Sommergewitter. Erich Loest

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Sommergewitter - Erich Loest

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bin ich vielleicht ein Sozialdemokratist – seltsam, dieses Wort bildete keiner –, wenn ich meinem Jungen zum Geburtstag ein Fahrrad schenken will und mir die Hacken ablaufe, statt frohgemut zu erklären: Erst der Weltfriede und neue Hochöfen an der Oder im Geiste des großen weisen Stalin? Kinderfahrräder irgendwann, erst Karabiner für kasernierte Polizisten.

      Nein, sagte die Verkäuferin, nichts sei geliefert worden außer elektrischen Tischnähmaschinen aus der Tschechoslowakei, leider seeehr teuer, fast sechshundert Mark, und sie habe gehört, die seien nicht besonders stabil. Brücken überlegte kaum ernstlich, wer eine Nähmaschine gebrauchen könnte, Clara und die Oma nicht. Danke, er komme wieder, irgendwann werde es schon klappen.

      Sein Schwiegervater stand am Zaun. Am liebsten würde er alle Farbreste abkratzen und mit Karbolineum streichen, aber woher nehmen? Brücken wiegte den Kopf – die Kaninchen-Ställe hätten Farbe nötiger. Ein Instrukteur wollte sie belabern, der habe beim großen Fressen in Halle mit Alfred am Tisch gesessen, hübsche Grübchen. Ach der, entsann sich Mannschatz, der habe rechtzeitig Brot und Wurst verstaut und beim Fleisch und den Kartoffeln reingehauen, einer mit Übersicht. Und? Natürlich die Normen, natürlich das übliche Hickhack.

      Beim Waschen merkte Brücken, wie müde er war. Wenn er sich jetzt hinlegte, schlief er zwei Stunden und war für den Rest des Tages nicht mehr zu gebrauchen. Er hatte gerade seinen Trainingsanzug angezogen, als Clara mit Thomas und dem Bienchen eintrat. Bienchen wollte sofort hochgenommen werden und drückte ihre Wange an seine und schnurrte, sie sei ein guter Wolf, ein ganz kleiner Wolf, und er brauche keine Angst vor ihr zu haben. Da riß Brücken die Augen auf, waaas, ein Wolf, und eben noch habe er gedacht, sein liebes Bienchen sei in die Küche gekommen, nun sei er baff, baff, baffbaffbaff. Da strampelte Bienchen sich los, der Spaß war vorbei, jetzt wollte sie Milchmilchmilch. Gut, mein Mädchen, gut.

      Noch ein Tag und noch einer mit Südwestwind und sanftem Regen, der die Luft wusch und den Pflanzen gut tat, mit Grummeln in der Brigade, mit Trommeln in der Zeitung und im Rundfunk, daß überall die Normen freudig erhöht würden, auf den Werften, der Stalinallee und in den Kohlegruben. Böhlen ganz vorne! Präsident Wilhelm Pieck zur Kur auf der Krim. Hier ginge unterdessen alles drunter und drüber, redeten sie während der Mittagspause. Zum dritten Mal hintereinander Nudeln. Brücken sah seine Schwiegermutter hinter einem Schalter, sie türmte Pfannen hohlscheppernd übereinander.

      Er hatte massenhaft Überstunden gut, zwei strich er ab und radelte eher als sonst nach Hause. Alfred Mannschatz hockte mürrisch unter dem Vordach des Schuppens und versuchte, verklumpten Maschendraht zu entzerren. Wahrscheinlich warf er nach einer Viertelstunde das Dreckzeug weg. Na? Wieso na? Erst ’ne Sonderschicht durchgedrückt, dann kein Material, aber die Ausfallzeit wurde bezahlt. Alle feixten. Knausern überall, und plötzlich schmissen sie ihnen das Geld hinterher.

      »Tag Papi!« Thomas hatte sich angeschlichen.

      »Wie war’s in der Schule?«

      »Wie immer.«

      »Es ist nie wie immer. Und bei dir, Bienchen?«

      »Mir ham gemalt.«

      Clara kam um die Ecke, Beutel an beiden Händen. Manchmal die strahlende werdende Mutter, dann abgeschlafft. Brücken nahm ihr die Last ab, Clara ließ sich auf einen Stuhl fallen, Thomas streifte den Ranzen von der Schulter. »Papi, wann krieg ich ein Pferd?«

      Clara erstaunt: »Wie denn das?«

      »Papi sagt, in Meckburg krieg ich ein Pferd.«

      »Ich hab gesagt, daß du dort vielleicht reiten kannst. Wenn du größer bist. Und besser im Rechnen.«

      Clara dämpfte die Stimme. »Erst einmal heißt das Mecklenburg. Wahrscheinlich kommen wir da nie hin. Dort ist nämlich alles ziemlich mies. Hartmut, setz du dem Jungen keine Flausen in den Kopf.«

      Abdampfen lassen, Reizbarkeit gehörte zur Schwangerschaft.

      »Mutti, ich brauch was zum Zuschrauben. Aus ’nem Einmachglas krabbeln die Kartoffelkäfer immer raus.«

      »Kann ich denn nicht mal fünf Minuten …«

      Abends hörten sie im Radio, der nächste Tag sei der »Tag der Pflugfurche«. Im Bett kam Clara auf das Gekabbel am Nachmittag zurück. »Hartmut, ich find es nicht schön, wenn du Thomas gegen mich ausspielst. Machst ihn verrückt mit Pferd und Reiten.«

      »Aber das geht doch nicht gegen dich.«

      »Ich will immer weniger fort. ›Tag der Pflugfurche‹ – da oben herrscht noch wildere Hektik als bei uns. Und mit der Partei …«

      »Ich gehe unter keinen Umständen rein!«

      »Großes Pionier-Ehrenwort? Dann darfst du auch zu mir rüber.«

      Unter ihre Decke und tasten und streicheln. Wenn Clara lag, fühlte sich ihr Bauch kaum anders an als sonst, jedenfalls hinderte er nicht, das würde noch kommen. Er kniff, Clara prustete: Er teste wohl ihre Speckpölsterchen? An den Hüften bildeten sie sich als Nahrungsreserven fürs Kerlchen. Er widersprach: Keine Spur von! Ob in ihr wohl jetzt der Verdacht keimte, er könnte sie bald nicht mehr reizvoll finden, könnte fremdgehen, wie sie geargwöhnt hatte, als das Bienchen unterwegs gewesen war – den Verdacht war sie wohl immer noch nicht los, damals hätte sich etwas zwischen ihm und Gitta Gärtner abgespielt. Auch das war ein Argument dafür, nicht allein nach Mecklenburg zu gehen. Clara würde ihn verdächtigen: Sie mit dickem Bauch in Bitterfeld und er in einem Tanzschuppen in der Taiga mit Melkerinnen und Fischweibern. Clara war keine, die derlei in sich hineinfraß. Wegen Gitta hatte sie geradezu getobt – nee, mit Gitta nie wieder das Geringste. Diese verdammte Geilheit. War immer Mist, im Freundeskreis zu wildern, dann lieber Mecklenburg, ach du elende Zwickmühle, er war doch kein Rumtreiber, verzichtete auf fast jede Gelegenheit, neulich in der Bahn, als er von Halle gekommen war – jeder andere hätte zugegriffen.

      »Lieber so«, Clara drehte sich halb zur Seite.

      3

      »Wir ham ausgemacht: Der Vorgarten gehört mir.«

      »Aber die Ecke am Weg …«

      Hochnebel ließ Gase und Rauch nicht weichen. Das Licht war fahl, vor dem Horizont klebte eine lilafarbene Dunstbank, die nach unten stumpfgrau wurde. Undenkbar, jetzt Wäsche aufzuhängen; sie gilbte, selbst wenn kein Ruß fiel. Das Ehepaar Mannschatz stritt sich. Dabei hob weder sie noch er die Stimme und gönnte dem Partner nach jedem Satz eine Pause. Vierzig Jahre Gemeinsamkeit hatten einen Debattierstil ausgebildet, den ein Außenstehender als nahezu gemütvoll hätte empfinden können. »Ich hab aber sieben Pflanzen übrig, Herta.«

      Wenn sie nachgab, würde sie Wochen brauchen, die Verhältnisse wieder hinzubiegen. Wenn sie ihm eine Spatenbreite Erde abtrat, kassierte er das halbe Beet, sozusagen. »Die kriegst du hinten neben dem Salat auch unter. Wie sieht denn das aus, Tabak vorne an der Straße!«

      »Wenn der erst blüht!« Er wußte, daß er im Unrecht war, murmelte noch, Dahlien könne man ooch nich essen, und wartete matt auf die Entgegnung, mit Tabak sei das keineswegs anders.

      »Könnt ihr euch nicht endlich die Raucherei abgewöhn?«

      Er legte die Pflänzchen in den Spankorb zurück und erwog, sie zwischen die Stangenbohnen zu quetschen – auch keine Lösung.

      »Übrigens Clärchen. Du merkst nischt! Wie ihr die Sache mit Mecklenburg auf die Nerven gegangen is.«

      »Bei

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