Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten. Sam Cutler

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Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler

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      Ein LKW fuhr bis an den Bühnenrand, und vier fette, kräftige Roadies luden das Drum-Set ab. Es war schon komplett aufgebaut und auf einer dicken Sperrholzplatte festgenagelt worden! Die Roadies zerrten dieses Monstrum aus dem LKW und wuchteten es mit der Kraft von vier Supermännern auf die Bühne. Ginger musste sich nur noch hinsetzen und spielen. Eigentlich hätten sie ihn auch mittransportieren können! Bei Ginger Baker, einem wilden Typen mit einer knallroten Mähne, war einfach alles denkbar.

      An diesem glorreichen Sonnentag tauchten viele Größen aus der Musikszene auf, die sich hinter der Bühne sonnten – und Mick Jagger schlenderte mit Marianne Faithfull über das satte Grün des Rasens.

      Die Stones hatten schon seit fast drei Jahren keine groß aufgemachten Shows mehr gespielt und spürten, dass sie Gefahr liefen, bald von der Bildfläche zu verschwinden. Bei dem Blind-Faith-Konzert konnte Mick aus nächster Nähe erleben, dass der Weg für seine Band auch in einem kostenlosen Gig bestand, denn so konnten sich die Stones vor vielen Zuschauern neu etablieren. Damals war „Free“ ein wunderbares Statement, denn die Musik stand vor dem finanziellen Imperativ. Dadurch wurde der zunehmenden Kommerzialisierung der Musikszene widersprochen. Wir führten eine lange und ernste Unterhaltung über die logistischen Hürden, die man bei einem solchen Konzert nehmen muss. Mick hasste die Bühne, die wir so schnell zusammengezimmert hatten, und ich pflichtete ihm bei. Wir einigten uns darauf, dass eine feste Plane absolut notwendig war, denn in Großbritannien ist man vor Regen nie geschützt – auch nicht an einem scheinbar heiteren Sommertag. Mir blieb nichts anderes übrig, als Mick und Marianne wiederholt zu erklären, dass ein Free Concert Kosten verursacht, weil Produktionskosten anfallen. Mick nickte mit bedächtiger Miene. Ich sagte ihm, dass er mich jederzeit über meinen Freund Alexis oder Blackhill erreichen könne. Dann machte er sich auf den Weg, in ein Gespräch mit Marianne vertieft. Als kleinen Wink für Mick spielten Blind Faith an dem Tag die Stones-Nummer „Under My Thumb“.

      In vielerlei Hinsicht war die Show ein Durchbruch. Ein Free Concert dieser Größenordnung hatte niemals zuvor stattgefunden. Die Band wollte sich nicht ansagen lassen, da es rein um die Musik ging und nicht um dümmliche Ego-Trips. Die Leute saßen im Gras, kifften und ließen es sich gut gehen. Niemand wurde verhaftet, denn die Polizei entschied sich klugerweise, den Drogenkonsum zu ignorieren. 150.000 Menschen genossen einen wunderbaren Tag, und das Konzert wurde von allen als ein Riesenerfolg gefeiert.

      Doch leider war die Musik nicht sonderlich gut. Die Band hatte hörbar zu wenig geprobt, und Clapton sah bleich aus, wirkte zurückhaltend und schien sich mit Drogenproblemen abzuplagen. Winwood sang den Großteil der Stücke mit seiner überaus kräftigen Stimme, sah aber so spindeldürr aus, dass ich ihm am liebsten ein ordentliches Essen zubereitet hätte. Ric Grech, der Bassist, saß im falschen Zug, und Ginger Baker spiele ein 15-minütiges Schlagzeugsolo, ganz nach seinen Wünschen. Die Band wirkte wie Cream, Teil 2, was Clapton eigentlich unter allen Umständen vermeiden wollte.

      Auf das Debüt folgte eine US-Tour, und danach löste sich die Band einfach auf. Es überraschte mich nicht. Blind Faith stellten das perfekte Beispiel für die Devise „Schnapp dir die Kohle und hau ab“ dar, bedenkt man den Riesenerfolg ihres einzigen Albums. Schade und traurig. Sie verfügten über ein großes Potenzial, aber man hätte ihnen noch mehr Zeit geben müssen, um interessantere Songs zu komponieren.

      Am Tag nach dem Konzert schrieb der Daily Mirror, eine der größten Tageszeitungen Großbritanniens, in einem Leitartikel: „In wenigen Ländern gelingt es über 100.000 Jugendlichen, so friedvoll zusammenzukommen und der Polizei keine Schwierigkeiten zu bereiten. [Es war] eine der bedeutendsten und liebenswürdigsten Versammlungen junger Menschen, die das Land jemals gesehen hat.“ Natürlich bedankten sich weder das Management oder die Musiker, doch das war uns egal. Wir hatten etwas bewiesen. Free Concerts in Londoner Parks konnten problemlos stattfinden, denn das Publikum interessierte sich für die Musik und wusste, wie man sich benimmt. Einfach, nicht wahr?

      6. Organisationskünstler

      Zwei Tage nach der Blind-Faith-Show fuhren Mick, Keith und Charlie Watts zur Cotchford Farm, wo Brian Jones lebte, und erklärten ihm, er sei gefeuert. Mick Taylor, sein Nachfolger, hatte Peter Green bei John Mayalls Band abgelöst und wurde in Londons Musikerkreisen als ausgezeichneter Blues-Musiker gefeiert. Er war jung und unverbraucht und zählte zu den besten Gitarristen des Landes, vergleichbar mit Brian Jones zu seinen Glanzzeiten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger musste er sich nicht mit Drogenproblemen herumschlagen und konnte somit problemlos ein Arbeitsvisum in den USA beantragen, was Brian verwehrt worden war.

      Als die Rolling Stones Blackhill verrieten, dass sie im Hyde Park spielen wollten, um Mick Taylor vorzustellen, stürzte ich mich mit manischer Energie auf das Projekt und erarbeitete einen grob umrissenen Plan, in dem ich die Grundkomponenten der Show festlegte: exakter Aufrittsort im Park, die Bühne und die Beschallungsanlage [kurz PA]. Vorsichtig einigten wir uns auf die Notwendigkeit eines Budgets. Die Stones schlossen einen Vertrag mit Granada Televison, die eine Dokumentation der Performance aufzeichnen sollten und im Gegenzug die Produktionskosten übernahmen.

      Die Idee, das Konzert durch den Verkauf der Filmrechte zu finanzieren, stammte von Mick. Niemand hatte das zuvor versucht, besonders nicht bei einem Live-Event. Die Rolling Stones waren damals so populär, dass sich einer der größten Fernsehsender bereit erklärte, die Kosten zu begleichen. Natürlich hofften sie, das Investment werde sich durch die Fernsehübertragung des Films und die Filmrechte amortisieren. Bei der Stones-Tour im folgenden Jahr in den USA zog Mick erneut diesen Coup ab, wenn auch in abgeänderter Form.

      Der Hyde Park liegt im Zentrum Londons, vergleichbar mit dem New Yorker Central Park. Wir entschieden uns, die Bühne neben der Serpentine aufzubauen, einem kleinen Fluss mitten im Park. Vom Backstage-Bereich aus konnte man einen Blick über das Wasser werfen; vor der Bühne bildete der Boden eine lange Mulde, so dass jeder optimale Sicht hatte.

      Ich entwarf eine Bühne, die nach heutigen Ansprüchen primitiv, aber funktional war, damals jedoch zu einer der größten Bühnen für ein Open-Air-Konzert zählte. Sie ragte fast zwei Meter in die Höhe und war mit einer festen Plane überzogen – die Zuschauer konnten alles verfolgen, doch nicht hochklettern, um an die Band heranzugelangen. Man hätte eigentlich auf eine Security verzichten können.

      WEM war zu der Zeit der größte Verleih für Beschallungsanlagen in Großbritannien und wurde von einem umgänglichen Gentleman namens Charlie Watkins betrieben. Er war deutlich älter als die meisten Leute, die für die Organisation des Konzerts arbeiteten, stand aber auf die Stones. Für ihn stellte es eine große Herausforderung dar, die Hunderttausende von Fans, die man im Park erwartete, professionell zu beschallen. Eine weitere Schwierigkeit bestand im Mitschnitt des Soundtracks des Films. Letztendlich sang Mick in zwei Mikros, die man nur mit Klebeband aneinander befestigte. Schräg, aber es funktionierte.

      Bisher hatte es noch kein Konzert mit solch einem Schallvolumen gegeben. Um die Vielzahl von Lautsprecherboxen unterzubringen, stellten wir Gerüste auf. Ich berechnete mit Charlie Watkins die Belastung der Bühne, damit die Tagfähigkeit gewährleistet war.

      Kurz darauf rief mich mein enger Freund Chesley Millikin an, der ehemalige Geschäftsführer von Epic Records Europa. Er lud mich ein, ihn nach Heathrow zu begleiten, wo er einen amerikanischen Bekannten abholen und mir vorstellen wollte. Obwohl ich bis zum Hals in der Arbeit steckte, ließ Chesley ein Nein nicht als Antwort gelten. Er holte mich in seinem tollen alten Bentley ab; wir tuckerten stilvoll zum Flughafen und pafften dabei einen dicken Joint.

      Auf der Fahrt unterhielten wir uns über Brian Jones, der einige Charakterzüge mit Syd Barrett teilte. Er konnte seine Gier nicht zügeln, hatte einfach zu wenig Selbstkontrolle. Nicht alle können mit Drogen klug umgehen und ihren Konsum steuern, und Brian gehörte eindeutig zu diesen Leuten. Er warf sich das Zeug mit einer unglaublichen Zügellosigkeit ein, und als sich seine Sucht steigerte, zerstörten

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