Zweitsommer. Isolde Kakoschky

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Zweitsommer - Isolde Kakoschky

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      »Na, siehst du deinen Schwestern beim Spielen zu?« Berit hatte sich neben sie gesetzt.

      »Ja, das auch.«, entgegnete Emily. »Aber ich denke gerade an meine Mutti. Uns geht es hier so super. Hoffentlich geht es ihr auch gut.«

      Berit nahm Emilys Hand. »Bestimmt geht es ihr gut. Du musst dir keine Sorgen machen.«

      Ein bisschen hatte Berit diese Worte auch zu sich selbst gesagt. Hatte sie auch gerade nicht an ihre Mutter gedacht, mit den Worten des Mädchens kam auch bei ihr die Nachdenklichkeit zurück. Sie sah auf ihr Handy. Empfang hatte sie. Aber niemand hatte sie erreichen wollen. Dann musste doch alles in Ordnung sein.

      An diesem Abend wollten die Kinder nach dem Abendessen nicht noch einmal nach draußen gehen. Sie setzten sich im Aufenthaltsraum gemeinsam hin. Einige spielten Karten, der Fernseher lief und zwischendurch wurde immer wieder über den vergangenen Tag geredet, wie schön es war, was sie alles gesehen hatten. Todmüde fielen sie alle später in die Betten und es bedurfte keiner Ermahnung, dass um 10 Nachtruhe sei. Da schlief die ganze Bande längst.

      Am nächsten Morgen erwachte Berit, während noch vollkommene Ruhe im Zimmer herrschte. Sie lag in ihrem Bett und lauschte in die Stille. Es war schade, dass die Fahrt heute schon vorüber war. Diese Reise war für alle Beteiligten ein Gewinn, das spürte sie an sich selbst. Und auch Thomas hatte es garantiert nicht bereut, dafür Urlaub geopfert zu haben. Leise stand sie auf und ging zum Duschraum. Als sie zurück kam, blinzelten auch die Mädchen ins Licht. Sie sah auf die Uhr.

      »Ich glaube, das Frühstück ruft!«, verkündete sie betont munter in die Runde. Doch sie sah es den Kindern an, der Gedanke an das Ende der Fahrt und die baldige Heimreise machte sie traurig.

      »Nun guckt mal nicht ganz so trübe«, versuchte dann auch Thomas, die Stimmung zu verbessern,

      »wir haben ja noch eine kleine Überraschung für euch!« Erwartungsfrohe Gesichter sahen ihn an.

      »Ihr habt doch auf der Fahrt hierher oben auf dem Berg das Schloss gesehen?« Die Kinder nickten.

      »Und dort werden wir noch einen Halt einlegen. Es reicht, wenn wir am Nachmittag wieder zurück in der Stadt sind.«

      »Aber zuerst müssen wir die Sachen packen und die Betten abziehen und Ordnung in den Zimmern schaffen. Und passt gut auf, dass ihr nichts vergesst!«, ermahnte Berit die Kinder.

      Es war keine weite Fahrt, bis das Schloss Mansfeld erreicht war. Hoch oben über der kleinen, weit über 1000-jährigen Stadt thronte das Schloss und die Reste der alten Burg. Berit und Thomas parkten die Autos an der Straße und gemeinsam liefen sie den kurzen Fußweg zum Schloss. Dort wurden sie bereits von einem jungen Mann vom Förderverein erwartete. Er begrüßte die Kinder und führte sie danach über das Gelände. Dabei erzählte er ihnen von der wechselvollen Geschichte der alten Burg und Schlossanlage. Mit staunenden Augen lauschten alle der so lebendig zu erlebenden Geschichte. Und so mancher Junge stellte sich wohl ein Leben als Ritter vor.

      »Kommt im Sommer noch mal her mit euren Eltern, wenn hier Ritterfest ist, dann sehen wir uns wieder!«, verabschiedete er sich von den Kindern.

      Doch Berit ahnte, dass sich dieser Wunsch wohl für kaum eins der Kinder erfüllen würde.

      Am frühen Nachmittag trafen Berit, Thomas und die Kinder wieder am Kinderhaus ein. Mit lautem

      »Hallo!« wurden sie von den anderen begrüßt. Es bedurfte keiner Aufforderung, dass sie erzählen sollten, wie es war und was sie erlebt hatten, in munterem Durcheinander plapperten die Heimkehrer wild drauf los. Jetzt kamen sie sich vor wie kleine Helden. Und irgendwie waren sie das ja auch, kleine Helden des Alltags.

      Berit nahm nun zum ersten Mal seit drei Tagen wieder ihr Handy zur Hand. »Ich bin wieder da«, verkündete sie, als sich Daniel gemeldet hatte.

      »Kannst du mich abholen?«

      »Oh, das passt im Moment gar nicht.« Daniel bedauerte, dass er gerade wieder einmal allein im Laden stand. »Aber Jana müsste bei deiner Mutti sein, ruf sie doch mal an.«

      Berit sah betrübt auf das Display. Daniel hatte schon wieder aufgelegt, ehe sie noch etwas erwidern konnte. Sie holte tief Luft. Na dann eben nicht!, sagte sie zu sich selbst und machte sich mit der Tasche auf den Weg. Da es ständig bergab ging, war der Fußweg erträglich.

      Schon von der Hauptstraße aus sah sie Janas Auto vor dem Haus stehen. Irgendetwas stimmte nicht, dieses Gefühl hatte sie schon während des Telefo-

      nats mit Daniel nicht losgelassen. Eigentlich hätte Jana doch noch bei der Arbeit sein müssen. Voller Unruhe drückte Berit auf den Klingelknopf.

      »Oh Berit, da bist du ja wieder!« Jana hatte ihr die Tür geöffnet. »Und gut erholt siehst du aus. War es schön?« Eine Antwort wartete sie aber gar nicht ab, sondern schob Berit gleich ins Wohnzimmer, wo die Mutter auf dem Sofa lag.

      »Mama!« Erschrocken beugte sich Berit zu ihr herunter.

      »Was ist mit ihr?« Sie sah fragend zu ihrer Schwester.

      »Der Kreislauf hat schlapp gemacht. Zum Glück war Julia hier und hat mich angerufen. Die Ärztin hat ihr eine Spritze gegeben, es sollte bald wieder gehen. Aber die Ursache sitzt tiefer, das wissen wir doch alle.«

      »Wenn nur schon die Beerdigung vorüber wäre!« Berit stöhnte innerlich auf. »Vielleicht kommt sie danach zur Ruhe.«

      »Lassen wir sie schlafen.« Jana zog Berit in die Küche. »Wegen der Beerdigung wollte ich sowieso noch mit dir sprechen. Daniel meinte, eine Gaststätte wäre gut. Da habe ich einen Raum im Stadtcafé bestellt, ich hoffe, das war in deinem Sinne.« Dankbar sah Berit ihre Schwester an. »Aber natürlich war es das; danke, dass du es erledigt hast!«

      »Komm, solange die Mama noch schläft, fahre ich dich gleich noch heim. Dann musst du nicht mit der Tasche den Berg hoch laufen, das zieht sich ja immer so. Und mit dem Auto bin ich spätestens in 10 Minuten wieder hier.« Jana sah noch einmal um die Ecke zu ihrer schlafenden Mutter, dann bugsierte sie ihre Schwester samt Tasche nach draußen ins Auto.

      Berit war froh, dass Jana sie mit dem Auto heim fuhr. Sie fühlte sich schlapp, das gute Gefühl der Erholung hatte leider nicht angehalten. Sie machte sich Sorgen. Was, wenn es der Mutter nicht besser ging? Wie würde es weiter gehen?

      Zuhause angekommen stellte Berit nur die Tasche in der Diele ab und sank erschöpft auf das Sofa. Da fiel ihr Blick auf eine CD-Hülle auf dem Tisch. Ein Klebezettel verkündete ihr die Botschaft: »Für Sie, Frau Schwerzer! Einlegen und entspannen! Sebastian« Sie lächelte. Einen Moment hielt sie die unscheinbare Silberscheibe in der Hand, dann ging sie zur Stereo-Anlage und schob sie hinein. Warme, dunkle Töne breiteten sich sofort im Zimmer aus. Berit fühlte sich umfangen von einer wohltuenden Entspannung, auch wenn sie merkte, wie ihr wieder die Tränen über die Wangen liefen. Sie schloss die Augen und ließ sich von der Musik entführen.

      So merkte Berit gar nicht, dass Julia zur Tür herein gekommen war. Das Mädchen hatte seine Mutter einige Zeit still beobachtet, aber nun machte sie sich bemerkbar.

      »Ich sehe, Basti hat deinen Geschmack getroffen!« Sie lächelte. »Er hat schon aufgepasst, was dir letztens gefallen hat und die entsprechenden Titel zusammen gestellt. Er hat ja so ein gutes Einfühlungsvermögen! Und stell dir vor, sogar Oma ist gleich mit ihm zurecht gekommen. Aber das ist ja auch kein Wunder, im Pflegeheim stehen die ganzen alten Leutchen

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