Bon - Der letzte Highway. Jesse Fink

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Bon - Der letzte Highway - Jesse Fink Musiker-Biographie

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wenn er bei guter Gesundheit wäre, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass Malcolm sich kooperativ verhalten hätte. Die Youngs gehören wohl zu den verschlossensten Familien im Musikgeschäft und weigern sich seit jeher, Biografen ihre Geschichten zu diktieren – vermutlich aus gutem Grund.

      Dies hier ist in erster Linie ein Buch für einen Mann, den ich seit Langem verehre, Bon Scott, und nicht für AC/DC. Auch ist es für die Leute gedacht, die sich Back In Black gekauft oder Bons krönenden Höhepunkt „Highway To Hell“ während des Abspanns des Hollywood-Blockbusters Iron Man 2 gehört haben und nun die Geschichte dieses Mannes, dessen Schwächen und Süchte ihn schlussendlich umbrachten, lesen wollen. Die Geschichte von AC/DC, die Existenz der Band selbst, beruht auf der Story dieses einen außergewöhnlichen Mannes, der so verschwenderisch mit sich umgegangen ist: Bon Scott. Malcolms Demenz macht das Schreiben dieser Geschichte nicht unmöglich. Wie er es 1978 in Sheffield selbst einmal gegenüber einem Reporter des New Musical Express ausdrückte: „Ich habe die Schnauze voll davon, irgendeinen Scheiß zu lesen. Du wirst die Wahrheit drucken lassen.“ (Ein Zitat, das sogar für das AC/DC-Boxset Bonfire zu Ehren von Bon verwendet wurde.)

      Also gut, Mal. – If you want blood, you’ve got it.

      * * *

      Die kollektive Erinnerung an Bon bedarf einer ehrlichen und aufrichtigen Überarbeitung – und keiner weiteren Mythenbildung. „Offizielle“ Abbildungen der Geschichte von AC/DC wie etwa Blood + Thunder: The Sound of Alberts von ABC Television (von der BBC als The Easybeats to AC/DC: The Story of Aussie Rock ausgestrahlt) oder auch Behind the Music: AC/DC auf VH1 bekräftigen höchstens die bestehenden Mythen über ihn und die Band. Wie können diese Mythen ernsthaft weitergetragen werden, wenn sogar David Krebs – dessen Managementfirma Leber-Krebs AC/DC von 1979 bis 1981, also in jener Phase, in der die Band ihre kommerziell erfolgreichsten Alben veröffentlichte, betreute – nicht glaubt, dass Brian Johnson die Lyrics zu Back In Black beigesteuert hat?

      Wie er mir von seinem Zuhause in Malibu, Kalifornien, aus mitteilte: „Ich war echt verblüfft, als ich Die Brüder Young las und in der AC/DC-Diskografie sah, dass Back In Black von den Young-Brüdern und Brian Johnson geschrieben sein soll. Ich glaub das nicht.“

      Außerdem gab ich einem persönlichen Bedürfnis nach. Ich wollte die Leser in eine Zeit mitnehmen, in der AC/DC die aufregendste Rock-’n’-Roll-Band auf dem Planeten waren und nicht das, was sie heute verkörpern: ein eingetragenes Markenzeichen mit einem letzten verbliebenen Gründungsmitglied aus den Siebzigern, Angus Young. Es war mir ein Anliegen, einen kleinen Teil dessen wiederauferstehen zu lassen, was ich für die beste Ära der Rockmusik halte, nämlich die späten Siebzigerjahre – jene Zeit, in der das Genre, das wir heute als „Classic Rock“ kennen, seinen Ursprung hat. In Musikläden wurde Vinyl verkauft. MTV gab es noch nicht. Das Internet, das mit seinen Angeboten wie YouTube, Pandora, Spotify oder iTunes das Angesicht der Popmusik verändern sollte, lag noch Jahrzehnte in der Zukunft. So viele der phänomenalen Bands der Siebziger haben entweder ganz aufgehört oder treten nach dem Ausstieg etlicher Originalmitglieder in Casinos, Weinkellereien oder auf Kreuzfahrten auf. Eine für die Musik besondere Zeit ist für immer verloren.

      Um mein Vorhaben, diese Epoche wiederaufleben zu lassen, so erfolgversprechend wie möglich anzugehen, musste ich in alles, was mir zur Verfügung stand, kopfüber eintauchen. Doch AC/DC sind eine Band, die Außenstehenden keinen Zutritt gewährt, und ehemalige Bandmitglieder und Angestellte fürchten den Reichtum und Einfluss der Youngs. Es ist daher nicht leicht, an Informationen heranzukommen. Ein Freund von Brian Johnson warnte mich etwa: „Sie haben nicht einmal ansatzweise mehr Verständnis dafür, dass ihre Aussagen oder Handlungen verzerrt dargestellt werden, damit sich eine Story gut verkauft.“ Ein weiterer Insider flüsterte mir, dass die Geheimniskrämerei um die Band „schlimmer ist als bei der CIA, schlimmer als bei Scientology“.

      Das war kein Scherz.

      „Es ist gar nicht schlecht, dass du nicht an sie herangekommen bist“, sagt Grahame „Yogi“ Harrison, ein legendärer australischer Roadie, der 1977 für AC/DC bei ihrem Abschiedskonzert in Sydney arbeitete und mit Bon persönlichen Umgang pflegte. „Du könntest schließlich nie wissen, ob das, was sie dir erzählen, auch die Wahrheit ist. Sie halten ihre Ärsche bedeckt bis ins Grab.“

      * * *

      So wie ich die Sache sehe, bekommen Biografen keinen richtigen Zutritt zur Band gewährt, da die Wahrheit für manche Leute unbehaglich wäre. Würden sie sich auf Gespräche mit Biografen einlassen – also mit Leuten, deren Aufgabe es ist, unter der Oberfläche nach so etwas wie Wahrheiten zu suchen –, hätten sie damit im Endeffekt alles legitimiert, was dabei zutage treten könnte. Es ist viel leichter, die Schlussfolgerungen eines Buches zurückzuweisen, wenn man sagen kann, dass man nicht mit dem Autor zusammengearbeitet hat. Ebenso lässt sich leicht prophezeien, dass AC/DC-Fans sich um ihre Helden scharen werden, um sie in Schutz zu nehmen, sobald der eine oder andere Heiligenschein schief gerückt wurde.

      Selbstverständlich gibt es für das Schweigen auch finanzielle Gründe. Verlagshäuser in London und New York bieten für Enthüllungsautobiografien und „offizielle“ Biografien von großen Stars zig Millionen Dollar. Niemals zuvor waren solche Erzählungen gefragter, wie wir an den Vorschüssen in Millionenhöhe ablesen können, die etwa Phil Collins, Elton John und Bruce Springsteen kassiert haben. Fast ebenso viel Kohle wird im Marketing ausgegeben. Der Wert dieser Buchprojekte wird geschmälert oder überhaupt auf Ramschniveau gesenkt, wenn diese Prominenten ihre Geschichten bereits andernorts zum Besten gegeben und sich detailliert zu einem kontroversen Thema geäußert haben.

      Daher sind sich Musiker und ihre Agenten in zunehmenden Maße bewusst, wie viel ihre Worte wert sind. Sie werden also keinen Fremden – einen Biografen – bei seinen Recherchen unterstützen, wenn sie doch direkt von Reminiszenzen profitieren können, indem sie selbst ein Buch veröffentlichen. Phil Rudd, AC/DCs ehemaliger Schlagzeuger, beabsichtigt etwa, ein eigenes Buch zu verfassen. Vorausgesetzt, sie müssen sich nicht an Stillschweigevereinbarungen halten, was durchaus im Bereich des Möglichen liegt, könnten sowohl Brian Johnson als auch der frühere Bassist Cliff Williams, nachdem sie nun die Band verlassen haben und deren Zukunft in den Sternen steht, schon bald ihre Memoiren vorlegen.

      Vielleicht als Vorboten für alles, was noch folgen wird, veröffentlichten AC/DC 2017 ihr erstes offizielles Fotoalbum. Besser situierten Sammlern bot sich die Gelegenheit, eine in Leder und Metall gebundene Version mit beleuchtbarem Schutzumschlag zu erstehen. Während sich Ghostwriter, Hagiografen und Zuschussverlage auf der Überholspur befinden, finden sich traditionelle Musikbiografen auf der Liste der bedrohten Arten wieder. Dieses Buch sollte jedoch ohnehin nie die Perspektive der Band oder jene von Bons beiden Brüdern und deren Familien repräsentieren. AC/DC haben sich bereits gegenüber den Medien über Bon geäußert. Bons Familie ebenso. Uns liegen diese Aussagen vor und sie werden sich auch nicht mehr ändern.

      Eigentlich profitierte Bon – Der letzte Highway sogar davon, sich nicht auf ihre Beteiligung, Aufsicht oder Zustimmung verlassen zu müssen. Das liegt wohl daran, dass die tatsächliche Geschichte – nicht die bevorzugte schöngefärbte, dem Ansehen der Band zuträgliche Version davon – sich irgendwo abseits des Einflusses der Gruppe, der Familie Scott und all ihrer Anwälte abspielt. Es ist nicht die Art von Erzählung, wie sie manchen Leuten vorschwebt.

      Das ist auch der Grund, warum so viele hypothetische Spielfilmprojekte letztlich im Sande verliefen. Solange die Band nicht die Darstellung kontrollieren kann, werden sie niemals ihre Musik dafür zur Verfügung stellen. Auch wird man nie die Wahrheit über AC/DC in irgendeinem Magazin lesen oder in einem Radio- oder Fernsehinterview zu hören bekommen, wenn die Band gerade ein Album promotet. Die speziell indoktrinierten Journalisten, Radioansager und TV-Moderatoren halten sich an die Spielregeln, sowohl an die offiziellen als auch die unausgesprochenen. Angus nuschelt sich dann durch irgendein Tour-Interview, ohne dabei Wesentliches preiszugeben, und die Fans, die nach authentischen Einblicken lechzen, saugen

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