Macht. Klaus-Jürgen Bruder
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Die Öffentlichkeit soll auf Ereignisse eingestimmt werden, die sie eigentlich ablehnt (vgl. Chomsky 1991/2003, S. 30). Sobald es Probleme bei der Konsensbildung gibt, muss man die verwirrte Herde ablenken, man muss die Angst vor den Feinden schüren oder einen neuen Feind gegebenenfalls erfinden (vgl. ebd., S. 41 f.). Nützlich sei auch, eine regelmäßige Dosis patriotischer Propaganda darzubieten (vgl. ebd., S. 103). Auch Debatten und Diskussionen können im Propagandasystem ihre Aufgabe erfüllen, wenn sie in angemessenen Grenzen bleiben (vgl. ebd., S. 102).
Chomsky verweist noch einmal besonders auf die Rolle der Intellektuellen als Erfüllungsgehilfen der Mächtigen: Intellektuelle und führende Persönlichkeiten seien erstrangiges Ziel der Herstellung von Konsens. Wer die Meinungselite mobilisiert, hat damit auch die Öffentlichkeit. »Die Wirkungen staatlicher Propaganda sind umso größer, je mehr sie von den gebildeten Schichten unterstützt und keine Kritik daran zugelassen wird« (ebd., S. 30).
Hier müssen wir natürlich wieder an die Figur des »Tui« von Brecht denken, die Intellektuellen und Wissenschaftler als »Mandarine« am Hofe des Kaisers. Die großen Tuis müssen für den Kaiser die beste, die überzeugendste Lüge für einen Betrug vom Kaiser erfinden. Das klappt, hat immer geklappt und funktioniert auch heute blendend.
Nach dem Krieg 1918 wurde die Propaganda in den USA erweitert auf Werbepsychologie und Reklameforschung, weiter neben der politischen Propaganda. Hier ist vor allem Edward Bernays, geboren 1891 in Wien, aufgewachsen ab 1892 in New York, Neffe von Freud, zu nennen, als Pionier der »Public Relations« – wie die anrüchige Propaganda nun genannt wird. Bernays, durchaus beeinflusst von Lippmann, gilt als »PR-Machiavelli« und »Ingenieur der Demagogie« (Kocks 2011, S. 12 f.), der auf dem Klavier der unbewussten Wünsche und Sehnsüchte zu spielen verstand. In »brutaler Offenheit« pries er »die Möglichkeiten, die Öffentlichkeit ohne deren Wissen vorsätzlich zu manipulieren« (ebd., S. 11).
Auch er hatte seine Sporen bereits in der Kriegspropaganda (CPI) verdient, die er als »grandios« erfolgreich rühmte und die ihm »die Augen geöffnet« hat für die »Möglichkeiten von Manipulation der Massenmeinung« (Bernays, 1928/2011, S. 33). Bernays, eher Praktiker als Theoretiker, wurde PR-Berater für Politiker auf höchster Ebene und Berater für verschiedenste große Industriebranchen und Institutionen.
Er beginnt sein Buch Propaganda (1928) mit folgenden Sätzen:
Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land […]. Die unsichtbaren Herrscher, die Mitglieder des Schattenkabinetts, regieren uns dank ihrer angeborenen Führungsqualitäten […] und aufgrund der Schlüsselpositionen, die sie in der Gesellschaft einnehmen. (Bernays 1928/2011, S. 19)3
Bernays definiert Propaganda als das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu einem Unternehmen, einer Idee oder einer Gruppe zu beeinflussen (ebd., S. 31).
Er entwickelt ein Konzept der Beratung mit systematischer Abfolge, wie Analyse des Problems des Auftraggebers, Analyse des Publikums, das erreicht werden soll, Formulierung übergreifender Strategien und so weiter (ebd., S. 42 f.). Wichtig ist nicht nur, Emotionen und Gefühle zu erfassen und zu wecken, auch muss – »da der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist« – es »den verborgenen Herrschern« gelingen, »den Einzelnen in seiner Gruppenzugehörigkeit zu erreichen und seine Motive zu manipulieren« (ebd., S. 49).
Dies wendet er natürlich auch auf die Politik an, was sein zynisches Verhältnis zur Demokratie noch einmal mehr verdeutlicht:
Ein seriöser und talentierter Politiker ist dank des Instrumentariums der Propaganda glücklicherweise in der Lage, den Volkswillen zu formen und zu kanalisieren. Unsere Demokratie muss von einer intelligenten Minderheit geführt werden, die weiß, wie man die Massen leitet und lenkt. (ebd., S. 99)
Empirische Massenkommunikationsforschung:
Paul Lazarsfeld, Carl Hovland
Mit der Großen Depression von 1929 kam es auch in den USA zu großer Verarmung, Arbeitslosigkeit, die Streiks und Unruhen auslösten. Dies wurde dann Anfang der Dreißigerjahre mit den Reformkonzepten des New Deal ab 1933 beantwortet. Dieser unter Präsident Franklin D. Roosevelt in Kraft getretene Plan bedeutete in verschiedenen Etappen Aufbruch, Erneuerung auf allen Ebenen, auch Förderung der Psychologie und Sozialwissenschaften, Entwicklung positivistisch begründeter Sozialtechniken. Man hatte verstanden, dass statt Repression von Unruhen, Befriedung der Bevölkerung nötig und langfristiger wirksam ist für die Stabilisierung der kapitalistischen Gesellschaft. Impfen statt operieren. So entstanden in allen Bereichen, Pädagogik, Bildung, Arbeitsorganisation, Zusammenleben, Kultur, neue Konzepte. Massenkommunikation, Medienforschung, Erforschung der Meinungen waren dafür notwendige Instrumente, man hat sich verabschiedet von der abschätzigen, wertenden Massenpsychologie im bisherigen Sinn à la Le Bon, damit auch von dem entsprechenden Propaganda- und Manipulationsbegriff, und verstand »Masse« als disperses, inhomogenes, keine Gemeinschaft bildendes Publikum, das erforscht und pazifiziert werden musste. Diese Wende geschah trotz oder weil man die Zuspitzung und Totalisierung der Massenpsychologie in der Propaganda der Nazis gerade erlebte.
Mit dieser neuen Auffassung und Aufgabe der Massenkommunikation ist der Name Paul Lazarsfeld, geboren 1901 in Wien, aufs Engste verbunden. Mit Lazarsfeld beginnt in den Vierzigerjahren ein neues Kapitel der Massenkommunikationsforschung, »die empirische Wende: Propaganda als Sozialtechnik« (Bussemer 2005, S. 249). Er wurde der führende Kopf der neuen Massenkommunikationsforschung, der Wahlanalysen und Wahlforschung. Ich halte mich hier im Wesentlichen an die Darstellung von Bussemer (2005).
Lazarsfeld hat in den Vierzigerjahren eine Reihe interessanter Thesen zur Medienwirkung aufgestellt und erforscht, unter anderem:
1.Zweistufenhypothese (Two-step flow of communication): Meinungen von Medien fließen zunächst zu Meinungsführern, dann erst zur breiten Masse (Bussemer 2005, S. 260).4
2.Theorie der selective exposure des Publikums zu Medienangeboten, das heißt, es findet eine selbstbestimmte Auswahl der quasi persönlichen Medien, Zeitung, des Kanals et cetera statt.
3.Bedeutung der Gruppe bei Medienrezeption.
Lazarsfeld betont mit diesen Thesen eine Verankerung der individuellen Meinung in den sozialen Beziehungen, über den lokalen Meinungsführer (opinion leader) (These 1) oder der Gruppe, der man zugehört, dem engeren sozialen Netzwerk von Familie, Freunden, Kollegen (These 3). Diese engeren, lokalen sozialen Bezüge seien »Bollwerke gegen mediale Persuasion« (ebd., S. 261). »Opinion leader« können aber auch selbst gewählt sein durch die Selektion meines Mediums (These 2). In diese Selektion gehen ebenfalls Meinungsführer, auch Vorerfahrungen, Haltungen aus anderen Quellen ein.
Wir müssen wohl von einer Stufenfolge von Meinungsführern ausgehen, sodass dem Meinungsführer meiner Gruppe wiederum andere vorausgehen. So können Meinungsführer auch Autoritätspersonen sein, wie Politiker, Nachrichtensprecher, Lehrer Ärzte, Pfarrer und so weiter, je nach Fragestellung, Personen des öffentlichen Lebens.
Mit seinen Thesen begründet Lazarsfeld seine Auffassung, dass die Medien selbst direkt nur begrenzte Effekte haben, sie müssen erst verschiedene Filter durchlaufen (vgl. Lazarsfeld 1968/1975, S. 260 f.).
Doch räumt er die Möglichkeit einer besonderen Wirkungsmacht von manipulativer Propaganda unter besonderen Bedingungen ein. Entscheidend sei dafür die »Monopolisierung«,