Septemberrennen. Isolde Kakoschky
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»Eher ruhig. Sie hat ihren Opa so lange nicht gesehen, dass er ihr jetzt wohl nicht mehr fehlen wird als vorher. Jedenfalls hat sie kein Interesse daran, mit zur Beisetzung zu fahren. Aber es war gut, wenigstens von Angesicht zu Angesicht mit ihr zu sprechen.« Mit einem gedankenvollen Blick sah er zu seiner Frau und griff zu seinem Bierglas.
»Ich bin vorhin auf dem Rückweg bei Victoria gewesen«, ließ sich Monika nun vernehmen. »Wie ich es schon dachte, sie hat auch keine Ambitionen, mit zur Beerdigung zu fahren. Aber weißt du was, egal, was jetzt der Anlass für diese Reise ist, ich freue mich drauf.«
Zwar kannte sie ihre Schwägerin Carola und deren Mann Thomas inzwischen gut und mochte sie auch gerne, aber obwohl Deutschland seit gut 25 Jahren nicht mehr geteilt war, hatte sie noch wenig Ahnung vom Osten des Landes. Ein Besuch dort gefiel ihr schon. Nur, dass sie ihren Schwiegervater nicht mehr persönlich kennenlernen würde, bedrückte sie ein wenig.
Christian lächelte. Ja, irgendwie wich auch bei ihm die Trauer einer gewissen Freude auf das Wiedersehen mit seiner Schwester und seiner Heimat. So sehr er sich hier in der Oberpfalz auch eingelebt hatte und sich wohlfühlte, spätestens seit er gestern Carolas Stimme gehört hatte, sehnte er sich nach seinem Mansfelder Land.
»Klappt das bei dir mit dem Urlaub?«, wollte er nun von Monika wissen.
»Na sicher doch«, bestätigte sie sofort. »Bei einem Todesfall muss es gehen.« Im Grunde war sie froh gewesen, durch die Feuerbestattung und die erst später stattfindende Beisetzung noch so früh Bescheid sagen zu können. Das erleichterte die Planung in der Firma. Bei einer Erdbestattung hätten sie schon in den nächsten Tagen aufbrechen müssen. Nun hatten sie noch fast zwei Wochen Zeit. »Und der Termin liegt ja gut. Am nächsten Wochenende habe ich doch Klassentreffen, da hätte ich drauf verzichten müssen. So passt alles.«
Christian nickte. Ein Klassentreffen hätte er im vorigen Jahr auch gehabt. Doch er konnte sich nicht entschließen, hinzufahren. Nur ein einziges Mal seit dem Schulabschluss hatte er an solch einem Treffen teilgenommen. Lang war´s her.
Als Christian die Augen aufschlug wunderte er sich zuerst über die Stille. Doch als er neben sich seine Frau friedlich schlummern sah, fiel ihm ein, dass ja Samstag war. Seit er als sein eigener Herr arbeitete, hatten die Wochentage nur noch untergeordnete Bedeutung. Sein Zeitplan richtete sich eher nach den Terminen im Rennsportkalender. Oft verbrachte er auch am Wochenende Zeit in der Werkstatt. Er musste niemandem Rechenschaft ablegen, wann er kam oder ging und was er heute geschafft hatte, außer sich selbst. Und einmal im Jahr dem Finanzamt. Das Verständnis von Monika setzte er einfach voraus. Sein Blick streifte ihr Gesicht. So lange wie mit ihr war er noch mit keiner Frau zusammen geblieben. Sicherlich lag das auch daran, dass beide bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich hatten und mit weniger Erwartung,
dafür umso mehr guten Willen in diese Beziehung gingen.
Leise schlich er sich aus dem Schlafzimmer und zog sich Hose und T-Shirt über. Dann schwang er sich auf´s Fahrrad und radelte zum Bäcker. Die Sonne strahlte von einem fast wolkenlosen Himmel, es sah so aus, als wolle der Sommer noch einmal richtig Gas geben.
Als er mit der Tüte voller Brötchen das Haus wieder betrat, wehte ihm der Duft von frischem Kaffee um die Nase. »Oh, du bist ja doch schon wach«, stellte er ein wenig enttäuscht fest. »Ich wollte dir doch das Frühstück ans Bett bringen.«
Monika grinste. »So siehst du schon aus! Aber hiermit«, sie drückte ihm das Tablett in die Hand, »kannst du das Frühstück raus auf die Terrasse bringen!« Christian gab ihr einen flüchtigen Kuss und fügte sich. So gut, wie Monika schon wieder drauf war, hatte er keine Chance. Allerdings lud der Morgen wirklich dazu ein, draußen zu sitzen.
»Das war die letzte Wurstscheibe«, stellte Monika wenig später fest und legte sie ihrem Mann auf den Teller. »Ich glaube, nachher muss ich dringend zum Einkaufen fahren. Oder magst du mitkommen?«
Er überlegte. »Ach nein, fahr du nur. Ich werde noch mal rüber in die Werkstatt gehen. Gestern habe ich ja nun gar nichts geschafft.«
»Ich denk, du hast den Flitzer soweit?« Monika wäre gern mit ihrem Mann gemeinsam gefahren.
»Das schon. Aber ich hab da noch was für den Huber angenommen. Den will ich nicht so lang warten lassen.«
Monika nickte verstehend. »Dann mach das.«
Der Huber war ein Bauer aus dem Nachbardorf und mitunter der einzige zahlende Kunde in den Zeiten, wo Christian über Monate an einem Auto schraubte, bis es endlich verkaufsfertig war.
»Aber was hältst du davon, wenn wir morgen etwas unternehmen? Das Wetter scheint es doch gut zu meinen.«
»Ja, warum nicht«, stimmte Christian ihr zu. »Wenn nix schief geht, kriege ich dem Huber seinen Trecker heute wieder flott.« Er erhob sich. »Dann will ich auch gar nicht weiter trödeln und mache mich mal los. Zum Abendessen bin ich spätestens wieder da. Und wenn du Getränke kaufst, lass sie im Auto stehen, ich bringe sie dann rein.«
Monika sah ihm lächelnd hinterher. So hatte sie Christian kennengelernt, immer am Schrauben, immer dabei, etwas zu reparieren. Allerdings war damals noch nicht abzusehen gewesen, dass er einmal seine eigene Werkstatt haben würde. Sie räumte das Geschirr zurück in die Küche und warf noch einen Blick in den Kühlschrank. So, wie es aussah, war ein ziemlicher Großeinkauf fällig. Dann griff sie den leeren Wasserkasten und eine Klappbox und fuhr los. Zuerst war der Metzger dran. Zum Glück hatte sich der morgendliche Andrang schon gelegt. Schnell hatte sie Wurst und Fleisch beisammen. Nun musste keiner mehr hungern. Für den Supermarkt konnte sie sich Zeit lassen, dort war noch den ganzen Tag geöffnet. Grübelnd bummelte sie durch die Gänge und verfluchte sich selbst, dass sie sich keinen Einkaufszettel geschrieben hatte. Irgendetwas würde sie wieder vergessen. Aber meistens konnte sie beim Kochen ganz passabel improvisieren. Darin war sie genauso gut wie Christian beim Reparieren.
Wieder zuhause schaltete sie die Waschmaschine an, begann schon mal mit den Vorbereitungen für das Abendessen und schob einen Kuchen in den Ofen; nur für den Fall, dass Christian schon früher fertig wurde. Und wenn nicht, dann konnte er ihn am Montag immer noch in der Werkstatt essen.
Schließlich ließ sie sich mit einem Buch im Garten auf einem Liegestuhl nieder und versank schon bald in der spannenden Handlung um den »Bluttempel« einer gewissen Martina Schmid, die hier ganz in der Gegend zuhause war. Ob es wirklich solche Geschehnisse gegeben hatte beim Bau der Walhalla?, fragte sie sich, als sie das Buch zuklappte. Nein, das war doch nur ein erdachter Roman, beruhigte sie sich selbst. Aber einen Besuch wäre der alte Tempelbau schon einmal wieder wert. Sie selbst war das erste Mal schon als Kind mit der Schulklasse dort oben gewesen, aber ob Christian das Bauwerk kannte, wusste sie gar nicht zu sagen. Zehn Jahre lang hatte es Restaurierungsarbeiten an dem Bauwerk gegeben, da hatte sie nie über einen Besuch nachgedacht.
Während sie noch darüber grübelte, trat Christian durch die Terrassentür und lächelte ihr zu. »Fertig! Was sagst du nun?«
»Ich sage: Wenigstens habe ich den Kuchen nicht umsonst gebacken!«, gab Monika glücklich zurück.
»Dann setze ich mal gleich den Kaffee auf.«
Während sie sich in guter Stimmung Kaffee und Kuchen schmecken ließen, brachte Monika das Gespräch auf den geplanten Ausflug und reichte Christian ihr Buch über den Tisch. »Schau mal!«, forderte sie Christian auf.
»Was soll ich mit einem Roman?«, rümpfte der die Nase. Lesen war noch nie etwas für ihn gewesen, sofern es sich nicht um Fachliteratur handelte.
»Du