Eisblumenblüte. Isolde Kakoschky
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Читать онлайн книгу Eisblumenblüte - Isolde Kakoschky страница 6
Kristina war froh, als sie zuhause die Tür aufschloss und ihr der Kater schnurrend entgegen kam. Sie füllte dem Tier seinen Napf und brühte sich einen Tee auf, ehe sie den Laptop anschaltete. Sie hatte nicht viele Mailkontakte und war auch bei keinem sozialen Netzwerk angemeldet. Und eigentlich wusste sie auch nicht, warum sie damals auf dieser Seite für alte Schulfreunde gelandet war. Zumindest hatte das den Kontakt in ihre alte Heimat ermöglicht. Und prompt fand sie auch eine Mail von dieser Berit in ihrem Postfach vor. Was sie schrieb, kam Kristina zwar etwas komisch vor, aber andererseits war es auch schön zu lesen: »Hier wirst du viele alte Bekannte treffen und alle freuen sich auf dich!«
Sie überlegte, ob sie antworten sollte, konnte sich dann aber doch nicht dazu entschließen. Was hätte sie auch schreiben sollen, auf die Frage, wie es ihr ginge? Gut wäre im Moment nicht das passende Wort, schlecht aber auch nicht. Es gab so verdammt wenig zu sagen über sich. Das Wenige ließ sich dann beim persönlichen Treffen rasch in Worte fassen.
Als Kristina am nächsten Morgen erwachte, wusste sie noch, dass sie geträumt hatte, konnte aber nichts wirklich zusammen bringen. Es schien ihr, als hätte sie einen Puzzle-Karton mit 1000 Teilen vor sich und noch überhaupt keinen Anfang. Und es gab auch kein Bild, an dem sie sich orientieren konnte.
Also behielt sie das bei, was sie seit Jahren erfolgreich praktiziert hatte, sie versuchte, die Gedanken an die Vergangenheit zu ignorieren und sich der Gegenwart zu widmen. Sie strich ihrem Kater über das Fell und verabschiedete sich mit einem fröhlichen »Mach´s gut, Toni!« in Richtung Büro.
Auch wenn sie manchmal innerlich fluchte über diesen ganz normalen Wahnsinn, der sich tagtäglich im Speditionsgewerbe abspielte, so liebte sie doch ihren Beruf, der ihr nicht nur ein Auskommen sicherte, sondern auch schöne Momente bereitete. Kaum war sie in der Firma angekommen, als auch schon ihr Telefon klingelte.
»Guten Morgen, Frau Schmidmann!«, grüßte sie ihr Vorgesetzter und kam gleich darauf zum Grund seines Anrufes. »Sie denken doch daran, nachher den Tieflader loszuschicken?«
»Aber natürlich«, bestätigte Kristina die Frage. »Es ist alles in die Wege geleitet, wie man so schön sagt, alle Jahre wieder!«, fügte sie scherzhaft an. Schon in der DDR hatten sie den Weihnachtsbaum vor dem ersten Advent zum Rathausplatz transportiert. Meistens kam er aus einem der umliegenden Wälder. Doch in den letzten Jahren fanden sich immer öfter Leute, die ihren über Jahrzehnte gehegten und gepflegten Baum, der nun für den Vorgarten zu groß geworden war, der Stadt spendeten. Früher, als das Getreidelager noch zur Landwirtschaft gehörte, hatte ein Traktor das übernommen. Heute war es eine moderne Zugmaschine, die sonst im Hafen für den Containertransport eingesetzt wurde. In einer Stunde würde sich der Kollege auf den Weg machen und am Nachmittag konnte dann die Feuerwehr die Beleuchtung anbringen. Und wenn sie vielleicht am Sonntag einmal einen Bummel über den Weihnachtsmarkt machen würde, dann dachte sie daran, auch etwas zur weihnachtlichen Gestaltung der Stadt beigetragen zu haben.
Am Mittag saß Kristina wie fast täglich mit Mark zusammen. Der versuchte immer noch, das sich so seltsam veränderte Wesen seiner Kollegin zu durchschauen.
»Was meinst du«, sprach er sie deshalb an, »wir wollten doch mal wieder gemeinsam was essen gehen, was sagt dein Plan denn diese Woche?«
Kristina fühlte sich ertappt. Natürlich merkte Mark, dass sie etwas mit sich herumschleppte, sich noch mehr zurückzog als sonst. Sie mochte Mark, sehr sogar. Und vielleicht war es ja auch gar nicht so schlecht, mit jemandem zu reden.
»Du hast recht«, sagte sie dann auch zu Mark. »Wie wäre es am Freitag?«
»Ja, Freitag ist gut«, stimmte der ihr sofort zu. »Wohin wollen wir gehen?«
»Warte mal bis morgen, ich sage dir dann bescheid. Es geht ja nicht an, dass du mich immer einlädst, diesmal bin ich dran!«
»Na gut!« Mark lächelte verschmitzt. »Ich lasse mich gerne überraschen und bin gespannt.«
Auf der Heimfahrt führte Kristina ihr Weg zuerst zu ihrem favorisierten Wellnesshotel. Obwohl es nun nicht gerade in der Saison war, schien es ihr besser, für den Freitagabend einen Tisch vorzubestellen. Schließlich sollte da nichts schief gehen, jetzt, wo sie sich schon auf das gemeinsame Essen mit Mark freute. Sie spürte, wie ihr warm ums Herz wurde bei dem Gedanken.
Während sie allein mit sich und Kater Toni ihr Abendessen einnahm, überlegte sie schon, was sie am Freitag anziehen sollte. Ihre üblichen Jeans mit T-Shirt oder Pullover kamen wohl nicht infrage. Aber noch waren es ja zwei Tage, an denen sie ihre Garderobe aufbessern konnte.
Da der Fernseher ihr nicht die erhoffte Unterhaltung bot, kuschelte sie sich wieder mit dem Stubentiger und einem Buch auf die Couch. Sie liebte lesen über alles. Im Laufe der Jahre hatten sich hunderte Bücher in den Regalen angesammelt. Sie besuchte aber auch oft die Bibliothek, und seit einiger Zeit besaß sie einen EbookReader, der es ihr ermöglichte, sehr schnell online neuen
Lesestoff zu beschaffen. Nun ließ sie sich entführen in die historische Biografie, die sie später bis in ihre Träume beschäftigte und keinen Raum für ihre eigene Lebensgeschichte ließ.
Es war noch stockdunkel, als das Piepsen des Weckers sie aus den Träumen riss. Eigentlich mochte Kristina den Winter nicht besonders. Sie wusste nicht einmal, warum überhaupt. Im Sommer, da ließ sie sich von den ersten Strahlen der Sonne wecken, die in ihr nach Osten gerichtetes Schlafzimmer fielen. Die Terrasse lag nach Westen und von ihr konnte man die tollsten Sonnenuntergänge sehen, die die Ostsee zu bieten hatte. Doch in der kalten Jahreszeit erlebte sie hier kaum Licht, geschweige denn Sonne. Sie fuhr zur Arbeit, wenn es noch dunkel war und kam zurück, wenn es schon wieder dunkel war. Und die Kälte setzte ihr auch mehr zu als anderen. Welch ein Glück, dass ihr neues Auto über eine Sitzheizung verfügte, die ihr die Fahrt zur Arbeit angenehmer machte.
Auch deshalb fühlte sie sich in ihrem Büro so wohl. Der alte Speicher am Kai, in dem sich die Büroräume befanden war ein wunderbarer, alter Bau, in dem es im Sommer fast klimatisiert wirkte und der im Winter die Wärme einschloss. Da sie allein im Zimmer arbeitete, musste sie sich auch mit keinem anderen über die Temperatur einigen. Nur Mark stöhnte manchmal, wenn er zu ihr kam, welche Hitze doch bei ihr war. Hier hätten Eisblumen keine Chance gehabt. In ihrer Kindheit, da hatte es Eisblumen am Fenster gegeben, daran erinnerte sie sich plötzlich wieder. Alle ihre Erinnerungen fühlten sich irgendwie kalt an. So, als wäre es nie Sommer gewesen.
»Träumst du?« Mark war ins Büro gekommen und sah seine Kollegin nachdenklich an.
»Nein, nein«, beeilte sich Kristina zu versichern, »ich war nur in Gedanken.« Sie setzte ein demonstratives Lächeln auf und wechselte das Thema. »Am Freitag unser Essen geht klar. Ich habe im Strandhotel einen Tisch reserviert.«
Mark ging auf den Themenwechsel ein und lächelte ebenfalls. »Ich freue mich!« Und das meinte er wirklich so. Er hoffte so sehr, seine Kollegin einmal etwas aus der Reserve locken zu können. Da musste doch noch etwas unter dieser glatten Oberfläche sein, das spürte er ganz genau.
Der Tag verging für Kristina heute zu langsam. Eigentlich war sie froh, darüber, dass es nur ein halbes Dutzend Sattelzüge gab, die sie einsetzen und abrechnen musste, aber so in