Die Mauer der Götter 1: Drachenzeichen. Alfred Bekker

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Die Mauer der Götter 1: Drachenzeichen - Alfred Bekker

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Lichtbarke bewegte sich etwas seitwärts. Er deutete mit dem Schwert in die Ferne, zum Horizont. Hunderte von Drachen erhoben sich jetzt aus dem Erdreich. Überall brach der Boden auf. Die Erde erzitterte, bebte. Drachenmäuler öffneten sich und stießen Schwefelatem und Feuer aus. Gewaltige Flügelpaare entfalteten sich. Riesenhafte, turmdicke Beine setzten einen donnernden Schritt vor den andren.

      Der erste Drache, den Arodnap getötet hatte, war gegenüber diesen Riesenexemplaren nur ein Winzling gewesen. Die Sonne wurde durch die gewaltigen Geschöpfe verdunkelt.

      Und es waren viele.

      Sehr viele.

      Hunderte.

      Tausende.

      Abertausende.

      Es wurden so viele, dass ein Betrachter den Eindruck gewinnen konnte, der Horizont selbst würde sich zum Kampf erheben.

      Das Grollen und Raunen dieser Drache bildete einen Chor. Ihr Atem einen Wind schwefelhaltiger, tödlicher Gase. Die Feuerstöße aus ihren Mäulern eine immer heftiger aufflackernde Flammenwand.

      Die vier Götter, die angetreten waren, um die Drachenmacht zu besiegen wirkten konsterniert.

      "Die Aufgabe ist vielleicht doch etwas anspruchsvoller, als es zunächst den Anschein hatte", stellte Ahyr fest und umfasste seine Streitaxt, während seine andere Hand die Zügel seiner zweiköpfigen Löwen hielt.

      Selbst der barbarische Arodnap war angesichts der geballten Drachenmacht am Horizont erbleicht.

      "Wir werden viele von ihnen vernichten", sagte er dann. "Aber wir können sie unmöglich alle töten!"

      *

      Es vergingen Äonen...

      Zeitalter um Zeitalter...

      Epoche um Epoche...

      *

      Sieben Reiche gab es auf Aldanon, jener von Menschen bewohnten Halbinsel des Großen Landes. Sieben Reiche, geschützt durch eine Mauer, die einst von den Göttern errichtet worden war. So die Überlieferung. Die Götter hatten die Drachen einst in die Gebiete jenseits der Mauer verbannt, nachdem sie sie in einer gewaltigen Schlacht besiegt hatten. So stand es in den Schriften der Menschen. So lernten sie es in den Schulen und Tempeln und es zweifelte niemand daran, dass es der Wahrheit entsprach.

      Arrazan war der Sohn der Götter.

      Sie hatten ihn auf diese Welt geschickt - mit einem besonderen Auftrag.

      Die Bezeichnung Sohn der Götter konnte man in seinem Fall tatsächlich wörtlich und nicht nur als metaphorische Verallgemeinerung betrachten. Es hieß, dass die Götter von Chaos, Ordnung, Licht und Dunkelheit - Blaakon, Ahyr, Taykor und Arodnap - nacheinander derselben namenlosen Hure beigewohnt hatten, sodass niemand wissen konnte, wessen Götterblut nun tatsächlich in Arrazans Adern floss. Er war ihrer aller Sohn und ein mächtiger Zauber sollte dafür sorgen, dass die Eigenschaften aller vier Götter sich in ihm vereinigten.

      Nun war er er hier.

      Er erschien einfach.

      Plötzlich war er in dieser Welt, die nur eine in der unendlichen Vielfalt des Multiversums war, materialisiert.

      Er stand an den Zinnen jenes mächtigen Bauwerks, dass die Menschen dieser Welt die >Mauer der Götter< nannten. Das Bauwerk meiner Väter, dachte Arrazan mit einem milden Lächeln. Arrazan hatte die Gestalt eines jungen Mannes angenommen. Er trug einen Harnisch, über dem Rücken ein Schwert und an der Seite einen Dolch mit einem funkelnden Arrhayd-Kristall am Griff. Der Kristall funkelte etwas zu stark und magisch. Das Gleiche galt für den Harnisch, der von einem Schimmer umgeben wurde.

      Und für seine Augen, die grün wie das Meer waren und ebenfalls magisch leuchteten.

      Besser, ich falle hier nicht so auf, dachte er.

      Einerseits beteten die Menschen zu den Göttern.

      Andererseits verfluchten sie sie aber auch.

      Ob man sich als Sohn der Götter zu erkennen gab, war also immer eine Frage situationsbedingter Abwägung. Arrazan hatte von einem Gottessohn in einer anderen Welt des Multiversums gehört, der von Menschen hingerichtet worden war. Dass man ihn nachher um so mehr verehrt hatte und er durch sein Opfer einen neuen Glauben begründete, stand auf einem anderen Blatt. Aber Arrazan stand keineswegs der Sinn danach, dass ihm etwas Ähnliches widerfuhr...

      Arrazan strich über den Harnisch und berührte dann den Griff des Dolchs an seinem Gürtel. Das magische Schimmern verblasste - sowohl beim Harnisch, als auch das Leuchten, das aus dem Inneren des Juwels kam.

      Nur nicht auffallen, dachte Arrazan.

      "Hey, du!" rief eine raue Stimme.

      Arrazan drehte sich um.

      Ein Mann stand vor ihm.

      In Harnisch und Helm gekleidet und gut bewaffnet. Ein Schwert an der Seite, eine Armbrust über der Schulter. Auf dem Harnisch prangte das Emblem der Drachenwächter.

      "Was machst du hier?"

      "Ich schaue hinaus ins Große Land", sagte Arrazan. "Ich schaue nach Drachen - genau wie du und jeder andere, der auf den Wehrgängen dieser Mauer seine Dienst tut."

      "Ich kenne dich nicht."

      "Du kennst alle Drachenwächter?"Arrazan lachte. "Sie sind so zahlreich... niemand kann sie alle kennen."

      "Die aus meiner Einheit schon!"

      "Ja, das mag sein."

      "Also, sag mir, wer du bist! Sonst..."

      Arrazan hob die Hand. In seinen Augen erschien für kurze Zeit ein grünes Leuchten. Es füllte die Augen des Göttersohnes vollkommen aus.

      "Du hast nichts gesehen", sagte Arrazan. "Du hast mich nicht bemerkt... Und du hast nie daran gezweifelt, dass ich genau das bin, was du auch bist. Einer von unendlichen vielen, die nach den Drachen Ausschau halten, die in den Weiten des Großen Landes hausen und uns ihren Giftatem herüberhauchen und damit Tod und Verderben über die Reiche der Menschen bringen... Vergiss mich, Drachenwächter!"

      "Ich vergesse dich", bestätigte der Drachenwächter, der auf einmal wie in Trance wirkte.

      >Vergiss mich!<, sandte Arrazan daraufhin noch einen intensiven Gedankenbefehl hinterher.

      "Ich habe dich nie gesehen!", sagte der Drachenwächter.

      Unterdessen ging Arrazan an ihm vorbei.

      Der Drachenwächter drehte sich nicht zu ihm um, sondern setzte seine Patrouille entlang der Zinnen jenes Befestigungswerkes, dass man die Mauer der Götter nannte, einfach fort.

      Arrazan

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