Ich rede zu viel. Francis Rossi

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Ich rede zu viel - Francis Rossi

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Es fühlte sich aber gut an, von ihnen akzeptiert zu werden.

      Auch wenn mich die anderen Kids in der Schule nicht mehr wegen meines Namens hänselten – ich hieß nun Mike oder Ross – oder wegen meines Akzents – nun voll mackermäßig –, fanden sie doch immer noch einen Weg, um mich aufzuziehen. Sie behaupteten, Italiener würden immer nach Knoblauch stinken und Würmer (Spaghetti) essen. Darum umgab ich mich auch mit der Fassade des harten Typen. Ich lernte, wie man ständig flucht, und täuschte eine Art Macho-Kumpel mit witziger Seite vor. Wie Alan Lancaster, mit der Ausnahme, dass er nicht witzig sein musste. Er war tatsächlich ein durch und durch brettharter Kerl. Ich hingegen musste immer witzig sein, denn das stellte meine beste Verteidigung dar. Doch ich fühlte mich niemals wie ich selbst, wusste, dass das alles nur eine Rolle war.

      Mein ältester Sohn Simon verhielt sich ähnlich, als er aufwuchs. Unter bestimmten Umständen konnte er die Rolle des „harten Hundes“ spielen, war jedoch ein hypersensibles Kind. Simon arbeitet nun beim Musical und in der Oper – er ist ein fantastischer Sänger. Seinen Erzählungen nach fühlte er sich erst glücklich, als er in diese Welt eintrat, da er das Genre entdeckt hatte, in dem er sich wirklich ausleben und aufblühen konnte. Ich hingegen musste mir jeden einzelnen Meter meines Weges erkämpfen, um das zu erreichen, was ich mir wünschte. Was also hieß: eine Maske aufsetzen, durch die ich insgeheim blinzelte, während ich darauf wartete, dass alles sicher ist, dass ich rauskommen und ich selbst sein kann.

      Unser Wohnort in Balham war in sozialer Hinsicht Welten entfernt von Forest Hill, wo wir noch bei Nonna lebten. Es war hart. Die Prostituierten warteten nicht auf die Dämmerung, sondern standen schon mitten am Nachmittag an den Straßenecken und lockten die vorbeikommenden Autofahrer, fragten, ob sie mit ihnen ein „Geschäft“ machen wollten. Mehr als einmal musste Mum nach draußen gehen, um einen Streit zwischen den „arbeitenden Damen“ zu schlichten, den sie direkt vor unserer Ladentür austrugen. Ich wusste, dass es „anrüchige Mädchen“ waren, doch auch wenn man mir genau erklärt hätte, was sie machten, hätte ich dem keine große Aufmerksamkeit geschenkt.

      Ich war elf Jahre alt, als wir nach Balham zogen, und obwohl ich schon eine Weile unter der Decke „herumspielte“, hatte ich der Welt des Sex noch keine großen Gedanken gewidmet. Für mich gab es noch keine schlüssige Formel, die eine Verbindung herstellte zwischen meinem „Herumspielen“ und tatsächlichem Sex mit dem anderen Geschlecht. Als einige ältere Kids aus der Nachbarschaft mir und meinen Freunden von einem Friseur an der Hauptstraße erzählten, der den Jungs einen Fünfer zustecke, wenn er ihnen unter dem Friseurumhang einen wichsen dürfe, sprachen wir tagelang darüber. Sich einen runterzuholen, war nicht mehr, als sich einfach einen runterzuholen. Doch dafür einen Fünfer zu bekommen – das stellte damals für uns ein Vermögen dar. Wir kamen jedoch schnell zur Besinnung, denn unsere Gehirne hielten die Körper in Schach, weswegen der Friseurbesuch keine so gute Idee mehr zu sein schien.

      Als Teenager wurde ich mehr oder weniger ein Familienmitglied der Lancasters – auf Gedeih und Verderb. Die Lancasters waren die archetypische Hart-wie-Granit-Familie aus Peckham im Süden Londons. Sie hielten eine schwarze Katze mit dem Namen Nigger, doch ließen sich als einander eng verbundene, liebevolle Gemeinschaft beschreiben. Damals fühlte ich mich glücklich, ein Teil von ihnen zu sein. Zum ersten Mal erlebte ich außerhalb meiner eigenen Familie das Gefühl von Zugehörigkeit. Es vermittelte mir den Eindruck von Sicherheit. Doch wenn ich heute zurückblicke, werte ich es als ein Versagen. Dass man mich als Kind so leicht in eine bestimmte Richtung lenken konnte und dass ich so verzweifelt versuchte, mich in eine bestimmte Schicht einzuordnen, war eine eindeutige Charakterschwäche. Es waren gute Leute, doch nicht meine Leute. Ich war schon zufrieden, dass sie mich annahmen, und das stellte sicherlich keine gute Basis für eine gesunde Beziehung dar.

      Wenn ich zurückschaue, erkenne ich vieles in meinem früheren Leben, das mir furchtbar peinlich ist. Ich bin mir sicher, dass es vielen Menschen so geht. Für mich ist das ein positiver Aspekt, denn es beweist, dass man im Laufe der Jahre durch seine Fehler dazugelernt hat. Oft muss man sich vor den Menschen hüten, die auf ihre Kindheit zurückblicken und überhaupt keine Fehler sehen. Rick Parfitt gehörte dazu, doch Rick war ein Einzelkind und meinen Erfahrungen nach entwickeln sich diese Kinder häufig so.

      Während der Kindheit war Alan zwar der Anführer und konnte verdammt einschüchternd auftreten, doch er schätzte unsere Freundschaft und die Unterschiede zwischen uns. Ich war groß, und er war klein. Jahre später, als wir immer noch versuchten, mit Quo durchzustarten, zeigte mir Alan ein Bild von Simon and Garfunkel. Er meinte: „Schau mal, das sind du und ich.“ Ein großer Blonder, ein kleiner Dunkelhaariger. Ich neigte dazu, ihm zuzustimmen, doch dachte insgeheim, dass ich uns überhaupt nicht so sehen wollte. Aber Alan zeigte sich zufrieden, und als Jugendlicher war das alles, was mir wichtig erschien – andere Leute glücklich zu machen, sodass sie sich nicht gegen mich richteten. Und ich gehörte dann dazu. Egal wozu. Hauptsache, man ließ mich nicht draußen in der Kälte stehen.

      Ich lernte Gitarre, indem ich mir Platten anhörte und dazu mitspielte. Zuerst Pop-Scheiben, die ich mochte, danach einfach alles. Ich erinnere mich noch an Guy Mitchell, den Lieblingskünstler von Mum, zu dessen Musik ich klampfte. „Everybody’s Somebody’s Fool“ von Connie Francis gehörte auch zu den Stücken, die ich mir schnell „draufschaffte“.

      Aber Achtung, als Kind war ich in Connie Francis verknallt und stellte mir vor, sie zu treffen und durch meine unglaubliche Fähigkeit zu beeindrucken, ihre Hits zu spielen. Ich liebte ihre Stimme: Dieser besondere Gesangskniff machte ihre Musik für einen vor-pubertären Jungen ungemein sexy. Hinzu kam noch, dass sie Italienerin war. Erst viel später merkte ich, mir eine Art Pop-Version amerikanischer Country-Musik angehört zu haben. Seitdem gefällt mir Country.

      Aus mir sollte nie ein Virtuose werden. Ich nahm nur eine einzige Stunde Gitarrenunterricht bei einem zweifelhaften alten Knacker von Len Stiles Music in der Lewisham High Street. Es war ein Plattenladen, der auch Musikinstrumente verkaufte, darunter E-Gitarren. Len Stiles war der Shop, in dem man abhing, Nelson-Zigaretten qualmte und über Musik fachsimpelte. Der Verkäufer gab Unterricht, und ich glaubte, es sei der beste Ort, um das Gitarrenspiel zu lernen. Doch als ich ihn bat, mir einige Everly-Songs zu zeigen, sah er mich wütend an. „Wir machen hier keinen Mist, Bübchen!“ Mich „Bübchen“ zu nennen, schreckte mich sofort ab. Das klang so altbacken. Ich ging raus und kam nie wieder. Im Grunde genommen waren es sogar zwei Unterrichtstunden – meine erste und meine letzte!

      Danach hatte ich das Gefühl, dass allein der Versuch, ein Instrument zu lernen, veraltet ist. Die Lehrer, die meist alte Tanzlieder oder Balladen zum Unterricht anboten, halfen mir auch nicht weiter. Ich wollte „(Till) I Kissed You“ von den Everlys lernen, nicht irgendeinen steinalten Walzer. Anscheinend musste man zum Autodidakten werden, wollte man die modernen Sounds nachspielen, die im Radio liefen. Zwischen der jüngeren und der älteren Generation bestand damals gar keine Verbindung, was besonders die Musik anbelangte. Die Musiklehrer weigerten sich, jüngeren Instrumentalisten wie mir so einen „Mist“ wie die Everlys oder die Beatles beizubringen. In Letztere hatte ich mich natürlich verliebt, so wie auch alle anderen 1962. Sie ähnelten den Everly Brothers, da sie auch Gitarren spielten, doch sie hatten eingängigere Songs und diesen brillanten Satzgesang, bei dem ihre Stimmen wie eine einzelne klangen.

      Natürlich werden sich bei dieser Information jetzt einige Klugscheißer da draußen „einen abkichern“ und sich darüber wundern, wie das die „beschränkte Bandbreite“ der Musik Status Quos erklären könnte, und uns wieder dieses alte Label aufdrücken – Gesenkte-Köpfe-drei-Akkorde-purer-Boogie. Und ich will einräumen, dass sie auch Grund für die Kritik haben – bis zu einem bestimmten Punkt. Ich war vielleicht niemals in der Lage, Gitarre auf einem so hohen „Jetzt klappt dir aber die Kinnlade runter“-Niveau zu spielen wie Eric Clapton oder Jeff Beck, doch ich zeigte mich fest entschlossen, ein verdammt guter Songwriter zu werden.

      Mal

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