Ich rede zu viel. Francis Rossi
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Die Moral der Geschichte: Jeder kann eine Gitarre in die Hand nehmen, doch ein Musiker wird immer nur wie er selbst klingen. Und darauf sollte man auch abzielen: aus der Gitarre etwas herausholen, das einem was bedeutet. Natürlich benötigte ich lange Zeit, um mir darüber klarzuwerden. Wenn irgendwelche Leute sich über Quo als Drei-oder-vier-Akkord-Band lustig machen, sagt das viel mehr über sie selbst aus als über die Leistungen, die Quo als Band abgeliefert haben.
In dem Moment, in dem ich die grundlegenden Akkorde beherrschte, sah es mit dem Lernen nicht mehr so rosig aus. Das trifft auch auf Übungen zu, die ich damals nicht benötigte und die ich auch aus dem Fenster warf. Ich behaupte aber nicht, dass das sinnvoll war. Heutzutage übe ich jeden Tag, doch als Jugendlicher war ich noch unbeirrbarer, was eine eigene Band anbelangte. Ich wollte raus in die Welt und überall spielen, wo man uns nur ließ.
Als ich Alan Lancaster traf, stand ich auf die „ganz harten“ Sachen. Damit meine ich den amerikanischen Rock’n’Roller Jerry Lee Lewis, der mir eine Höllenangst einjagte, und all die anderen wilden und durchgeknallten Sänger wie Little Richard, Eddie Cochran, Gene Vincent, Chuck Berry … Damals entdeckte ich auch Buddy Holly, der den Everly Brothers ähnelte, abgesehen davon, dass er sich durch einen bestimmten außergewöhnlichen Stil absetzte – eine Stimme, mit der er einen Schluckauf simulierte, und eine fantastische Begleitband. Nicht zu vergessen diese Songs, die besten komponierte er selbst … und er trug eine Brille und zählte nicht zu den üblicherweise gutaussehenden Popstars. Damit glich er damals vielen jungen aufstrebenden britischen Musikern. Ich dachte mir, wenn er es geschafft hat, gibt es für uns alle eine Chance.
Alan und ich musizierten noch mit unseren Blasinstrumenten im Schulorchester, als er und der andere Alan – Key – sich darüber unterhielten, außerhalb der Penne eine kleine Beatband zu gründen. Keys älterer Bruder spielte in Rolf Harris’ Begleitband, die einige Hits hatte mit „Tie Me Kangaroo Down, Sport“ und „Sun Arise“, das damals eine ganz große Sache war. Er erlaubte Alan seine Ersatz-Stratocaster zu benutzen, weshalb ich ihn zutiefst beneidete. Ein anderer Freund aus der Schule, Jess Jaworski, spielte Orgel und Alan Lancaster den Bass. Irgendwie gelang es ihm, dass seine Eltern für einen hellblonden Höfner Bass blechten. Ich war verblüfft – und beeindruckt. Es war ein wunderschön anzusehendes Instrument, doch er konnte sich keinen Koffer leisten, weshalb er den Höfner in einer alten Einkaufstüte aus Plastik mit sich herumschleppte.
Der Drummer war ein Typ namens Barry. Ich kann mich nur noch an seinen Vornamen erinnern, wofür er mich wohl hassen wird, doch wahrscheinlich hasst er mich sowieso. (Einen Moment noch, dann werde ich das erklären.) Damit blieb ich an der Gitarre über, was okay war, denn wir „muckten“ rum und versuchten uns an Shadows-Instrumentals wie „Apache“ und „Kon-Tiki“. Nicht dass ich in der Lage gewesen wäre, wie ein Hank Marvin zu spielen! Für solch raffinierte Soli war ich viel zu faul, weswegen Jess einen Großteil der Soloarbeit auf der Orgel übernahm. Doch dann wollte die restliche Band einen Sänger – und ich sollte es sein! Nicht, dass ich darum gefeilscht hätte. Es war eine Sache, den Text von „Wake Up Little Susie“ oder „Love Me Do“ zu kennen, aber eine ganz andere, ihn auf der Bühne vor einem Publikum zu singen. Doch sie erklärten in aller Deutlichkeit, sich um einen anderen Sänger zu kümmern, wenn ich es nicht machen wolle. Ich hielt also die Luft an und sprang ins tiefe Becken. Und … es schien zu funktionieren. Ich glaube, ich sang „Michael (Row The Boat Ashore)“. Tja, da wir so einen Krach veranstalteten, konnte man den Gesang nicht wirklich gut hören, womit ich für den Moment erst mal sicher war. So sah ich das damals zumindest.
Der ganze Firlefanz mit dem Singen fing in der Schule im Orchester an. Im Grunde genommen orientierten wir uns an Kenny Ball and His Jazzmen, einer der neuen, aber auch traditionell ausgerichteten Combos aus Essex, die in den frühen Sechzigern einige Hits hatten. Der Bandleiter Kenny Ball legte an einigen Stellen seine Trompete zur Seite, um einige Worte zu trällern. Wir spielten einen von Kennys großen Hits, „When The Saints Come Marching In“.
Doch es war lediglich Schulkram, wir wussten das. In einer Band zu singen, während man noch Gitarre spielt, war auf einer ungleich höheren Ebene angesiedelt. Heute kann ich darüber lächeln, denn wir schafften es nicht – und da bin ich mir ziemlich sicher –, auch nur einen einzigen Auftritt zu machen. Wir probten lediglich in Jess’ Zimmer. Die Band hieß übrigens die Scorpions. Doch dann entschied sich Alan Key, der ironischerweise die Gruppe ins Leben gerufen hatte, zum Ausstieg. Er gab die Absicht bekannt, seine Freundin zu heiraten – sie war tatsächlich das Mädchen von nebenan –, sobald sie beide 16 Jahre alt seien. Für ihn schien es das Beste zu sein, von seinem Posten abzutreten und uns damit genügend Zeit zu geben, uns nach einem neuen Organisten umzusehen. Alan war sehr liebenswert, immer höflich und bedacht. Man möchte behaupten, viel zu nett, um Profimusiker zu werden.
Zurückzutreten, stellte für einen 14-Jährigen eine noble Geste dar, sehr großzügig und vorausschauend. Wir ich später herausfand, müssen sich junge Musiker in einer Band früher oder später mit der Frage auseinandersetzen, ob sie mit einem Partner sesshaft werden wollen oder alles aufgeben, um es als Musiker zu versuchen. Die meisten schieben die Entscheidung aber viel zu lange auf. Das behindert entweder die Bandarbeit oder zerrüttet die Beziehung. In meinem Fall traf das Letztere zu. Alan Key sah das hingegen alles voraus und machte das für ihn Richtige. Seine Belohnung: Er ist immer noch mit dem Schwarm seiner Teenagerzeit zusammen. Meine Belohnung: Ich spiele immer noch in einer Band.
Ich hatte nie das Gefühl, aus einer sicheren häuslichen Situation in die Welt hinauszugehen, wo mein Weg in ein sogenanntes normales Leben schon vorgezeichnet war – Schule, Job, Frau, Kinder, Tod. Für die Familie Rossi bedeutete Schule das, was wir zuhause lernten, Jobs das, was wir von zuhause aus machten, und Frauen mussten sich da irgendwie einfügen. Kinder waren Frauensache, und der Tod stand für etwas, das mir niemals zustoßen würde, vielen Dank auch!
An diesem Punkt tauchte dann John Coghlan in der Geschichte auf. Nicht als Ersatz für Alan Key, sondern um Barrys Aufgabe zu übernehmen. Das lief alles ein wenig kompliziert ab, weshalb ich mich auf die Kurzversion beschränke. Barrys Dad hatte uns einen anständigen Proberaum beschafft, eine alte Garage in der Lordship Lane, Dunwich, im Süden Londons. Sie lag direkt neben dem Hauptquartier des Air Training Corps (ATC). Alle Piloten in Ausbildung mussten dorthin, und so trafen wir auf John, einen der Kadetten. Wir spielten erst seit einigen Wochen in dem Garagenkomplex, als wir entdeckten, dass die Soldaten ihre eigene Band hatten, die ebenfalls dort probte. Sie nannten sich – lassen Sie sich überraschen – die Cadets. Eines Abends gingen wir zu den Musikern rüber – die alle ein wenig älter waren als wir –, um sie uns mal anzuhören. Obwohl sie noch nicht viele Gigs gespielt hatten, wurde schnell klar, dass sie uns haushoch überlegen waren – besonders der Drummer.
Das brachte uns auf verschwörerische Gedanken. Barry war ein guter Typ, doch ein ziemlich durchschnittlicher Drummer. Das überraschte kaum, denn er war noch blutjung, so wie wir alle. John spielte als Schlagzeuger schon in einer anderen Klasse. Es war ein