Höllen-Lärm. Ian Christe

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Höllen-Lärm - Ian Christe

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      In Amerika lief es genauso. Ein paar erklärte Gläubige predigten die Frohe Botschaft der NWOBHM und sammelten mit viel Elan Nachrichten über neue Bands und Konzertaktivitäten. Die heiligen Themen der Headbanger verbrei­teten sich über zerlesene Ausgaben des Kerrang! und hielten die Glaubens­gemeinde zusammen. „Wir stritten die ganze Zeit über Fachfragen. Wir waren eine informierte Geheimgesellschaft“, sagt Ron Quintana. „Wenn man jeman­den aus England oder Europa kennen lernte, wie zum Beispiel Lars Ulrich, frag­ten wir denjenigen über jede einzelne Band aus: ‚Wie klingen Dragster? Wer steckt hinter Wrathchild?‘ Die meisten waren Scheiße, so wie Dragster, aber man war in einer Zeitung auf den Namen gestoßen und hatte gedacht, die wären heavy.“ Als Metalhead musste man außergewöhnlich engagiert sein, um an neue Musik zu kommen. „Nicht mal die Punks haben die englischen Zei­tungen gelesen“,sagt Quintana,„weil die Szene hier bei uns groß genug war.Die Metaller aber mussten sich anderswo umsehen, um harte Sachen zu finden.“

      Da es in Amerika kein echtes Pendant gab, war es an der Londoner Presse, nordamerikanische Bands in ihrer eigenen Heimat vorzustellen, so zum Beispiel die druckvollen Anvil aus Toronto und die hartgesottenen Twisted Sister aus New York. „Nur weil wir ziemlich oft in Kerrang! waren, wurden wir mit der NWOBHM in Verbindung gebracht“, sagt Dee Snider. „Dann hatten wir den Durchbruch in England, und als wir wieder nachhause kamen, wurden wir stän­dig gefragt: ‚Wieso habt ihr denn keinen britischen Akzent?‘ Wie Hendrix, Joan Jett und die Stray Cats vor uns sind wir nach England gegangen, um zu Ruhm und Reichtum zu gelangen, und erst von dort aus starteten wir weltweit durch.“

      Nachdem Kerrang! positiv über Twisted Sister berichtet hatte, reiste ihr geschäftstüchtiger Gitarrist Jay Jay French nach England, um der Gruppe einen Plattenvertrag in Europa zu sichern. Diese unkonventionelle, aber notwendige Reise war ein Erfolg und führte dazu, dass auf You Can’t Stop Rock ’N’ Roll von 1982 ein stärkerer britischer Einfluss spürbar wurde. „Jay kam mit einer Cas­sette von Iron Maidens Killers zurück nach New York“, erinnert sich Dee Snider, „und er hat sie mir gegeben, weil der Bassist Mark Mendoza und ich die Metal­heads waren. Ich habe sie eingelegt und war sofort total hin und weg. Und dann wurde ich auch noch ein großer Fan von Saxon.“

      Spielte man 1980 in Los Angeles etwas, das auch nur entfernt nach Heavy Metal klang, ohne Van Halen zu sein … galt man als Idiot. Obwohl sie unab­lässig die Vorzüge von Bikinis und Sportwagen priesen, lagen die Ursprünge selbst dieser Band, die als so archetypisch kalifornisch galt, in Europa. Eddie Van Halen und sein Bruder Alex waren aus Holland eingewandert und 1962 als holländisch sprechende Grundschüler nach Pasadena gezogen. Vielleicht ent­sprang die einfallsreiche musikalische Herangehensweise der beiden der Erfah­rung, von einer Kultur in eine andere gewechselt zu sein.

      In vielerlei Hinsicht stellten Van Halen das sportliche amerikanische Gegenstück zu Led Zeppelin dar und waren als Band eigentlich zu großspurig, um wahr zu sein. Mit ihren ersten vier Alben verbreiteten sie erfolgreich kali­fornischen Sonnenschein und verkauften den wilden Hollywood-Lebensstil mit einer ausgelassenen Partystimmung, die ihr offensichtlich vorhandenes Talent nicht schmälerte. Das Maskottchen der Band, der akrobatische, löwenmähnige Sänger David Lee Roth, verband die unglaublichen Schreie eines Ian Gillan von Deep Purple mit dem lüsternen, unverblümten Gehabe eines Jim Dandy Mangrum von Black Oak Arkansas. Obwohl Van Halen unschlagbar waren, hatten sie gewöhnliche Bedürfnisse, aßen weiterhin Hamburger und tranken kaltes Bier wie ganz nor­male Leute.

      Es war der wunderbar fingerfertige Gitarrist Eddie Van Halen, der die Band über die Maßen aufregend machte. Seine technisch versierten, protzigen Soli, wie er sie beispielsweise bei „Eruption“ zeigte, mach­ten aus der Heavy-Metal-Gitarre eine äußerst kom­plizierte Wissenschaft. Anstatt nur Bluestonleitern das Griffbrett rauf und runter zu jagen, griffen Van Halen aus allen Richtungen an. „Ich war ein großer Fan von Van Halen, Judas Priest, Jimi Hendrix und Michael Schenker von UFO – Gitarristen mit einem ganz besonderen Gefühl“, sagt George Emmanuel alias Trey Azagthoth, später Gitarrenheld bei Morbid Angel. „Damals war es angesagt, ziemlich extrem zu spielen. Eddie Van Halen hatte solche Wucht und so viel Gefühl – sein Sound und seine Art des Ausdrucks hatten etwas Elektrisierendes.“

      Die wenigen anderen Heavy-Metal-Bands in Los Angeles versuchten eben­falls, bodenständigem Heavy Metal hausgemachtes Showbusiness-Flair zu ver­leihen. Emsige kleine Fische wie Quiet Riot, Snow und Xciter ahmten die mark­erschütternden Hymnen von Judas Priests British Steel nach und verbeugten sich in Richtung Van Halen, wenn sie ihre eigenen Gitarrenhelden antreten lie­ßen. Quiet Riot beschäftigten den geschmeidigen Solisten Randy Rhoads, Snow den hyperaktiven Carlos Cavazo, der Rhoads später bei Quiet Riot ablöste. Das Aushängeschild von Xciter war die faszinierende, melodische Leadgitarre von George Lynch, der später Dokken gründete.

      Ozzy Osbourne, der in Los Angeles wohnte, seit er mit Black Sabbath 1976 dorthin übersiedelt war, schaffte den Brückenschlag zwischen den europäischen und amerikanischen Einflüssen. Nach seinem Abschied von Sabbath gelang ihm mit seinem Soloalbum Blizzard Of Ozz nach beinahe völliger Selbstzerstörung der Wiedereinstieg. Nach einer Reihe von ungünstigen Geschäftsabschlüssen pleite, rettete ihn die Beziehung zu Sharon Arden, der Tochter von Sabbath­Manager Don Arden. Sharon brach mit ihrem Vater, um den alkoholkranken Rockstar zu managen, kaufte Osbourne von seinen vertraglichen Verpflichtun­gen frei, und das Paar fing bei null neu an.

      Auf ihrer letzten Tour waren Black Sabbath von Van Halen in den Schatten gestellt worden – das hatte Ozzy offenbar tief beeindruckt. Auf Blizzard Of Ozz ahmte er Van Halens metallischen Rock mit dem grandiosen Gitarristen Randy Rhoads und den Studiomusikern Bob Daisley und Lee Kerslake nach. Ozzys Band steckte den rifflastigen Black-Sabbath-Stil ins Gewand eines melodischen, radiofreundlichen Kalifornien-Sounds, den sie 1980 auf zwei Alben verewigte, Blizzard Of Ozz und Diary Of A Madman, Letzteres nach einer Kurzgeschichte des russischen Schriftstellers Nikolai Gogol benannt. Viele frühere Black­Sabbath-Fans hörten nicht mehr hin, aber es gab eine neue Generation, die auf einen Neuanfang und eine ordentliche Ladung Härte wartete.

      FRÜHER AMERIKANISCHER METAL

      In den Achtzigerjahren entstand in Los Angeles eine lokale Hardrockszene, die sich im Namen von Van Halen gegen Disco zur Wehr setzte. Einige Bands legten ein sonderbares Bühnengebaren an den Tag, um die Monotonie zu durchbrechen – die meisten brutzelten in der Sonne, färbten sich die Haare blond und stürzten sich in Erwartung des großen Loses in ein Meer geklonter Clubgänger. In New York konnte niemand etwas mit Bands wie Riot oder Twisted Sister anfangen. Trotzdem war es wichtig, dass diese Bands mit der Welle aus England konkurrierten. Von ihrer ganzen Ausrichtung her war Ozzy Osbournes neue Band amerikanisch. Zusammen mit Van Halen trug er dazu bei, Aerosmith, Heart und dem Rest der Hardrock- Mitläufer Anfang der Achtzigerjahre den Hahn abzudrehen. Schon bald führten Mötley Crüe, Ratt und die Metal Massacre-Gang den Heavy Metal in eine vollkommen neue Richtung.

      Heiße Rocker:

      Lita Ford, Out For Blood (1983)

      Mötley Crüe, Too Fast For Love (1981)

      Ozzy Osbourne, Blizzard Of Ozz (1980)

      Ozzy Osbourne, Diary Of A Madman (1981)

      Quiet Riot, II (1979)

      Ratt, Ratt EP (1983)

      Riot, Fire Down Under (1981)

      Twisted Sister, Under The Blade (1982)

      Van Halen, I (1978)

      Van Halen, Women And Children First (1980)

      diverse Interpreten, Metal Massacre (1982)

      Y&T, Earthshaker (1981)

      Mollakkorde

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