Höllen-Lärm. Ian Christe

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Höllen-Lärm - Ian Christe

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und paarte gnadenlose Härte mit schwereloser Euphorie – gemeinsam bildeten sie den Kern des NWOBHM-Universums.

      Heavy Metal war Musik unter Druck; die vielen verschiedenen Schichten an Rhythmen und Melodien ergaben ein Feuerwerk des Hochgeschwindig­keitssounds. Die Energie mehrerer Gitarren wurde zu einem einzigartig zentra­len Element, sie steigerte das protzige Ethos im Heavy-Metal-Songwriting und trug zu einer komplexeren musikalischen Entwicklung bei. Selbst die schlichtes­ten NWOBHM-Schurken variierten ihre drei Akkorde mit Tempowechseln, Gitarrensoli und Energie- oder Stimmungsumschwüngen. Dave Mustaine, Gründer von Megadeth und ehemaliges Mitglied von Metallica, erklärt: „Die NWOBHM brachte eine Menge weniger bekannter Bands hervor, aber der Musikstil sprach mich sehr an. Alles beruhte auf zyklischen Riffmustern.“

      Da die Karriere von Black Sabbath vorübergehend auf Eis lag, sprangen Judas Priest als Anführer der Metal-Renaissance in die Bresche. Sie krönten die Albumflut von 1980 mit dem triumphalen British Steel, das in seinem Titel und in Songs wie „Metal Gods“ direkt auf das englische Heavy-Metal-Phänomen anspielte. Judas Priest hatten bereits den Punk überlebt und waren kurzzeitig mit Kiss durch die USA getourt. Sie hatten daraus gelernt und wurden nun stromlinienförmiger. „Living After Midnight“ und „Breaking The Law“ legten die Betonung eher auf Refrains zum Mitsingen anstatt auf ausgefeilte klassische Konstruktionen.„Das war der große Durchbruch für Priest“,sagt Rob Halford. „Das war die Platte, die im großen Stil den Ausbruch aus der Unterdrückung einläutete. Als Songs wie ‚Living After Midnight‘ und ‚Breaking The Law‘ tat­sächlich im Radio gespielt wurden, setzte das einen Prozess in Bewegung.“

      Generell waren die Hardrockbands der Siebziger und die Bands der NWOBHM nicht vergleichbar. Nach 1980 wirkte sogar das Aussehen der Musi­ker aggressiver – statt geblümter offener Hemden, Schlaghosen und Schnurr­bärten bevorzugten Heavy-Metal-Bands nun enge schwarze Lederklamotten und glatte synthetische Stoffe, die mit abstrakten spitzen Winkeln, Blitzen und glänzendem Metall verziert waren. „Ich erinnere mich, dass ich mal ein Clash­T-Shirt auf der Bühne getragen habe“, sagt Jess Cox. „Wir hatten auch normale Hosen statt Schlaghosen. Die Haare trugen wir mit gerade geschnittenem Pony statt des alten Mittelscheitels. Ich weiß, das klingt blöd, aber früher, Ende der Siebziger, hatten die meisten älteren Rockbands balkendicke Schnurrbärte!“

      Die NWOBHM berührte auch die allgemeineren, von Punk aufgeworfe­nen Themen und machte sich eine raffinierte, wenn auch eher indirekte Her­angehensweise an Politik zu Eigen. Das Cover der Iron-Maiden-Single „Sanc­tuary“ zeigte Premierministerin Thatcher, wie sie bei dem Versuch, in einer Sei­tengasse ein Poster der Band herunterzureißen, mit einer Axt erschlagen wird. Die britische Regierung reagierte auf die Beliebtheit der Platte mit Zensur und verlangte, dass bei der nächsten Auflage ein schwarzer Balken das Gesicht der gemarterten Staatschefin verbergen solle. Übrigens wurde Thatcher, die Sozial­leistungen strich, Regierungsbehörden zum Verkauf anbot und die Gewerk­schaften bekämpfte, wegen ihrer Maßnahmen von der Presse später der Spitz­name „the Iron Maiden“ – „die Eiserne Jungfrau“ – verliehen.

      Heavy-Metal-Fans ersetzten die orangefarbenen Irokesenschnitte der Punks durch einen eigenen Look, der sich vor allem auf die harten europäischen Rocker der Siebziger bezog (wie man sie in der Rockoper Quadrophenia von The Who 1973 um Lagerfeuer herumstehen sieht). Diese jungen Deutschen, Engländer, Holländer und Italiener hatten den Terrorismus, den wirtschaft­lichen Niedergang und die Anwesenheit der NATO- oder Ostblock-Truppen in ihren Ländern während des Kalten Kriegs überlebt. Wie die Hells Angels tru­gen sie schwarze Lederjacken unter zerrissenen Jeanswesten, die sie liebevoll mit Anstecknadeln und Aufnähern von Motörhead, Thin Lizzy oder Deep Purple schmückten. „Ich hatte mein Leben lang immer mit Bikern zu tun“, sagt Tom Warrior,dessen Vater Motorradrennfahrer und Motorsportjournalist war.„Ich fand, dass die Bikergangs in Amerika – egal, wie unglaublich radikal sie aus­sahen – die tollsten Leute überhaupt waren. In Europa, besonders Anfang der Achtzigerjahre, waren sie gewalttätiger und in Konkurrenzkämpfe und Prosti­tution verwickelt. Das war die Fanbasis von Deep Purple und Motörhead. Die ganze Heavy-Metal-Uniform ist im Prinzip davon abgekupfert.“

      Diese ersten „Headbanger“, die sich am Bühnenrand festhielten und ihre verschwitzten Köpfe in Verehrung der pulsierenden Musik schüttelten, klam­merten sich religiös an ihre neuen Klassiker. Sie entdeckten aber auch bald das Universum hunderter neuer Heavy-Bands – Diamond Head, Angel Witch und Raven an vorderster Stelle. In einem manischen Ringen um Aufmerksamkeit produzierten diese Gruppen eine Musik aus purer Energie – hyperaktiv und unüberhörbar. Die ersten beiden Alben von Raven, Rock Til You Drop und Wiped Out, stürmten mit kreischendem Gesang und Gitarren drauflos, als seien sie rasend geworden durch den Kitzel der Geschwindigkeit und des Klangfeuer­werks aus reinem, unverfälschtem Heavy Metal. „Es liegen keine Nervosität, keine Finesse, keine Tücke in dem, was sie machen“, schrieb Sounds. „Raven sind schlicht und einfach die reine Leidenschaft.“

      Das Jahr 1980 wurde durch die Wiederveröffentlichung von Black Sabbaths Paranoid abgerundet, das nach wie vor ausgezeichnete Kritiken bekam. Die mehr als zehn Jahre alte archetypische Metal-Platte stieg wieder in die briti­schen Charts – gemeinsam mit dem Debüt von Iron Maiden, das bis auf Platz vier kletterte. Im August 1980 präsentierte Sounds ein Konzert mit dem Titel Monsters of Rock, bei dem Judas Priest, Saxon, die Scorpions, Rainbow, Riot, April Wine und sechzigtausend Fans auf dem Gelände von Castle Donington zum ersten reinen Heavy-Metal-Festival zusammenkamen. Das Ereignis ver­netzte Metal-Musiker mit der mitreißenden Energie des riesigen englischen Publikums und bewies, dass die Szene ihrer bescheidenen Pub-Herkunft ent­wachsen war. Doch am wichtigsten schien, dass die loyalen Heavy-Metal-Fans in Massen herbeiströmten, sobald sie zeigen durften, wie zahlreich sie waren.

      Obwohl sich täglich neue Heavy-Metal-Bands gründeten, konnten britische Headbanger die jüngsten Entwicklungen nur in den Randspalten von Sounds verfolgen oder indem sie eine Ausgabe von Aardschok ausfindig machten – eine

      Zeitschrift aus Holland, die leider den kleinen Nachteil hatte, dass sie aus­schließlich in holländischer Sprache erschien. Doch der Erfolg von Monsters of Rock veranlasste die Londoner Publizisten, der neuen Heavy-Metal-Energie endlich einen größeren Anteil ihrer Veröffentlichungen zu widmen. Sounds glie­derte seine Berichterstattung über die NWOBHM im Juni 1981 in Form eines reinen Metal-Ablegers aus. Kerrang! war ein lautmalerischer Titel, der das Heu­len der Gitarren, das Krachen der Becken und das Aneinanderschlagen head­bangender Köpfe ausdrückte. Lemmy behauptete, der Name stamme von einem Bühnentransparent von Motörhead.

      Kerrang! avancierte sofort zur Metal-Bibel. Zu seinem Stamm von Schrei­bern, die der gedeihenden Unterwelt Stimme und Identität verliehen, gehörte eine Reihe alter Sounds-Autoren wie Geoff Barton und Malcolm Dome. Wie geis­tige Brüder von Lester Bangs und Hunter S. Thompson im Geschwindigkeits­wahn tauchten sie begeistert in die Metal-Szene ein und verwöhnten ihre Leser mit weitschweifigen, beinahe berauschten Berichten. In der ersten Ausgabe von Kerrang! erschienen Artikel über Diamond Head, Venom, Raven und Jaguar, herrliche Farbfotos von Lemmy, Girl­school und dem exzentrischen Gitarrenwunder Michael Schenker von UFO sowie eine Betrachtung des erstaunlich gediegenen Privatlebens von Saxon, die sich als bieder-briti­sche Teetrinker zu erkennen gaben. Eine kleine Fotostrecke mit Meatloaf, Duran-Duran-Sänger Simon LeBon und Paul Di’Anno von Iron Maiden beschäftigte sich mit der Frage, wer von den drei Herren der­zeit am untersetztesten war.

      Kerrang! lasen so viele, dass die Bands, die dort gefeiert wurden, meist zu einflussrei­chen, wenn auch nicht in jedem Fall langlebigen Ikonen des Metal aufstiegen. Zu den Lieblingen des Hauses zählten beispielsweise die beeindru­ckenden Girlschool, eine reine Mädchenband aus dem Süden Londons, die heavy genug war, um mit Motörhead die Klingen zu kreuzen; auf der St. Valen­tine’s Day Massacre-EP coverten sich die beiden liebreizenden Bands gegen­seitig. Jon-Mikl Thor – sei­nes Zeichens ehemaliger Bodybuilder und „Mister Teen“ aus Kanada, der in seiner Muskelshow Wärm­flaschen zu Ballons aufblies und Stahlrohre mit den Zähnen verbog – erhielt in Kerrang!

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