Eisblumenblüte. Isolde Kakoschky

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Eisblumenblüte - Isolde Kakoschky

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angekommen, setzte sich Kristina gleich an den Laptop. Berit hatte ihr eine EmailAdresse mitgeschickt, an die wollte sie nun schreiben, ihre Entscheidung war gefallen.

      Nachdem sie das erledigt hatte, schien es ihr, als sei eine große Last von ihr gefallen. Sie holte die Leiter aus dem Abstellraum und begann, die Gardinen abzuhängen und in die Waschmaschine zu befördern. Eigentlich hatte sie gar keine Gardinen haben wollen, bei der Mutter waren die ihr immer total spießig erschienen. In ihrer eigenen Wohnung waren dann auch erst einmal keine vorgesehen. Doch es hatte nicht lange gedauert, da fehlte ihr der zarte Stoff vor dem Fenster. Nun zierten bodenlange, transparente Stores ihre Fenster. Die hingen allerdings nicht mehr an alten Gardinenleisten, wie sie es von Mutter kannte, sondern an modernen Haltesystemen aus Drahtseilen.

      Während die Gardinen in der Waschmaschine vor sich hin drehten, bereitete Kristina sich etwas zum Abendessen zu und Toni nutzte die noch im Zimmer stehende Leiter als Ausguck. Ach ja, Kater, sinnierte Kristina, wenn du reden könntest, hättest du einen guten Rat für mich? Denn das Jahrgangstreffen war das Eine, die Frage nach ihrem Vater war etwas ganz anderes. Würde sie den wohl auch im Mansfeldischen finden?

      Als Kristina am nächsten Morgen erwachte, war es bereits hell. Sie hatte es sich am Abend noch mit einem Glas Wein in einer Badewanne voll mit warmen, duftenden Schaumbad gemütlich gemacht. Danach hatte sie geschlafen wie ein Murmeltier. Als sie sich jetzt streckte, fühlte sie am Fußende des Bettes, die dort zusammengerollten Katze.

      »Na Toni, was meinst du, stehen wir auf?« Als hätte er ihre Worte verstanden, sprang der Kater aus dem Bett und trabte in Richtung Küche. Sein Knurrlaut, den er von sich gab, bedeutete wohl, dass es Frühstück geben sollte.

      Kristina setzte die Kaffeemaschine in Gang und legte zwei Scheiben Weißbrot in den Toaster. Im Bad sah sie in den Spiegel und fragte sich selber: »Na, was machen wir denn heute Schönes?« Stets waren es die Wochenenden, an denen sie grübelte, ob es wirklich gut war, so ganz allein zu sein. So manches Mal hatte sie schon daran gedacht, Mark zu fragen, ob sie etwas gemeinsam unternehmen wollten, es dann aber doch immer wieder sein lassen.

      Erst einmal widmete sie sich nach dem Frühstück der Hausarbeit. Ab und zu ging ihr Blick aus dem Fenster hinunter zur Uferpromenade. Doch das trübe Spätherbstwetter lud nicht zum Bummeln ein. Schließlich nahm sie ihre Sporttasche und packte Badesachen ein. In einem der Hotels gab es eine schöne Wellnesslandschaft, mit Sauna, Schwimmbad und Fitnessraum, in der auch Besucher, die nicht im Hotel wohnten, gern gesehen waren. Sie wollte einfach nur abschalten, nicht weiter grübeln, keine Fotos hin und her drehen, nicht auf den Monitor starren und auf Erkenntnisse hoffen. Kommt Zeit, kommt Rat. Das war Mutters Devise gewesen. Irgendwie war es immer weiter gegangen, schon damals, als sie mit nichts außer zwei Koffern an der Küste angekommen waren. Kristina tauchte in das warme Wasser ein und ließ sich treiben.

      Kein Sternehotel, ein recht einfaches FDGB-Heim hatte ihnen als erstes ein Dach über dem Kopf geboten. Und Arbeit für die Mutter. Alles andere kam später. Daran erinnerte sie sich, an das Vorher jedoch nicht.

      Müde vom Schwimmen und von der Sauna machte sie sich am späten Abend auf den Heimweg. Sie hatte noch im Hotel zu Abend gegessen und fühlte sich trotz ihrer Müdigkeit gut erholt. Sie liebte das Wasser. Den ganzen Sommer über ging sie fast täglich in der Ostsee baden. Abends, wenn sie von der Arbeit kam und der Strand sich leerte, gefiel es ihr besonders. Sie hatte sich immer eingeredet, keine anderen Menschen zu brauchen, doch jetzt rührten sich leise Zweifel. Es war Mutters Einstellung gewesen, die sie, wie so vieles, ohne Fragen übernommen hatte. Wir brauchen keinen, wir haben ja uns, so klang es ihr noch heute in den Ohren.

      Am Sonntagmorgen stieg Kristina gleich nach dem Frühstück ins Auto. Fast schon automatisch fuhr sie diese Strecke über den Peenestrom zum Festland. Doch während sie in der Woche gleich nach der Schlossinsel links zum Kai abbog, fuhr sie heute nach rechts in Richtung Tannenkamp zum Friedhof. Nein, sie war kein regelmäßiger Friedhofsbesucher, doch heute war Totensonntag, da wollte sie dem Grab ihrer Mutter einen Besuch abstatten. Sie hatte sich damals, als die Mutter gestorben war, für ein kleines Urnengrab entschieden und es mit einer Einfassung und einer schlichten Marmorplatte versehen lassen, die nur wenig Raum für Bepflanzungen ließ. So musste sie nicht zwangsläufig, der Pflege der Blumen wegen, regelmäßig zum Friedhof fahren. Auch diesen Hang zum Praktischen hatte sie wohl von ihrer Mutter übernommen. Nun stand sie hier und blickte auf die Inschrift: Marianne Schmidmann 1939 – 1998 Mit einem Papiertaschentuch wischte sie über den kalten Stein. Sie legte das mitgebrachte Gesteck in Herzform auf die freie Stelle

      der Grabplatte. Obwohl der Tod der Mutter recht plötzlich gekommen war, hatte sie immer gut damit umgehen können. Doch jetzt empfand sie den Verlust als tragisch und schmerzlich. In stiller Zwiesprache stand sie hier und hätte ihre Mutter anschreien mögen: Was hast du alles mit ins Grab genommen?

      Langsam bummelte Kristina über den Friedhof, auf dem es heute vor Menschen nur so wimmelte. Sicher gab es einige, die auch nur am Totensonntag den Weg zum Friedhof fanden. Wenn sie in ihre alte Heimat fahren würde, dann musste sie unbedingt auch zum Friedhof gehen, nahm sie sich vor. Dass ihre Großeltern noch lebten, war nicht zu erwarten, aber Gräber müsste es doch geben. Sie könnte ja ein paar Tage dort bleiben, überlegte sie. Vielleicht kam dann die Erinnerung wieder. Oder es gab noch jemanden, der sich erinnerte, Nachbarn vielleicht oder Eltern von Mitschülern.

      Ein deutliches Hungergefühl zeigte ihr, dass es Zeit wurde, etwas zu essen. Wie schön wäre es jetzt, nicht allein hier zu sein, dachte sie. Vielleicht war Mark ja auch allein und hatte noch nichts gegessen? Kristina nahm ihr Handy aus der Tasche und wählte Marks Festnetznummer an. Sie ließ es einige Zeit klingeln und drückte dann den Anruf weg. Nein, von seiner Handynummer machte sie lieber keinen Gebrauch. Wenn sie ihn nicht daheim erreichen konnte, dann war er wohl anderweitig beschäftigt. Sie wollte ihn dann

      nicht stören. So lange arbeiteten sie nun schon zusammen, doch eigentlich wusste sie so wenig über ihn. Kristina musste sich eingestehen, dass es nicht Marks Schuld war. Mehr als einmal hatte er den Versuch unternommen, mit ihr über private Dinge zu sprechen, doch sie selbst hatte immer wieder abgeblockt.

      Gegenüber vom Friedhof lag das Gelände des Tierparks. Im ersten Sommer an der See war sie mit der Mutter einmal hier gewesen. Inzwischen hätte sie die schöne, parkähnliche Anlage mit Enkeln besuchen sollen, doch nicht einmal zu einem Kind hatte sie es gebracht. Es war ihr nie vorher so schmerzlich aufgefallen, wie allein sie war.

      Schließlich fuhr sie mit dem Auto in die Innenstadt und suchte sich ein nettes Restaurant. Das Essen war sehr gut und vertrieb ein wenig ihre trüben Gedanken. Und überhaupt, morgen früh würde alles wieder seinen geordneten Gang gehen. Betont langsam fuhr Kristina zurück zur Insel. Sie hatte es nicht eilig. In ihrer Wohnung nahm sie sich ein Buch aus dem Regal und machte es sich gemeinsam mit Kater Toni auf dem Sofa gemütlich.

      

       3. Kapitel

      

      Zur gleichen Zeit klingelte fast 500 Kilometer entfernt ein Telefon.

      »Schmidmann.«

      »Hallo Karsten, hier ist Berit.«

      »Hallo Berit! Möchtest du Andrea sprechen?«

      »Nein, Karsten. Dich möchte ich sprechen«, erwiderte Berit am anderen Ende. »Ich habe nämlich gute Neuigkeiten.« Sie machte eine kleine Pause, um den ersten Teil ihrer Nachricht wirken zu lassen. »Kristina hat zugesagt, sie kommt zum Jahrgangstreffen.«

      »Wirklich?!« Vor freudiger Überraschung bekam er kein weiteres Wort heraus. Er musste

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