Septemberrennen. Isolde Kakoschky

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Septemberrennen - Isolde Kakoschky

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eine Nachricht an Monika. »Kommst du nachher pünktlich heim? Was hältst du von einer Runde schwimmen

      Kaum eine Minute später erklang schon das »Pling«, was den Eingang einer Nachricht signalisierte.

      »Super! Bin spätestens 16.00 Uhr da.« Ein grinsender Smiley vervollkommnete den Text.

      Er lächelte. Noch immer fühlte er so etwas wie Verliebtheit, wenn er an seine Frau dachte. Nach all den Beziehungen, die er hinter sich hatte und die auch durch seine Schuld nicht hielten, was sie versprachen, fühlte er sich jetzt einfach wohl. Hier bei Monika war er angekommen. Mit ihr wollte er alt werden.

      Christian räumte seine Arbeitsmaterialien zusammen, brachte den Müll nach draußen in die Tonne und begab sich auf den Heimweg. Nachdem er geduscht hatte, setzte er sich ins Auto und fuhr zum Bäcker. Dort ließ er sich ein paar belegte Baguettes einpacken. Wieder zuhause angekommen, schnippelte er noch Gurke, Melone und Tomaten in mundgerechte Stücke und packte alles zusammen mit ein paar Weintrauben in eine Kühltasche. Im Kühlschrank vorgekühlte Getränke ergänzten seine Proviantbox. Der Blick auf die

      Uhr zeigte ihm, dass Monika jeden Moment kommen musste. Flink stopfte er noch die Handtücher und die Badesachen in die Sporttasche, als er auch schon Monikas roten Mini um die Ecke biegen sah.

      »Da bist du ja!«, begrüßte er sie erfreut. »Wirf dich rasch in ein paar zivile Klamotten, dann können wir los.« Das Sommerkleid, was sie im Büro trug, war zwar hübsch, aber für ein Picknick am Wasser nicht so optimal.

      »Dann werde ich mich mal deiner Kleiderordnung anpassen«, entgegnete sie mit Blick auf Christian, der in Shorts und Muskelshirt vor ihr stand. Sie überlegte gar nicht lange und griff zu dem Top und dem Rock vom Vortag. Um sich ins Gras zu setzen, waren die Sachen noch gut. Während sie sich umzog, hatte Christian schon die Kühlbox und die Tasche in den Mini getragen.

      Mit einem durchdringenden Quietschton zog Monika die Tür ins Schloss. »Auf geht´s!«

      Hier in der Bayerischen Niederung, in den Tälern von Donau, Naab und Regen gab es eine Vielzahl von kleinen Seen oder Teichen, die jedoch meistens der Fischzucht und den Anglern vorbehalten waren. Einige wurden aber auch seit jeher von den Bewohnern der anliegenden Ortschaften zum Baden genutzt. Besonders die Kinder fanden den Sprung in den nahegelegenen Weiher viel besser, als die teuren Freibäder in den Städten.

      Etwas abseits von der offiziellen Badestelle breitete Christian die mitgebrachte Decke aus. »Komm, setz dich. Ruhe dich erst ein wenig aus, ehe du in die Fluten springst.« Er öffnete die Kühlbox und schob seiner Frau eine süße, rote Weintraube in den Mund.

      »Oh, du hast ja an alles gedacht!«, freute sie sich und streifte sich das Top und den Rock ab, worunter sie bereits ihren Badeanzug trug. »Aber das kommt später. Ich muss mich jetzt endlich erfrischen.« Mit einem Satz sprang sie auf und rannte, übermütig wie ein Kind zum Ufer, um sich bäuchlings ins Wasser zu stürzen.

      Kopfschüttelnd sah Christian ihr nach. Als er ein Junge war, da konnte er es ebenfalls gar nicht erwarten, endlich ins Wasser zu kommen. Auch wenn die Oma ihm immer mit auf den Weg gab, er müsse sich erst vorher abkühlen, getan hatte er es nie. Oma war wohl die Einzige gewesen, die auch genau wusste, wo er baden ging. Obwohl es seine Eltern verboten hatten, radelte er regelmäßig am städtischen Freibad vorbei, um sich mit seinen Freunden am alten Kalkbruch zu treffen. Steil ragten die Kalkwände am Ufer des kleinen Sees auf und lockten zu gewagten und nicht ungefährlichen Sprüngen. Das war Abenteuer! Seine kleine Schwester hockte derweil am Beckenrand des Stadtbades und traute sich nicht mal, vom Turm zu springen. Wenn am Abend das Bad seine Pforten schloss, traf er Carola wieder. Nie hatte sie ihn verra-

      ten; im Gegenteil, so manches Mal, wenn die Eltern misstrauisch wurden, hatte sie ihm ihre Eintrittskarte als Alibi zugesteckt.

      Jetzt legte auch er seine Sachen ab und folgte Monika ins Wasser, nicht, ohne sich vorher mit einer Handvoll Wasser abzukühlen. Nun endlich hörte er auf seine Oma.

      Mit kraftvollen Bewegungen kraulte er zu seiner Frau. »Ist doch herrlich hier!«, rief er ihr zu. »Wenn das Wetter wirklich die ganze Woche so bleibt, können wir jeden Abend herfahren und uns erfrischen.« Sie schwammen gemeinsam bis zu einer Sandbank, die eigentlich über einen Meter unter der Wasseroberfläche lag. Doch der fehlende Regen in den letzten Wochen und die Wärme der vorangegangenen Tage hatten den Wasserspiegel so stark abgesenkt, dass man auf der Sandbank sitzen konnte. Das angenehm kühle, glasklare Wasser umspielte ihre Köper. Christian sah seine Frau an. Wie schön sie war! Wie eine Seejungfrau kam sie ihm vor mit ihren nassen offenen Haaren. Er beugte sich zu ihr und küsste sie zärtlich. Monika war alles, was er sich je ersehnt hatte. Sie war hübsch, sie war klug und sie hatte Einfühlungsvermögen. Sie hatte ihm zugeredet, sich mit seiner Exfrau zu verständigen, um wenigstens die Verbindung zu seiner Tochter nicht ganz abreißen zu lassen. Nach dem letzten Treffen mit Ines war er sicher, es konnte noch besser werden.

      »Lass uns zurück schwimmen.« Christian griff nach Monikas Hand. »Das Picknick wartet!«

      »Überredet!« Monika ließ sich ins tiefe Wasser gleiten und schwamm auf das Ufer zu.

      Im Gras breiteten sie ein Tuch aus und machten sich, vom Schwimmen hungrig, über die mitgebrachten Leckereien her. Genüsslich schlürfte Monika einen sekthaltigen Cocktail mit dem Trinkhalm direkt aus der Flasche. Leicht beschwipst ließ sie sich nach hinten auf die Decke sinken und schloss die Augen. Zärtlich hauchte Christian seiner Frau einen Kuss auf die Lippen.

      So hatte er damals als junger Mann auch mit seiner ersten Freundin im Gras gelegen. Lange hielt diese erste Liebe nicht; und auch die nachfolgenden Beziehungen gingen schneller in die Brüche als er dachte. Die Mädchen kamen und gingen. Einmal war er sogar verlobt gewesen. Das war jetzt um die 35 Jahre her. Die Armee und die damit verbundene lange Trennung kamen ihm und Hanna in die Quere. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er die wenigen freien Tage mehr mit seiner Schwester und dem Schwager verbrachte als mit seiner Freundin. Carola hatte ihren Freund geheiratet und wurde bald darauf schwanger. Als wäre er, Christian, selbst der Vater des Babys, fieberte er der Geburt von Carolas erstem Kind entgegen. Noch heute trieb es ihm die Tränen in die Augen, wenn er an das kurze Leben seines Neffen dachte, den

      er nie in den Armen halten konnte. Nur wenige Wochen nach seinem ersten Schrei schloss der kleine Uwe für immer seine Augen. Damals brach auch für ihn eine Welt zusammen. Als hätte er geahnt, dass es keinen weiteren geben würde, trauerte er um den einzigen männlichen Nachkommen. Drei Mädchen vervollkommneten in den nächsten Jahren die Familie. Zwei Jahre nach Uwe wurde Carolas Tochter Uta geboren und wieder zwei Jahre später, nach seiner Hochzeit mit Beate, kam seine Ines zur Welt, fast ein Jahr danach Victoria. Doch die lernte er erst als Elfjährige kennen.

      »Woran denkst du?« Monika blinzelte ihn aus halb geschlossenen Augen an.

      »Ach nichts. Nur so.« Er wollte jetzt die Stimmung nicht mit traurigen Erinnerungen zerstören.

      Monika ließ es dabei bewenden. Ihre Eltern lebten noch, doch als ihre Großmutter starb, war sie auch oft so in den Erinnerungen versunken. Manchmal brauchte man solche besinnlichen Momente.

      Als die Sonne hinter dem Wäldchen, das den Weiher vom Fluss trennte, versank, packten sie ihre Sachen wieder ein und trugen die Taschen zurück zum Auto, sichtlich erholt und erfrischt und nach einer geruhsamen Nacht fit für den neuen Arbeitstag.

      

       7. Kapitel

      

      

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