Rick war während eines Gigs am Nachtmittag auf uns zugekommen und hatte sich vorgestellt. Als er sah, was wir machten, stellte sich ziemlich schnell heraus, dass er lieber in einer Popband spielen wollte, da es besser zu ihm passte, als mit zwei Mädels zu trällern. Er war ein großer Cliff-Richard-Fan und sah sich in seinen Träumen als frühen Cliff, einen ungezogenen, aber liebenswürdigen Rock’n’Roll-Sänger. Ich mochte ihn auf den ersten Blick, obwohl ich annahm, er sei eine Tunte, ein Begriff, den wir damals benutzten. Als er mich über seine sexuelle Orientierung aufklärte, konnte ich es kaum fassen.

      Rick freundete sich schnell mit mir und Alan an. Da Roy so viel älter war und John ein unbeschriebenes Blatt, wie man so sagt, fand ich es toll, einen gleichaltrigen Freund an meiner Seite zu wissen, mit dem man sich herumtreiben und Spaß haben konnte. Rick wurde sieben Monate vor mir geboren, im Sternzeichen Waage – eins der Zeichen, mit dem Zwillinge wie ich gut harmonieren. Er stammte aus Woking, Surrey, das im Grunde genommen tief im Südwesten Londons liegt, nahe genug an der Gegend, aus der Alan und ich kamen, womit er beinahe einer von uns war.

      Rick war einfach nett und locker, ein Mensch, den man gerne in seiner Nähe weiß. Im Gegensatz zu mir plagten ihn weder Ängstlichkeit noch Unsicherheit. Ihm fiel scheinbar alles zu. Zumindest hatte man den Eindruck. Rick war Einzelkind, der wie die meisten alleine aufwachsenden Kids mit Liebe und Zuneigung überschüttet worden war – jedoch nicht so verzogen, dass er meinte, er sei unschlagbar. Rick sah immer die positiven Seiten. Er gab niemals auf, war einer der Menschen, die immer positiv denken („Warum sollte ich mir Sorge machen?“), einer derjenigen, die mit strahlendem Lächeln im Gesicht herumlaufen, von denen man gemocht werden will. Schon allein aus dem Grund wurden wir schnell Freunde, aber auch, weil er mir so wenig ähnelte, für mich eher ein Vorbild darstellte. Erst viel später erfuhr ich, dass Rick tatsächlich so wie ich werden wollte, aber dazu kommen wir noch.

      Rick bewies mir seine Freundschaft, als man mich aus der Unterkunft warf, in der wir wohnten. Ich hatte dort mit einem Mädchen geschlafen, und sie erwischten mich dabei. Es war das Mädchen, das ich bald heiraten sollte. Sie hieß Jean Smith und arbeitete mit ihrer Schwester Pat im Butlin’s. Ich weiß, dass es unglaublich schmalzig klingt, aber als ich sie das erste Mal ins Visier nahm, schwor ich mir: „Ich werde sie heiraten.“ Ich wusste es einfach.

      Ich werde niemals den Morgen vergessen, an dem man mich rausschmiss, denn es war der Tag, an dem Jean und ich zum ersten Mal Sex miteinander hatten. Sie war noch Jungfrau – wie damals alle „braven Mädchen“ vor der Hochzeit, ha, verdammt noch mal, ha, ha, ha –, und ich hatte meine Probleme, ihr meinen Pimmel reinzustecken. Wir versuchten es zwei oder drei Tage hintereinander, bis mir endlich die große Tat gelang. Als es endlich funktionierte, war es mehr Erleichterung als alles andere. Ich zweifle stark daran, dass einer von uns Spaß dabei hatte. Wir machten uns jedenfalls an jenem Morgen gerade wieder ans „Spiel“, als die Hauswirtin – eine fiese, fette Schottin – reinplatzte und mich wortwörtlich von Jean herunterriss.

      Zuerst warf sie Jean raus – „Du verdorbene Schlampe“ – und dann mich. Ich musste mich dann damit abfinden, allein am Strand zu nächtigen, bis mir Rick zu Hilfe eilte, indem er Jean sein Zimmer überließ und anbot, sich am Strand zu mir zu gesellen. Wir schliefen die nächsten Nächte unter einigen alten Liegestühlen, die wir zu einer Art Hütte zusammenstellten. In anderen Nächten hockten wir uns in Telefonzellen oder schliefen in öffentlichen Toiletten.

      In dieser Zeit näherten wir uns freundschaftlich an, während mein ehemals gutes Verhältnis zu Alan einer Achterbahnfahrt glich. Wir fetzten uns ständig. Wenn Rick die Streitereien erlebte, fühlte er sich höchst unwohl. Eines Tages kamen wir gerade von der Bühne und schlugen uns beinahe die Köpfe ein. Ich habe Gewalt immer gehasst, habe danach immer geweint. Ich glaube aber, dass Rick durch den Zwischenfall noch mehr aus der Bahn geworfen wurde als Alan oder ich. Als Nächstes verzog sich Alan mit einer der Zwillingsschwestern, aber ich kann mich nicht genau erinnern, mit welcher er schlief. Sie ähnelten sich so sehr! Rick stand in dem Moment neben sich selbst, denn er war total in Jean verknallt (der von seiner Band, nicht in meine Jean). Obwohl ich vermute, dass Alan sich Gloria schnappte, stieg der Zwischenfall Rick zu Kopf. Davon abgesehen, verstanden sich Rick und Alan verdammt gut. Sie waren im selben Alter, teilten ähnliche Interessen und standen beide auf Mode – Alan mit seinen aufgemotzten Anzügen und Rick mit den knallengen Hosen.

      Als sich die Saison ihrem Ende näherte und wir uns auf die Rückkehr nach Hause vorbereiteten, sah man Rick seine Traurigkeit an. Er war schon zu einem Teil unserer verschworenen Gemeinschaft, unserer Gang geworden. Dennoch erzählte

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