Ich rede zu viel. Francis Rossi
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Irgendwann Ende 1964 entdeckte Pat eine Anzeige für die Hollies, die in der Orpington Civic Hall in Kent auftreten sollten. Daraufhin wollte er sein Glück versuchen und uns der populären Gruppe als Vorband aufschwatzen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie Pat es gemacht hat, doch irgendwie gelang es ihm. Als wir in Orpington auf die Bühne gingen – zu Beginn des Jahres 1965 –, waren wir fest davon überzeugt, dass das unser großer Durchbruch würde. Dass der ganze Saal nur so von Impressarios des Musikbusiness wimmle, die dafür sterben würden, diese neue, heiße Gruppe unter Vertrag zu nehmen, von der sie schon so viel gehört hatten.
Natürlich träumten wir davon. Ich habe keine Ahnung, ob an dem Abend überhaupt jemand aus dem Musikgeschäft zu den Besuchern zählte, betete jedoch dafür, dass dem nicht so wäre. Wir spielten schrecklich! Unsere Nervenkostüme waren so zerrüttet, dass wir kaum gerade stehen konnten, mal ganz abgesehen vom Spielen und Singen. Das Ganze fühlte sich wie ein enormer Rückschlag an, und ich dachte: Jetzt haben wir es richtig vermasselt. Doch ich war erst 15, ein Alter, in dem man noch viele Chancen hat und nicht schon vor dem Aus steht. Hinsichtlich eines Rückschlags würde ich dann später noch „erfolgreicher“ sein, nachdem wir berühmt geworden waren …
Unser großer Durchbruch – nicht, dass wir das damals jedoch so sahen – kam dann, als Pat sich selbst übertraf und uns ein Vorspiel für den Job einer ganzen Sommersaison in Butlin’s Holiday Camp in Minehead, Somerset, besorgte. Das stellte eine wirklich aufregende Aussicht dar! Ein halbes Jahrhundert später ist Butlin’s immer noch ein preisgünstiges Ferienziel für Familien mit kleinen Kindern und Senioren. Schon 1965 wurde es als Großbritanniens Antwort auf Las Vegas gesehen. Bis Butlin’s eröffnete, bestand der typische Urlaub für eine Familie aus der Arbeiterklasse aus einer Woche in einem Bed and Breakfast am Meer, für gewöhnlich einem Haus mit einigen leerstehenden Zimmern, aus dem man den ganzen Tag ausgesperrt war. Als Butlin’s seine Angebote offerierte, durfte sich Großbritannien tatsächlich über „Resorts“ freuen. Nun hatten wir Freizeiteinrichtungen, in denen die Kids den ganzen Tag auf dem Rummel spielten und die Erwachsenen sich am Abend einen Drink genehmigten und die Füße hochlegten. Für Teenager bot Butlin’s die bisher unbekannten Freuden, manchmal monatelang weit weg von zuhause zu leben. Man wurde mit allen Mahlzeiten versorgt und jagte so vielen Mädchen nach, wie man finden konnte. Und da musste man natürlich nicht lange Ausschau halten.
Als wir dort die ersten Abende als The Spectres spielten, dachte ich, ich wäre tot und im Himmel. Die Anlage von Butlin’s in Minehead hatte erst wenige Jahre zuvor eröffnet und war somit die neuste und glamouröseste dieser Einrichtungen im Land. Der Tag der Ankunft stellte sich für uns als nahezu monumental dar. Es war mein 16. Geburtstag – und wer hielt sich in dem Moment wohl am Empfang auf? Rick Parfitt, der Bursche, der mein lebenslanger musikalischer Partner werden sollte, und meine zukünftige Frau Jean Smith! Natürlich kannte ich die beiden zu dem Zeitpunkt aber noch nicht.
Als Teil der „Abendunterhaltung“ wurden wir natürlich mit großer Aufmerksamkeit bedacht. Es war mein erster Sommer, nachdem ich die Schule verlassen hatte, und somit war das eine Art Initiationsprozess. Das mag jetzt ein wenig prätentiös klingen, doch ich kann nicht stark genug betonen, welch ein großer und bedeutender Schritt das Engagement bei Butlin’s für uns war.
Kurz nach der Schulentlassung entschied Jess Jaworski, dass er genug von nächtlicher Arbeit und unsicherem Einkommen hatte, und ging wieder zurück an die Penne, um das Abitur nachzuholen. Für aufstrebende junge Musiker ist das eine Art weiterer „Jetzt-oder-nie“-Moment. Man kann nur eine bestimmte Zeit für seine Träume leben. Hat man es nach einer gewissen Zeit noch nicht gepackt, ist es nur vernünftig, das Handtuch zu werfen und sich nach einem normalen Job umzusehen.
Das Butlin’s-Engagement stand für einen Wendepunkt in der Karriere der Band, was Jess richtig erkannte. Für ihn war es an der Zeit, sich Gedanken über eine mögliche Ausbildung zu machen, die Universität oder handfeste Jobs mit sicherer Bezahlung. Bei einigen ehrgeizigen Musikern fällt der Entschluss zum Aufgeben erst im Alter von 30 oder 35 Jahren. Einige geben den Traum auch niemals auf und suchen sich Jobs, die ihnen genügend Zeit für Auftritte am Wochenende lassen, oder was auch sonst immer nötig ist. Jess ersparte sich – und uns auch – eine Menge unnötiger Unannehmlichkeiten, indem er seine Entscheidung schon so früh fällte, was sicherlich auch für ihn positiv war.
Pat gelang es, mit dem Organisten Roy Lynes einen Ersatzmann aufzutreiben. Roy verhielt sich noch lässiger als Alan Key und war älter als John Coghlan. Als er mit 22 Jahren zur Band stieß, waren Alan Lancaster und ich gerade erst 16. In dem Alter ist das eine große Kluft, doch was für ein liebenswerter Bursche er war – und zugleich was für ein großartiger Keyboarder. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er in einem Vollzeitjob als Inspekteur in einer Fabrik für Autoersatzteile gearbeitet. Er besaß eigenes Equipment, konnte erstklassig spielen, fügte sich optimal ein und tauchte rechtzeitig zum Engagement bei Butlin’s auf. Wir witzelten immer, dass Roys Orgelspiel die ganzen Fehler überdecke, die Alan und ich auf unseren Instrumenten machten.
Nachdem wir erst mal erkannt hatten, in was für einer Tretmühle wir steckten, ließ die Begeisterung über die neue Erfahrung allerdings nach. Man hatte der Band den Nachmittagsauftritt überlassen, wo man von uns erwartete, die Besucher bis zu drei Stunden zu unterhalten. Am selben Abend folgte eine Wiederholung des Sets, an dessen Ende wir kaum mehr Energie hatten, um ins Bett zu kriechen, mal ganz davon abgesehen, scharfe Puppen zu jagen, wie man sie damals charmanterweise nannte. Wir spielten bei jedem Set 50 Songs – zwei Mal am Tag, sechs Tage die Woche. In der dritten Wochen hatten wir uns in Zombies verwandelt und performten praktisch im Schlaf. Ich verdrückte zum Frühstück regelmäßig ganze Pakete von Halspastillen, da meine Stimme so rau geworden war. Doch in dieser Zeit wurden wir zu abgebrühten Profis. Bei so einer Arbeitsbelastung gibt man entweder schnell auf und geht nach Hause oder lässt sich darauf ein und meistert die Herausforderung. Tja, und wir wollten uns auf gar keinen Fall verziehen. Letztendlich wurden wir als Individuen stärker und bildeten zugleich eine zusammengeschweißte musikalische Einheit. Bei der Rückkehr nach London – am Ende der Sommersaison – hatten wir uns grundlegend verändert. Niemals wieder würde uns ein Gig einschüchtern! Wir waren zwar immer noch „Jungs“, aber Jungs, die auf sich selbst aufpassen konnten. Profis! Wir lebten das, atmeten es tief ein. Wir waren abgebrüht, abgehärtet und keine Jungfrauen mehr. In allen Belangen!
Damals lernte ich auch, wie man mit dem Publikum kommuniziert, egal, ob es sich nun freundlich oder feindselig gab – und bei Butlin’s kam das manchmal gleichzeitig vor. Man hatte uns im Rahmen der Promotion für den Pig & Whistle gebucht, der so war, wie er klang – ein Pub. Allerdings ein ziemlich abgewrackter und mieser Pub. Dort fanden problemlos 1.200 Gäste Platz, doch sie saßen alle an Tischen oder auf Hockern. Vor der Bühne war zum Tanzen kaum Platz. Die Leute flegelten sich also an ihre Tische und tranken – und tranken und tranken. Und dann rückten sie uns auf die Pelle und torkelten, ähm tanzten.
Ganz in der Nähe lag ein weiterer Veranstaltungsort, der Rock and Roll Ballroom. Wir verstanden zuerst nicht, warum man die Band für den Laden buchte. Letztendlich überredeten sie uns aber, und wir sahen das als eine willkommene Abwechslung an – bis zum ersten Auftritt, denn kaum jemand tauchte dort auf. Die Leute waren alle im Pig & Whistle, wo sie sich volllaufen ließen, und wir sahen bei einigen unserer Sets lediglich 20 Zuschauer. In der letzten halben Stunde – Pig & Whistle hatte nun geschlossen – strömten dann jedoch wahre Menschenmengen in den Laden!
Im Ballroom gelang es uns endlich, eine kleine Fangemeinde aufzubauen. Auch lernten wir, das Programm nicht überambitioniert zu gestalten. Wir erschienen dort mit der Einstellung, die aufregende neue Band zu sein, total angesagt aufgrund unserer modernen Ideen, wobei wir einen Mix aus eigenen Songs und Coverversionen präsentierten. Wir spielten anfangs aber keine naheliegenden Songs oder Stücke aus den Charts. Mein lieber Freund, das änderte sich allerdings schnell. Bei den ersten Shows versorgten wir das Publikum mit einer wirklich coolen Auswahl von Hits der Everly Brothers, Chuck Berry, einigen frühen