Ich rede zu viel. Francis Rossi

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ich rede zu viel - Francis Rossi страница 10

Ich rede zu viel - Francis Rossi

Скачать книгу

es entweder „hat“ oder nicht „hat“.

      Ich muss gestehen, dass es aber auch noch einen anderen Grund gab, warum wir Barry nicht mehr bei uns haben wollten. Ich „traf“ seine Freundin. Soweit ich mich erinnere, kann man sie als „Anstifterin zur Tat“ bezeichnen. Sie war größer als ich und bekam immer das, was sie wollte. Ich behaupte nicht, dass sie mir eine Pistole an den Kopf hielt, doch als sie mir das erste Mal einen blies, verstand ich nicht so recht, warum sie ihren Kopf nach unten neigte. In Wahrheit wusste ich gar nicht, was sie vorhatte – etwa meinen Schwanz in den Mund nehmen? Gütiger Himmel! Was wird ihr wohl das nächste Mal einfallen?

      Als der Gedanke aufkam, John für unsere Band zu „stehlen“, verriet ich den anderen nichts davon, doch man kann durchaus sagen, dass ich mich erleichtert fühlte. Dafür steht doch eine Band: selbstsüchtig bis auf die Knochen zu sein! Ich hätte zuerst eigentlich „junge Bands“ gesagt, doch in Wahrheit betrifft das Bands in jedem Alter. Man will immer besser in der Musik werden – und den Pimmel zur Schau stellen. Tut mir leid, Barry. Aber vielleicht hättest du auch so gehandelt.

      Und so brachten wir John in die Band, und er trommelte fantastisch – sein Spiel ließ uns in eine andere Liga aufsteigen. Wir hießen nun The Spectres und begannen, zeitgleich mit Johns Einstieg alles sehr ernst zu nehmen. Drei Jahre älter als der Rest hatte John zuvor die Gesamtschule Kingsdale in Dunwich besucht und war nun angehender Pilot, was ihm einen Hauch von Autorität verlieh. Das traf natürlich nicht auf Alan Lancaster zu, der jeden herausforderte, egal wie alt – und fast immer gewann. Besonders wichtig für uns: John Coghlan war schon das, was man einen „richtigen Drummer“ nannte. Er hatte bei einem gewissen Lloyd Ryan Unterricht genommen, der nun wirklich ein „richtiger Drummer“ war und schon mit Matt Monro und Gene Vincent gespielt hatte. Ryan lässt sich als wunderbarer Mensch beschreiben, der in den Sechzigern mit allen nur erdenklichen Stars auftrat, darunter P. J. Proby, die New Seekers und Tony Christie. Und er wurde auch – interessanterweise, wenn auch ein wenig bizarr – der Manager und Sprecher des maskierten Wrestlers Kendo Nagasaki.

      Als John zur ersten Probe kam, wussten alle, dass wir einen Gang höher schalteten. Er tauchte in einem Minicab auf. Diese Vehikel waren 1962 der letzte Schrei, und wir dachten, man hätte ihn chauffiert! Später, als John zur Band gehörte, gab er den Ratschlag seines Vaters preis: „Lass es protzig aussehen, mein Sohn.“

      Glücklicherweise war John der unscheinbarste Typ, dem man begegnen konnte, und überhaupt kein Aufschneider. Für einen Drummer – die meist ziemlich verrückt sind – verhielt er sich recht ruhig. Abgesehen von den Episoden, in denen das nicht zutraf. Es gab Zeiten, da wurde er richtig sauer und explodierte förmlich. Um es mal so auszudrücken: John war kein Gemeinschaftstyp. Er machte alles mit sich selbst aus, sah sich nicht gezwungen, etwas vorzutäuschen, was nicht zutraf – und spielte einfach weiter auf seinen Drums. Aber die Hauptsache war, dass er gut Schlagzeug spielen konnte – und er wusste, dass er es konnte. Wir anderen versuchten, musikalisch gut zu sein – eines Tages. Und genau hier zeigte sich der Vorteil von Alan Lancasters verdammter Starrköpfigkeit.

      In dieser Besetzung – meine Wenigkeit, Alan Lancaster, John Coghlan an den Drums und Jess Jaworski an der Orgel – begannen wir als die Spectres zu arbeiten. Alans Dad hatte uns ein Engagement im Samuel Jones Sports Club beschafft, was einen Aufritt pro Woche bedeutete. Mein Dad verfrachtete das Equipment hinten im Eiswagen und fuhr uns dorthin. Das war noch keine große Sache, denn bis auf die Familien und einige Freunde erschien dort kaum jemand. Allerdings drängte ich die Gruppe, so lange zu warten, bis Alans Mum aufgetaucht war, denn ihre Zustimmung bedeutete mir sehr viel. Einmal angefangen, spielten wir dann einige Coverversionen – Instrumentals sowie Songs aus den Charts – und machten nach einer halben Stunde Pause. Die Erfahrung zwang uns, professionell zu werden oder, besser gesagt, semi-professionell. Für einen Haufen Kids von der Schule war das verdammt hart, aber auch für John, der die Schule schon mit 15 verlassen hatte und mit uns klarkommen musste. Es wäre ein Leichtes gewesen, das ganze Projekt im Sande verlaufen zu lassen.

      Das lief aber alles so weiter, bis nach Ende eines Gigs ein Typ auf uns zukam und die unsterblichen Worte murmelte: „Ich will euch managen.“ Für uns klang das wie: „Ich will Stars aus euch machen!“ Der Grund: Wir wussten nicht so recht, was ein Manager überhaupt so tat. Wir dachten, er gäbe uns Geld und würde uns ins Fernsehen bringen. Oder so was Ähnliches. Zuerst wussten wir nicht, was wir machen sollten, und antworten: „Da musst du Alans Mum fragen.“ Und so nahm ihn May unter die Lupe, entschied, dass er möglicherweise der Richtig wäre, und plötzlich hatten die Spectres einen Manager. Whoopee!

      Er hieß Pat Barlow, und wie sich herausstellte, hatte er im Musikgeschäft null Erfahrung. Er arbeitete bislang als Gasinstallateur und hatte nun einen Ausstellungsraum für Zubehör. Barlow gehörte nicht zu den reichen Knackern, aber er war „flüssig“, wie man so schön sagt. Bislang hatte er schon einiges Geld gemacht und spielte nun mit dem Gedanken, „bei diesem Popmusik-Spielchen mitzumischen“. Warum auch nicht? Die Beatles freuten sich zu der Zeit über ihre ersten großen Hit-Singles. Die Rolling Stones hatten zwar noch keine Platte veröffentlicht – wie auch die Kinks oder The Who noch nicht –, doch plötzlich hatte man überall dieses Gefühl, und insbesondere in London, dass man etwas bewegen konnte, speziell, wenn man jung und „dabei“ war. Vielleicht haben alle Teenager das Gefühl, wenn sie nach ihrer Schulzeit die ersten eigenständigen Schritte machen?

      Egal, Pat Barlow wollte die Spectres in die nächsten Shadows verwandeln oder sogar in die Beatles. Oder wenigsten einen Profit rausholen. Was am wichtigsten erschien: Pat schuftete für uns, woraufhin die Gigs kamen. Er mag zwar nichts vom Business verstanden haben, besaß aber das Talent, Leute zu beschwatzen, und gab niemals auf. Er hängte sich ans Telefon und ließ nicht mehr locker, bis er etwas für seine „Jungs“ angeleiert hatte.

      Nun spielten wir in Locations wie dem El Partido in Lewisham, aus dem ein allseits bekannter Mod-Club wurde. Pat beschaffte uns auch ein regelmäßiges Montagabend-Engagement im Café des Artistes in Chelsea. Obwohl die meisten von uns noch zur Schule gingen, traten wir dort bis in die frühen Morgenstunden auf. Unsere Eltern wussten, dass Pat anwesend war, auf die Band aufpassen und uns auch wieder nach Hause fahren würde, was sie beruhigte. Einmal, als meine Haare ziemlich lang geworden waren – lang für die damalige Zeit, was bedeutete, dass sie über den Kragenrand des Hemdes reichten –, packte mich Pat am Nacken und schnitt mir mehr als zehn Zentimeter ab. Ich ließ die Tortur über mich ergehen, da ich noch ein Schuljunge war und er ein Erwachsener. Damals durften sogar die Nachbarn einem Kind „eins hinter die Ohren geben“, wenn sie dachten, es sei unartig. Die Eltern sagten gar nichts dazu.

      Wir und auch unsere Familien vertrauten Pat – besonders, als die ersten Gagen flossen. Mum und Dad mögen nicht viel von unserer Musik verstanden haben, doch als die ersten Zahlungen eintrudelten, kapierten sie, was in dem Geschäft vor sich ging.

      Über Nacht wurde unser Equipment besser. Ich war nun in der Lage, mir eine neue Guild-Halbakustik anzuschaffen. Alan verprasste seine Kohle für einen neuen Burns Bass. Und wir alle achteten nun auf anständige Kleidung – Klamotten hieß das damals! Zuerst bedeutete das, so wie die Beatles auszusehen, weshalb wir in den gleichen blauen Anzügen auftraten. In den frühen Sechzigern bis ungefähr zur Mitte des Jahrzehnts traten alle Popgruppen in einheitlicher Tracht auf. In Lambeth arbeitete ein Schneider, der uns die Outfits für zwölf Pfund das Stück anfertigte. Alan legte Wert auf einen besonderen Anzug, da er sich immer noch als Boss fühlte und sich optisch absetzen wollte – und somit musste er 25 Pfund blechen. Allerdings konnte man keinen Unterschied feststellen, wenn wir auf der Bühne standen, da alle Anzüge blau waren. Doch für Alan war sein Anzug ein bisschen besser, was ihn freute.

      Auf unsere Art wurden wir damals alle ein wenig forscher und aufmüpfiger. Der nächste logische Schritt bestand in der Veröffentlichung einer Platte, doch niemand wusste, wie man so ein Wunder bewirkt. Sogar Pat gelang es nicht, den Managern der Plattenfirmen genügend Honig um den Bart zu schmieren, damit sie sich in den tiefen Londoner Süden stürzten, um uns spielen

Скачать книгу