Macht. Klaus-Jürgen Bruder

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Macht - Klaus-Jürgen Bruder

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mit denen Urteile und Wertungen verbunden sind: Wiederkehrende Formeln und Sprechblasen zu Sachverhalten oder Personen wie: »die Löhne sind zu hoch«, »mehr Eigenverantwortung – weniger Sozialstaat« oder festgelegte, werthaltige Bezeichnungen von Personen oder Regierungen. Die wir verachten sollen, heißen »Regime« oder »Diktatur«, »Schlächter Assad«, »Autokrat Putin« (vgl. Müller, 2004, S. 6 ff.; ebd. 2019, S. 23). Dazu gehören auch Wendungen, die man mit Orwell als »Neusprech« bezeichnet und die bei Orwell die drei Grundsätze bedeuten: »Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke.«

      Diese wiederholten, normierten Redewendungen werden uns wie Ohrwürmer in unser Gehirn geträufelt, ins Unterbewusstsein geschafft, am besten so, dass wir dies gar nicht merken (subliminal). Auch das erinnert an Schöne neue Welt, wo solche Parolen im Schlaf immer wieder über Lautsprecher aufgesagt werden, er nennt das »Hypnopädie« (vgl. Huxley 1932/1979, S. 32 f.).

      3.Affirmativ auftreten, keine Zweifel oder Alternativen aufkommen lassen. Wie: »es steht außer Zweifel«, »wie wir alle wissen« (Müller 2009, S. 133). Mit diesem autoritativen Gestus wird Gleichschaltung hergestellt.

      4.Experten einsetzen, sich auf Experten berufen. Sie werden bei Kampagnen oft missbraucht, wie bei Debatten zur Kernenergie, Klimawandel, Wirtschaftsfragen, Wahlforschung (ebd. 2019, S. 53) – und derzeit zur Corona-Politik.

      5.Verschweigen oder aus dem Zusammenhang reißen von Fakten, Absichten, Geschehnissen, sodass es keinen oder einen veränderten Sinn ergibt (vgl. ebd. 2019, 25 f., 29 f.).

      Massenmedien, so schreibt Marcuse, vermischen »Wahrheit und Halbwahrheit mit Auslassungen, Tatsachenberichte mit Kommentaren und Wertungen, Information, Werbung und Propaganda« (Marcuse 1968, S. 27). Dazu gehört auch der gezielte Einsatz von Gerüchten und Vorurteilen.

      6.Der Einsatz von Emotionen, unter anderem von Angst, wird übertrieben, und es werden abschätzige Beurteilungen und Vorurteile geschürt (vgl. Müller 2019, S. 36, 59).

      7.Wippschaukeleffekt: Je schlechter der eine erscheint, desto besser der andere, zum Beispiel »schlechter Trump, guter Obama« oder »im Vergleich zu Autokraten ist unsere Demokratie gut« (vgl. ebd. 2019, S. 42 f.).

      8.Konflikte zwischen Personen nutzen und inszenieren. Konflikte schaffen Öffentlichkeit (vgl. ebd. 2019, S. 61 f.).

      9.Umfragen nutzen, um Stimmung zu machen (vgl. ebd. 2019, S. 46).

      10.Alle Teilnehmer einer Gesprächsrunde sind der gleichen Meinung, oder die Runde wird durch ein bis zwei kritischere Stimmen ergänzt »als Alibi und Glaubwürdigkeitskatalysator« (ebd. 2019, S. 40 ff.).

      Solche und ähnliche Methoden der Meinungsbeeinflussung werden systematisch und ständig eingesetzt, wir merken das aber meistens nicht, sind dem ausgeliefert – und das ist eine der Bedingungen für die Wirksamkeit von Manipulation.

      Wenn im großen Stil Meinung beeinflusst werden soll, werden Kampagnen veranstaltet, als Internetauftritte, Fernsehspots, Talkshows inszeniert, dazu Wissenschaftler, Lobbygruppen, Journalistenfachleute eingeladen (vgl. ebd. 2009, S. 145 f.).

      Ob das gewünschte Ziel erreicht wird, ist jedoch offen. Auch wenn unentwegt ein ganzes Arsenal an Manipulationsversuchen auf uns einprasselt, wissen wir, dass Manipulation zum Glück deutliche Grenzen hat und nicht alle Methoden bei allen Menschen gleich effektiv und im gleichem Maß wirken. Dies hat ja bereits Lazarsfeld vertreten und gehört zu den Ergebnissen der Yale Studies.

      Vor allem können Meinungen den Beherrschten nicht wirklich aufgezwungen werden, die Beherrschten müssen diese auch selbst als »Überzeugung« übernehmen.

      Die Wirkung von Manipulationsversuchen hängt von einer Reihe von Variablen ab, längerfristigen und situativen. Dazu gehören vor allem die demografischen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung, soziale Lage, Einkommen, soziale Positionen und Rollen, auch Tätigkeiten und Abhängigkeiten, die im Beruf oder in der Familie, im Freundeskreis, eingenommen werden.

      Natürlich sind auch, besonders in etwas »normaleren« Situationen, Persönlichkeitseigenschaften, Bedürfnisse Abwehrstrukturen von Bedeutung. Wenn eine Anforderung oder ein Produkt so gar nicht auf ein Bedürfnis passt, kann es auch nicht begehrt werden. Ebenso werden sich lebenslang eingespielte Abwehrstrukturen und Verarbeitungsmechanismen gegen bestimmte Tendenzen richten und es wird da kaum eine tiefergehende Beeinflussung möglich sein, jedenfalls nicht unter einigermaßen »normalen« Bedingungen.

      Dazu als Beispiel unsere aktuelle, alles bestimmende Situation, die Corona-Politik. Die Zustimmung zu dieser Politik insgesamt ist sehr hoch – bis zu sechzig Prozent – zu einzelnen Fragen mag sie geringer sein. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass die Zustimmung zum Pandemie-Management abhängig ist vom Einkommen und der sozialen Schicht: Haushalte mit geringem Einkommen sind eher unzufrieden, sie sind auch die, die am meisten verlieren. In der untersten Einkommensgruppe sind nur 46 Prozent zufrieden mit der Regierungspolitik, bei der höchsten sind es dagegen 72 Prozent. Darüber hinaus hegen fast vierzig Prozent aller Befragten den Verdacht, die Pandemie könnte benutzt werden, »um die Interessen von Reichen und Mächtigen durchzusetzen«. Auch hier: Je höher das Einkommen, desto mehr Vertrauen (vgl. junge Welt vom 11.07.20).

      Als Instrumente der Zustimmungen wurden in erster Linie eingesetzt: Angstmachen, besonders durch Übertreibungen, finstere Prognosen und Zahlenspiele. Auch viele einzelne Strategien wirkten, wie abrupte Verbote, dann schrittweise Vorschriften und Lockerungen und immer wieder erneute Verlängerungen. Dazu eingesetzt wurden neben den Regierungsmitgliedern von ganz oben besonders »Experten«, bei gleichzeitiger Ausschaltung alternativer Expertenmeinungen. Die Medien wurden oder haben sich angepasst, bei gleichzeitiger Ausschaltung oder Verpönung der Alternativmedien. Proteste wie Demonstrationen wurden verboten oder eingeschränkt, auf jeden Fall in hohem Maß diffamiert, am beliebtesten mit den Keulen »Rechtsextremismus« oder »Verschwörungstheorie«.

      Neben den gezielt eingesetzten Methoden der Beeinflussungen sollten wir nun nach den grundlegenden psychologischen Prozessen fragen, die hierbei in Gang gesetzt werden.

      Einfluss auf die Meinung hat spontan eigentlich alles Erleben, das tägliche Leben der Arbeit, der Familie, gelebte kulturelle Gewohnheiten und Werte und so weiter. Oder wie Marx das sagt:

      Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewusstseins ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit und in den materiellen Verkehr der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens. Das Vorstellen, Denken, der geistige Verkehr der Menschen erscheinen hier noch als direkter Ausfluss ihres materiellen Verhaltens […]. […] Das Bewusstsein kann nie etwas Andres sein als das bewusste Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozess. (Marx, 1845/1962, S. 26)

      Doch bleibt die Frage, wie äußere Ereignisse, Erlebnisse auf innere Kognitionen und Konflikte treffen und sich so daraus eine Meinung, eventuell dann auch ein mehr oder weniger zusammenhängendes Set von Meinungen, eine Haltung, ein »Lebensstil« oder »Weltanschauung« bildet. Hier spielen Vorerfahrungen, das soziale Umfeld, Situationen und Kontexte, gesellschaftliche Erwartungen, Normvorstellungen und Zwänge ebenso eine gewichtige Rolle wie innere Erlebnisse, Kognitionen und Emotionen.

      Entscheidend aber ist, dass alle äußeren Einflüsse – Ereignisse, Berichte, Meinungen – auf innere, bereits vorhandene, zu Kognitionen und Emotionen verarbeitete Ereignisse treffen und dass deshalb ein Prozess der Verarbeitung stattfinden muss. Wir wählen bereits in der Wahrnehmung aus, interpretieren und ordnen dies ein. Wir bilden ein Deutungsmuster

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