Es begann in der Abbey Road. George Martin

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Es begann in der Abbey Road - George Martin

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Hüfthöhe über die Bühne wirbelte. Mein erster Eindruck fiel nicht sonderlich positiv aus – ich stufte ihn als eine blonde Papp-Imitation von Elvis Presley ein. Noel teilte meine Einschätzung. Tommy hatte zwar viel Energie, doch seine Stimme klang nicht besonders gut – zumindest die wenigen Melodiefetzen, die ich hören konnte, denn die Vipers waren extrem laut und er nicht.

      Von heute aus betrachtet wirkte die Show harmlos, doch in jenen Tagen empfand ich sie als schockierend, ähnlich musikalischer Masturbation. Die zur Schau gestellten Beckendrehungen stießen mich ab, da ich mich rein auf die Musikalität und Qualität seiner Stimme konzentrierte. Noel stimmte mir zu: „Da ist nichts.“ Und so ließ ich Tommy Steele an mir vorbeiziehen.

      Aber ich mochte die Band und den Mut, mit dem sie ihre Musik umsetzten. Ich bot ihnen einen Vertrag an und produzierte mit ihnen viele erfolgreiche Platten. Doch Tommy Steele abzuweisen war offensichtlich eine große Dummheit, denn Decca trat einen Tag später an ihn heran, nahm den Sänger unter ihre Fittiche und machte einen großen Star aus ihm. Ich beichtete Sir Joseph Lockwood das Versäumnis, der damals die Geschäftsführung der EMI übernommen hatte. Er war offensichtlich sehr verärgert darüber. Ich hätte lieber mal den Mund halten sollen. Seit dieser Zeit habe ich Tommy schon mehrmals aufgenommen, woraufhin sich eine innige Freundschaft entwickelte, doch leider macht das den Fehler nicht ungeschehen.

      Allerdings gibt es auch Entscheidungen, aufgrund deren Manager unfair behandelt werden. Dick Rowe von der Decca ist klassisches Beispiel dafür. Er wurde bekannt als „der Mann, der die Beatles abgelehnt hat“ und muss dieses Kreuz nun bis zu seinem Grab tragen. Doch es ist unfair, denn jeder in Großbritannien lehnte die Beatles ab. Der einzige Unterschied zu Dick Rowe bestand darin, dass er genügend Grips hatte, ihnen Probeaufnahmen zu gewähren – und das nicht nur ein Mal, sondern zwei Mal. Er zog es eindeutig in Betracht, die Band unter Vertrag zu nehmen. Statt ihn dafür anzuklagen, dass er sie letztendlich ablehnte, sollte man ihn wegen der Weitsicht loben, da er ihnen nun mal eine Chance gab, als alle anderen ablehnend reagierten.

      1954 erledigte ich beinahe alle Aufgaben für Parlophone, und Oscar arbeitete kaum noch. Lockwood war der neue Geschäftsführer, was für die Firma einer frischen Brise gleichkam. Eine Zeit lang hasste ihn jeder wegen seiner Skrupellosigkeit. Allerdings zog er den Karren der EMI aus dem Dreck und brachte das Unternehmen auf Kurs.

      Im Juli des Jahres bestand ich meine Führerscheinprüfung und startete in die „vierrädrige“ Welt. Das fragliche Vehikel war eine 1935er Austin Ten Cambridge Limousine, die mich 60 £ kostete. Das Gefährt war sicherlich nicht makellos, doch ein ideales Anfängerauto. Ich befand mich wegen der bestandenen Prüfung in Hochstimmung. Zurück im Büro, bot ich Oscar an, ihn nach Hause zu fahren, also zur Arkwright Road in Hampstead, nicht weit von den Studios entfernt gelegen.

      Dankbar sagte er zu, und wir machten uns um 18 Uhr auf den Weg. In bester Laune steuerte ich die Finchley Road hinunter und näherte mich der Ampel beim John-Barnes-Kaufhaus. Natürlich schaltete ich – nach dem Erhalt des Führerscheins ein erstklassiger Fahrer – vom oberen in den dritten Gang zurück. Doch ohne dass ich mich versah, hatte ich den langen Schaltknüppel mit einem kugelförmigen Aufsatz, der weit unten im Fahrerraum befestigt war – komplett in der Hand!

      Mit der nötigen (und aufgesetzten) Gelassenheit reichte ich Oscar das „amputierte“ Fahrzeugteil meines neuen Spielzeugs und meinte: „Würde es dir etwas ausmachen, den Knüppel ganz kurz zu halten?“ Ich steuerte den Wagen ganz vorsichtig an den Bordstein. Die Schaltung hatte sich im dritten Gang verkeilt. Das war nichts mehr zu machen. Was für eine Erniedrigung und Schmach! Und Oscar fuhr mit dem Taxi nach Hause!

      Wenn man meine erste Automobilerfahrung als wenig glücklich beschreiben will, so war ich mit den Verhältnissen bei der EMI noch unzufriedener. Das erste Problem bestand in der Vergütung, besser gesagt, der unzureichenden Vergütung. Nach drei Jahren war mein Lohn auf läppische 13 £, 9 Schilling und 3 Pence gestiegen, wovon mir nach den Abzügen noch 12 £, 6 Schilling und 8 Pence blieben. Die EMI hatte schon immer schlecht gezahlt, da sie glaubten, dass ein attraktiver Job eine angemessene Kompensation sei. Sogar Oscar wurde niemals angemessen entlohnt. Nach 50 Dienstjahren, während deren er ihnen sogar verschiedene Erfindungen vermacht hatte, erhielt er als Abschiedsgeschenk eine Ausgabe der Encyclopaedia Britannica. Das blieb ihm also nach all den Jahren.

      Als mir Frank Lee von Decca 1954 einen Job mit einem Jahreseinkommen von 1.200 £ anbot, war ich darauf erpicht, augenblicklich zuzuschlagen. Meine erste Tochter Alexis (Kosename: Bundy) war im vorhergehenden Jahr zur Welt gekommen, und meine wirtschaftliche Lage war mehr als dramatisch. Nach Abzug der laufenden Kosten plagten mich ständige Bargeldprobleme. Ich ging also zu C.H. Thomas, dem ersten Manager von EMI Records, und sagte: „Mir hat die Arbeit viel Freude bereitet, vielen Dank auch, aber der Lohn ist nicht gut genug. Ich habe eine neue Anstellung angenommen.“

      Nun, ich sagte das frei heraus und dachte überhaupt nicht daran, damit den Grundstein für ein regelrechtes Gefeilsche zu legen. Für mich war das kein Trick, um an mehr Lohn zu gelangen. Damals dominierte eine eindeutig moralische Grundhaltung mein Verhalten, und ich hätte Skrupel gehabt, so zu taktieren, was vom heutigen Standpunkt aus gesehen schon ziemlich naiv war.

      Doch der weltgewandte Thomas fasste es anders auf.

      „Meinen Sie nicht, dass Sie sich recht unfair verhalten?“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Ich kann es nicht zulassen, unsere Firma in eine Art Konkurrenzsituation zu bringen.“

      „Ich glaube, dass das nicht nötig ist“, antwortete ich und legte dabei meine Naivität offen. „Wollten Sie mir mehr bezahlen, hätten Sie das sicherlich schon gemacht.“

      „Tja, ich möchte Sie nicht verlieren und biete Ihnen hiermit die gleiche Summe an.“

      Soweit ich mich erinnern kann, waren es letzten Endes 1.100 £, also eine geringere Summe, doch Thomas versicherte mir, dass ich nach Oscars Ausscheiden aus dem Arbeitsleben Parlophone übernehmen dürfe, wenn es nach ihm gehe. Ich glaube, dass diese Perspektive den Ausschlag zum Bleiben gab, denn es war nicht sicher, was nach Oscars Pensionierung geschehen würde. Ich hatte Thomas erklärt, kein alter Knochen werden zu wollen, kein unbedeutendes Zahnrädchen im Getriebe. Ich wollte noch in meiner Jugend etwas erreichen! Und so nahm ich sein Angebot an und musste Frank Lee von Decca anrufen und absagen, der ziemlich verärgert reagierte, was mich nicht überraschte.

      Obwohl ich der EMI die Treue hielt, gab es noch einige Gründe, derentwegen ich mich unwohl fühlte. Mein Tagebuch verweist auf eine Notiz für ein Memo, dass ich dem Management schicken wollte. Der Eintrag lautet: „Als ersten konkreten Fall muss ich die Problematik mit Ron Goodwin ansprechen, dem Künstler, der im letzten Jahr für den höchsten Umsatz gesorgt hat. Er ist speziell wegen der Ausbeute verbittert, denn von den zuletzt veröffentlichten drei Platten – insgesamt hat er bislang sechs Tonträger produziert – wurde nur eine im Rundfunk gespielt. Dieser Faktor, im Zusammenhang mit der unglücklichen Präsentation von Parlophone in den USA, die britische Interpreten als weitaus schlimmer empfinden als überhaupt keine Präsentation, bewegte Ron dazu, die Unterschrift unter die optionale Klausel bezüglich einer längeren Kooperation in seinem Vertrag zu verweigern, der im November auslief. Der Verlust eines solchen Künstlers ist katastrophal.“

      Der Fall verärgerte mich auch, da Ron ein guter Freund geworden war, zu dem ich eine so enge Beziehung hatte, dass er später bei meiner Hochzeit mit Judy Trauzeuge wurde. Ron war ein aufstrebender Arrangeur, den mir Dick James 1953 vorstellte, also ein Jahr, nachdem ich begonnen hatte, ihn aufzunehmen. Dick sang genau wie Eve Boswell in einer Band und zählte zu den ersten Künstlern, die eher zu meinem Stamm gehörten und nicht zu Oscars. Ich produzierte mit ihm einige erfolgreiche Platten, wie zum Beispiel „Robin Hood“. Da er jedoch Familie hatte, stand er dem Tourleben durch die Provinz ablehnend gegenüber. Schließlich

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