Höllen-Lärm. Ian Christe
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Die Zeitschrift besaß unglaubliches Gespür für Talent. Die Titelseite der Kerrang!-Ausgabe Nummer eins zeigte den verschwitzten Gitarristen Angus Young von AC/DC in der Schuluniform, die zu seinem Markenzeichen wurde. Die Liste mit den einhundert besten Heavy-Metal Singles aller Zeiten wurde im selben Heft von AC/DCs „Whole Lotta Rosie“ angeführt. Obwohl sie im eigentlichen Sinn keine britische Band waren, da sie erst 1976 wieder aus der früheren Strafkolonie Australien nach England gezogen waren, stellten AC/DC mit ihrem druckvollen Geradeaus-Rock dennoch den gemeinsamen Nenner der NWOBHM dar. Sie hatten die harten Bewährungsproben Australiens überstanden, ähnlich wie Black Sabbath die Bluesläden Hamburgs. Bisweilen hatte der Terminplan von AC/DC drei Auftritte pro Tag vorgesehen: am Nachmittag in den Highschools, am Abend in den Cocktailbars und nachts in den Schwulenclubs. Dieses unbarmherzige Programm prägte eine Reihe grobkörniger, ausgefeilter LPs, darunter High Voltage, Powerage und Let There Be Rock. Die Band tourte unermüdlich als Vorband von Kiss, Black Sabbath, den Scorpions, UFO, Alice Cooper, Aerosmith und Rainbow und zeichnete sich auf der Bühne durch angstfreie Wucht aus. Ihre ungebändigte LP Highway To Hell von 1979 war mit ihren kraftvollen, sengenden Gitarren und ihrem wütenden Downbeat ein Meilenstein unheilvoller Kraft.
Ledermacho Rob Halford von Judas Priest und Peter „Biff“ Byford von Saxon folgten Angus Young auf das Cover von Kerrang! – Sänger, die dafür sorgten, dass es ab sofort zur Rolle eines Heavy-Metal-Frontmanns gehörte, geschickt die Massen zu beherrschen und mit den Stimmbändern Kristall bersten zu lassen. Wie auf der herausragenden Live-Veröffentlichung von 1982, The Eagle Has Landed, zu hören ist, konnte Byford ein Konzert ohne weiteres in eine interaktive Mitsingveranstaltung verwandeln, die er mit seinem charakteristischen Pfeifen dirigierte. Mit dem Frage-Antwort-Muster, das er von englischen Fußballgesängen übernahm, ließ er dabei Loge gegen Parkett antreten. Er schien sich in glänzenden weißen Stretchhosen und mit dem Mikrofon in der Hand auf der Bühne ebenso zuhause zu fühlen, als säße er noch immer in seinem eigenen Garten bei einer Tasse Tee und erzählte Kriegsgeschichten.
Die schnellen Saxon-Songs „Strong Arm Of The Law“ und „Wheels Of Steel“ waren melodisch und aufrüttelnd, ein bisschen wie unbeschwertere Ableger von Motörhead-Nummern. Härtere Saxon-Tracks wie „Machine Gun“ basierten auf den unablässig stampfenden Rhythmen zweier Gitarren, die das Grundmuster des Speed Metal bereits vorwegnahmen. Ein ungewöhnlicher Song im Saxon-Repertoire war das aufwühlende „Dallas 1 PM“ auf Strong Arm Of The Law, auf dem original Radiomitschnitte von der Ermordung John F. Kennedys zu hören waren. Typischerweise aber drückten Saxons Texte einfach die Lebenseinstellung eines gewöhnlichen Headbangers aus – einer Figur, die in „Denim And Leather“ verewigt wurde, der großartigen Metalhead-Hymne der Band: „Where were you in ’79 when the dam began to burst? Did you check us out down at the local show? Were you wearing denim, wearing leather? Did you run down to the front? Did you queue for your ticket through the ice and snow? – Wo wart ihr 1979, als der Damm zu brechen begann? Wart ihr damals beim Konzert, als wir bei euch um die Ecke gespielt haben? Hattet ihr Jeans und Leder an? Seid ihr gleich nach vorn an die Bühne gerannt? Habt ihr bei Schnee und Eis um Karten angestanden?“
NWOBHM
Obwohl die „alte Welle“ des britischen Heavy Metal größtenteils nur in der Fantasie der Hardrockfans existierte, war der sperrige Begriff „New Wave of British Heavy Metal“ trotzdem so einprägsam, dass er sich dauerhaft durchsetzte. Musikalisch verarbeitete die NWOBHM den Hardrock der Siebzigerjahre zu Häppchen von Punkformat mit hoch konzentrierter Form von Gitarrenenergie. Angeregt durch den Do-it-yourself-Geist des Punk erschienen die ersten Erzeugnisse von Iron Maiden und Diamond Head in Eigenregie oder bei Schlafzimmerlabels wie Neat und Heavy Metal Records. Überall in England und Europa tummelten sich Fans und trugen mit den Aufnähern und Ansteckern ihrer Lieblingsbands verzierte Jeanswesten über schwarzen Lederjacken. 1980 stand die Bewegung in voller Blüte, hunderte von Singles und eine Hand voll wegweisender Langspielplatten von Motörhead, Saxon, Iron Maiden und Judas Priest befanden sich in Umlauf. Obwohl es sich hauptsächlich um aufstrebende Londoner Bands handelte, dominierten sie mit ihren überzeugenden Liveauftritten den Heavy Metal des kommenden Jahrzehnts.
Diskografie:
AC/DC, Highway To Hell (1979)
Angel Witch, Angel Witch (1981)
Def Leppard, On Through The Night (1980)
Diamond Head, Lightning To The Nations (1980)
Girlschool, Hit And Run (1981)
Iron Maiden, Iron Maiden (1980)
Iron Maiden, Killers (1981)
Judas Priest, British Steel (1980)
Motörhead, Ace Of Spades (1980)
Motörhead, Overkill (1979)
Raven, Wiped Out (1982)
Saxon, Wheels Of Steel (1980)
diverse Interpreten, Metal For Muthas (1980)
Tank, Filth Hounds Of Hades (1982)
1981 hatte sich der Heavy Metal bereits eine Art kleineres Vermächtnis geschaffen, das er für sich arbeiten lassen konnte. Für echte Fanatiker aber gab es keine Ruhepause. Punk war als Modeerscheinung in den Hintergrund getreten, und Hardrock schleppte sich als routiniertes Alltagsgeschäft dahin, doch Heavy Metal bot ständig neue Anreize und bediente sich gierig anderer Stile. Neben den bekannteren harten Riffproduzenten rückten nun die Boogie-Woogiebeeinflussten Spider, die dreisten Sabbath-Nachahmer Witchfinder General und die frechen Angel Witch nach, die den schamlosen Metal-Gesang mit manischen Punkrhythmen verschmolzen und dabei ein besonderes Interesse an einem zeitgemäßen Thema wie der Gleichberechtigung der Frau zeigten.
In einer so vielfältigen Szene wie der NWOBHM musste es jemanden geben, der als Sammelbecken für den ganzen verachteten Schmutz und Dreck fungierte, der andernorts verabscheut wurde. Das waren Venom, die Lieblinge des Kerrang!, die mit militantem Satanismus und einer „Sie wollen Böses? Wir geben ihnen Böses!“-Philosophie vor allem aggressivere Gelüste bedienten. Dabei hatten sie sich von Kiss inspirieren lassen, sich bezüglich der Umsetzung des Ganzen allerdings auch am perversen römischen Kaiser Caligula orientiert. Venom spielten schnelles, dreckiges Zeug, bei dem es nur um die Geschwindigkeit ging, und garnierten es mit okkulter Bildlichkeit, um die Kritiker zu verschrecken. Venoms Debüt von 1981, Welcome To Hell, und der 1982 erschienene Nachfolger Black Metal waren mit gold- und silberfarbenen Pentagrammen, Ziegenköpfen und satanistischem Unsinn übersät. Zudem waren Bassist und Sänger Conrad Lant alias Cronos, Gitarrist Jeff Dunn alias Mantas und Schlagzeuger Tony Bray alias Abaddon darauf abgebildet, wie sie Waffen schwangen und schleimig wie neugeborene Teufel aussahen. Neben ihnen wirkten Motörhead zivilisiert und die Sex Pistols wie eine freundliche Kinderbande.
Obwohl dies zu jener Zeit kaum zu erahnen war, wurden Venom zu einer der einflussreichsten Bands der NWOBHM. Zwar wurde ihr albernes Auftreten in der Regel von Journalisten und anderen Musikern ignoriert, aber die Fans waren fasziniert. Venom konnten kein stimmiges Tempo halten und mischten ihren Sound mit überzogenem Einsatz von Hall und Verzerrern ab, damit ihr Unvermögen verborgen blieb; Songs wie „Poison“ und „Live Like An Angel, Die Like A Devil“ lösten sich gegen Ende in heulendem Lärm auf. Mit anderen Worten: Venom brachen mit den Vorstellungen von Sorgfalt und künstlerischer Raffinesse und ersetzten sie durch einen aufregenden chaotischen Strudel.
Wie Cronos in einem Interview