Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten. Sam Cutler

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler страница 12

Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler

Скачать книгу

und befanden sich im Epizentrum einer sich rasant entwickelnden Londoner Musikszene. Ich war wie versessen darauf, mit ihnen zu arbeiten, und Nick Mason versprach mir, sich für mich einzusetzen.

      Peter und Andrew führten die Firma völlig unverkrampft und freigeistig. In einem zur Straße hin gelegenen Büro, abseits der Westbourne Grove, beschäftigten sie begeisterte und idealistische Leute, die Tourneen organisierten, Plakate druckten und allgemein die Kleinigkeiten erledigten, die für den reibungslosen Ablauf einer Konzertreise notwendig sind. Es war die sicherlich schönste Zeit, um im Musikgeschäft zu arbeiten. London schien vor kreativer Energie aus allen Nähten zu platzen. Ich begann dort 1967 als Mädchen für alles und versuchte mich als Bühnenmanager oder Roadie.

      Ich hielt Andrew King für einen offenen und zugänglichen Mann und überreichte ihm im jugendlichen Leichtsinn ein Buch meiner auf der Schreibmaschine geschriebenen Gedichte (ich besaß nur ein Exemplar). Vielleicht taugten sie was für Texte? Andrew versprach, sie zu seinem Cottage in Wales mitzunehmen, wo er sie in Ruhe lesen könne. Als er sich zu einem Wochenende auf dem Lande aufmachte, ließ er das Buch gedankenverloren auf dem Dach seines Wagens liegen; es entschwebte dann irgendwo zwischen London und den Grafschaften in Vergessenheit und tauchte nie mehr auf. Wie damals üblich, dachte er nach einer kurzen Entschuldigung nicht mehr darüber nach, und mir fiel es erst jetzt, bei der Niederschrift dieses Buches wieder ein.

      Ich beobachtete mit großem Interesse, wie Peter und Andrew der schwierige Balanceakt zwischen dem „Wertesystem des Underground“ und den kommerziellen Notwendigkeiten gelang. Peter hatte die London School of Economics besucht, und Andrew war als Manager für British Airways tätig gewesen. Ich hatte immer den Eindruck, dass die beiden für eine Art des „erleuchteten ökonomischen Despotismus“ standen, vergleichbar mit dem heutigen China, das den Kapitalismus mit einem sozialistischen Deckmäntelchen vertritt.

      Die beiden propagierten ihren ökonomischen Ansatz mit einem charmanten Lächeln, guter Laune und einer Portion Schlitzohrigkeit und wurden von allen geschätzt. Sie waren clevere Typen, für die nichts unmöglich zu sein schien. Das stellte besonders in Großbritannien eine Ausnahme dar, weil sich die meisten Briten für nichts begeistern konnten.

      Die eingeübte Zurückhaltung und eine gewisse Kühle kennzeichneten das soziale Leben des Landes. Das Selbstbewusstsein und die Begeisterungsfähigkeit von Peter und Andrew sorgten für einen frischen Wind, der uns mitriss. Es mutet merkwürdig an, wenn die Begeisterungsfähigkeit an sich als eine revolutionäre Einstellung erlebt wird, doch in den Sechzigern war das eindeutig der Fall. Die Briten hatten sich zuletzt im Zweiten Weltkrieg emotional engagiert, als sie sich schworen, den Faschismus zu zerschlagen.

      Oft wird vergessen, dass fast nur junge Menschen in den Kampf ziehen mussten. Die Gruppe derer, die im Krieg zwischen 18 und 25 gewesen waren, trug die Traumata des Gefechts und der hohen Verluste mit sich, fühlte sich ausgelaugt und wie am Boden zerstört. Seit 1946 hatte in Großbritannien trotz aller guten Absichten und Vorsätze eine Art Dauerschlaf geherrscht. Nun wollte eine neue Generation das Land aus seiner Lethargie befreien und den Menschen (wenigstens ein bisschen) mehr Leben einhauchen. Glücklicherweise erreichte uns in den Fünfzigern der Rock’n’Roll und rettete uns aus einer Schockstarre der ewigen Langeweile.

      Die Musikszene im London der Sechziger lässt sich sarkastisch als „leicht inzestuös“ beschreiben. Es war einfach, schnell ein Netzwerk von Kontakten und Freundschaften aufzubauen, da wir alle dieselben Pubs und Clubs besuchten und in denselben Stadtbezirken abhingen – und natürlich warfen wir die gleichen Drogen ein. Eines Tages traf ich Alexis Korner in der Portobello Road. Er lud mich spontan in seine Wohnung in Queensway ein. Korner lachte, als ich ihm erzählte, dass ich ihn als Banjo-Spieler mit Ken Colyer einige Jahre zuvor in Croydon gesehen hatte.

      Er war die personifizierte Großzügigkeit, und ich fand es sehr aufregend, dass er überhaupt mit mir redete. In seiner kleinen Bude quatschten wir über den Blues. Ich war vollkommen verblüfft, als er mir davon berichtete, dass Big Bill Broonzy, Brownie McGhee und viele andere Blues-Größen genau auf dem Sofa gesessen hatten, auf dem ich es mir gerade gemütlich machte. Während ihrer Großbritannien-Konzerte übernachteten sie oft bei Alexis und seiner Frau Bobby. Ich empfand es als eine große Ehre, mich dort aufhalten zu dürfen. Alexis lachte, als ich ihm erzählte, dass Musiker mich zum Kiffen gebracht hatten. Seiner humorvollen Einschätzung nach war ich ein glücklicher Junge, weil mich die Musiker im Dope-Konsum und im Blues unterrichteten. Ich konnte da nur zustimmen.

      Alexis war damals eine Art Übervater der Londoner Blues-Szene. Ein kleiner griechischer Mann mit einem ansteckenden Lächeln und dem Kopf voller Ideen beeinflusste die Entwicklung einer ganzen Szene und machte oft Vorschläge, wer denn mit wem spielen sollte. Man kann ihm und seiner großartigen und überaus einflussreichen Band Blues Incorporated den Aufbruch der Rhythm’n’Blues-Szene Großbritanniens zuschreiben. Cyril Davies, sein Mundharmonika-Mann, war ein Top-Musiker, verehrt von allen Zuschauern.

      Es gab keinen Musiker in London, der Alexis Korner nicht kannte. Na ja, mal abgesehen von einigen Leuten, die bei der Heilsarmee spielten. Vor Gründung der Rolling Stones hatte Mick Jagger in einer seiner Bands gesungen, und Charlie Watts stieg zeitweise bei ihm als Drummer ein. Brian Jones, der Mitbegründer der Stones, pflegte eine enge Freundschaft mit Alexis. Gitarrengrößen wie Eric Clapton, Jeff Beck, Jimmy Page und natürlich Robert Plant, der zukünftige Sänger von Led Zeppelin, Davey Graham, der Blueser Long John Baldry, die Yardbirds und der Band-Leader John Mayall – Alexis kannte sie alle, und sie kannten ihn. In verschiedensten Besetzungen hatten sie schon mit ihm gespielt oder bei Jam-Sessions mitgemacht, die er organisiert hatte. Alexis wurde niemals die Aufmerksamkeit zuteil, die ihm gebührte.

      In seiner Bude hatte ich das Gefühl, eine Verbindung mit dem großartigen britischen Blues-Revival einzugehen, einer musikalischen Bewegung, die sich von der traditionellen Jazz-Szene über den Rhythm’n’Blues entwickelt hatte und großartige Bands hervorbrachte. Wir redeten den ganzen Nachmittag, zogen einige Joints durch und tranken literweise Tee. Ich überredete Alexis zu einem Auftritt in der All Saints Hall.

      Durch ihn erkannte ich, dass ich im Musikbusiness als Tourmanager arbeiten sollte. Zum Durchstarten bot er mir einen Job an. Ein kleines Festival in den Niederlanden war geplant, gefolgt von einigen Auftritten in Deutschland. Er fragte mich, ob ich Lust und Zeit hätte. Es sollte in Hoek van Holland beginnen. Von dort aus würde uns eine Fähre nach Belgien befördern, wonach die Shows in Deutschland anstünden. Alexis wollte mir die Kosten erstatten und mich einarbeiten. Natürlich ließ ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen.

      Wir waren ungefähr sieben Tage unterwegs und hatten viel Spaß. Noch im Dunkeln brachen wir von London auf und verließen Großbritannien an einem kalten und trübseligen Morgen mit der Fähre. Ich stand am Heck, blinzelte in den Nieselregen und freute mich wie wild auf das wunderbare Abenteuer, das vor mir lag: Großbritannien zu verlassen, um die Musik in andere Länder zu bringen, nicht zu wissen, was als Nächstes geschieht – ja, auf Tour zu gehen! Ich war viel zu aufgeregt, um müde zu sein, wohingegen Alexis, seit Jahren ein Vollprofi, sich auf einen Stuhl hockte und schon schlief, noch bevor die Fähre den Hafen verlassen hatte.

      In Bezug auf die Finanzen war Alexis ein gewiefter Geschäftsmann. Er erklärte mir mit großer Geduld die Komplikationen, die mit Geld einhergingen, ohne mir einen Penny abzugeben! Mit großer Vorfreude meinte er, wir könnten bei den jeweiligen Gigs essen, da der Veranstalter uns auf seine Kosten bewirten werde – und somit wären wieder einige Pfund gespart. Auf einer deutschen Autobahn mit leerem Magen zu fahren – mit der Aussicht auf Bratwurst, Bockwurst oder Wurst in einer anderen Form – ist allerdings nur den Helden und Tollkühnen zu empfehlen. Ich bin versucht, das als die schlimmste Erfahrung zu beschreiben, die man machen kann. Doch das ginge ein wenig zu weit. Ich habe überlebt und eine wertvolle Lektion gelernt: Verlass dich nie auf eine Beköstigung durch Konzertveranstalter.

      Von Alexis erfuhr ich erstmalig etwas über die Rolle eines Werbesprechers. Er hatte eine warme und

Скачать книгу