Blutige Straßen. Kerrie Droban
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Blutige Straßen - Kerrie Droban страница 9
„Du kannst uns nicht so einfach ignorieren und so tun, als hättest du keine Familie!“, protestierte sie, die Hände in die Hüften gestemmt, die Augen vor Wut aufgerissen.
„Das ist kein glamouröser Job.“
„Ich will mir hier keine Geschichten anhören.“
„Ich bin aber eine Geschichte“, antwortete er kleinlaut, sich nicht sicher, ob seine Frau ihn hörte. Bird hatte sich eine Art Theater der Straße aufgebaut und sich selbst die Hauptrolle zugeschrieben. Es existierte eine Schar angeblicher Frauen, Ex-Knackis, Drogenterroristen, die ihn anriefen, ihm schrieben und ihn vergötterten. Barbara musste die Details nicht erfahren.
„Der Typ ist verrückt genug, um erfolgreich zu sein“, meinte Beef und rechtfertigte die Rekrutierung des Mannes gegenüber seiner Behörde. Die Sonne glitzerte auf Birds Gesicht, als er sich die verbleibenden Meilen über die Straße zum Campingplatz der Biker schlängelte. Der Fahrtwind kitzelte in seinem Spitzbart und strich über die rasierte Glatze.
Rudys Motor hatte keinen guten Sound. In Birds Vorstellung drängten sich Schreckensszenarien. Was wäre, wenn Rudy das Treffen versaute und so richtig Scheiße baute? Timmys Gesicht wirkte so verzerrt, dass man dachte, der arme Junge hätte seit Tagen nicht mehr geschissen. Bird fragte sich, ob sein Gesicht Angst oder Schmerz ausdrückte. Oder musste er kotzen? Nur Pops machte einen allzeit bereiten Eindruck. Der angegraute Bart wehte wie ein Tuch um seinen Hals. Aber er spielte ja keine Rolle: Er war ein waschechter Biker.
Rudy gab ein Zeichen, als sie langsam auf die Hunderte von Motorrädern zufuhren, die schon auf dem Platz parkten. Sich unbemerkt unter die Leute mischen! Okay! Bird und seine Gang fuhren in lockerer Formation hinter Rudy. Sie wirkten verloren – angesichts eines riesigen Maschinenparks und von Outlaws verschiedener Gangs, die Biere kippten und ihre Frauentrophäen wie preisgekrönte Tiere angafften.
Die Müdigkeit verflog im Nu. Adrenalin schoss durch die Adern. Sich unauffällig unters Volk mischen! Beefs Anweisung klang wie ein Pistolenschuss in Birds Kopf. Die Agenten stiegen von den Bikes, sich bewusst, Außenseiter zu sein – Hühner in einem Rudel Wölfe. Jeden Augenblick konnten sie verschlungen werden. Endlich entdeckte Rudy das Zelt der Angels, wo sie auf die beiden Wachen trafen – Dennis Denbesten (den man wegen seiner legendären Künste beim Meth-Kochen „Chef Boy Are Dee“ nannte), ein bedrohlich wirkender Kerl, der schon aufgrund von Verstößen gegen Betäubungsmittel- und Waffengesetze verurteilt worden war, und „Turtle“, Chefs fettleibiges Alter Ego.
Rudys Anwesenheit schmeckte den beiden Angels nicht. Wegen seiner Brutalität und Unberechenbarkeit kannte und fürchtete man ihn unter Bikern. Doch Rudy beruhigte Chef Boy Are Dee und versicherte dem Mann, dass seine Entourage nicht mitgekommen sei, um sich in das Drogengeschäft des Clubs einzumischen. Seine Männer hätten sich auf ein eigenes lukratives Geschäft spezialisiert – Waffenschmuggel von Arizona nach Mexiko. Zufrieden, dass das Team keine unmittelbare Bedrohung für das kriminelle Business der Hells Angels darstellte, akzeptierte Chef Rudys Aussagen, dass sie Gäste von Mesa Bob seien, und arrangierte ein Treffen mit dem Mesa-Club-Präsidenten, dessen bürgerlicher Name Robert Johnston Jr. lautete.
Nach nur wenigen Minuten Gequatsche hatte Rudy die Solo Angeles erfolgreich eingeführt. Sie waren drin. Bird konnte seine freudige Erleichterung kaum verbergen. Doch das Treffen mit Mesa Bob stand erst bevor.
3 Amerikanischer Slang für Cops.
4 Ein Treffen für die Biker, die wegen finanzieller Probleme nicht zum beliebten Meeting in Sturgis, South Dakota, erscheinen konnten.
5 Name geändert.
6 „Dead On Arrival“ – Tot bei Ankunft bzw. Tot bei Einlieferung.
7 „Jesus hates a Pussy“ oder JHAP ist eine Phrase, geprägt von ATF Special Agent Chris Bayless, und wurde zum inoffiziellen Motto der Solo Angeles.
Mesa, Arizona – Juli 2002
Zwei Wochen, nachdem die Agenten beim „Too Broke for Sturgis“-Motorradtreffen eingeführt worden waren, hielten die Solo Angeles einen Block vom Clubhaus der Mesa Hells Angels in der Lebaron Street entfernt. Nervös ließen sie die „Was ist, wenn“-Szenarien Revue passieren, plötzlich unsicher, ob sie den legendären Robert Johnston treffen sollten. Rudy, der seine Führerrolle zunehmend genoss, stampfte die Männer sprichwörtlich in den Boden und meckerte sie an. Sie seien „Pussys“ und „doch genau aus dem Grund hierhergekommen“. Er wusste nur zu gut, dass das Team auf jeden Fall eingeschleust werden musste, denn sonst war die Operation vorbei und er wanderte in den Knast.
Ein heißer Wind strich um Birds Wangen, als er und die Männer vor dem abgewrackten Clubhaus parkten, das einer kleinen Gefängnisbaracke ähnelte. Ein mit weißer Farbe getünchter Absperrzaun verlief um den Komplex. Im bläulichen Abendlicht stachen die auf den Jacken der Posten angebrachten geflügelten Totenkopfsymbole ins Auge – die sogenannten Death Heads. Selbstbewusst ging Rudy auf die diensthabenden Wachen zu und steckte ihnen, dass sie Gäste von „Mesa Bob“ seien.
Ghost, ein bleicher, dünner und stark tätowierter Hells Angel, eskortierte die Männer wortlos in das Clubhaus. Am hinteren Ende stand eine aus Blech gebaute Bar, wo ein Prospect den Angels Cocktails reichte. Sogar als unwichtiger Anwärter war der Biker bis an die Zähne bewaffnet, jederzeit bereit, bei einem abgedrehten Gang-Krieg mitzumachen. Eine Handfeuerwaffe steckte in seinem Gürtel, und die Griffe mehrerer Messer ragten funkelnd aus den Cowboystiefeln. Am Gürtel hingen zudem ein ausziehbarer Schlagstock, eine Totschläger aus Stahl, Schlagringe und sogar ein Hammer.
Timmy, der die Rolle von Birds Prospect spielte, machte dagegen einen blassen Eindruck. Mit seinem Kostüm, das unglücklicherweise viel zu neu aussah, war nicht viel anzufangen. Die gerade erst eingefettete Kutte, sein hochroter Kopf und die genervte Reaktion auf Rudys Kommandos konnten schnell die Tarnung auffliegen lassen.
„Zwölf Stunden“, hatte Timmy vor Beginn der Charade den Mitstreitern eingetrichtert. „Zwölf Stunden von diesem Scheiß, und ich bin drin!“
Bird nahm es Timmy nicht übel, dass dieser Rudy am liebsten in der Wüste „vergessen“ hätte, denn der Biker hatte seine Rolle ein bisschen zu gut gespielt und Gefallen daran gefunden, „Timmy, dem Cop“ mit seinen ständigen Wünschen nach Bier, Zigaretten und Hot Dogs gehörig auf die Nerven zu gehen und ihn durch die Gegend zu scheuchen.
Timmy hatte schnell die Schnauze voll gehabt und sich Bird zur Seite genommen. „Ich muss diesem Motherfucker das Fressen anschleppen. Scheiß doch drauf. Wenn der mich noch weiter anmacht, werde ich ihm den Arsch aufreißen!“
Bird antwortete cool und beschwichtigend: „Wenn du dem Präsidenten vor den Hells Angels einen Tritt in den Arsch verpasst, können wir unser Zelt abbauen und verschwinden. Zieh’s dir rein und schluck den Scheiß runter. Trag heute mal Stiefel und keine Kinderschuhe.“
„Leck mich doch am Arsch. Du musst ja keine Hot Dogs für das dumme Schwein kaufen.“
„Ich mag meine mit der gleichen Menge an Senf und Ketchup. Ketchup auf der einen, Senf auf der anderen Seite“,